Superstars zum Anfassen

rod

Fast wie das Original: Retro-Kopie Rod Stewart © Bopp

Neulich die Beatles, gestern Abend Neil Diamond und Rod Stewart: Konzerte, in denen unbekannte Musiker einstige Megastars kopieren, können unterhaltsam sein, aber auch ein bisschen traurig.

Er hat eine fantastische Stimme, dieser Mann, das muss man ihm lassen. Und wenn er sich bewegt, dann tut er dies mit der Brooklyner Lässigkeit eines Neil Diamond. Als Ladies Man weiss er, wie man sich in die Herzen älterer Damen einschmust: Mit viel Schmalz und auch ein bisschen Wehmut.

Einen gestandenen älteren Mann mit dieser großartigen Stimme von der Bühne schlendern zu sehen, nachdem er einen halben Abend lang ausschließlich Neil Diamond-Songs zum Besten gegeben hat, kann eine beklemmende Wirkung haben.

Gut, das Original ist 74 und tourt nicht mehr. So gesehen ist die Kopie das Beste, das sich Diamond-Fans wünschen können (zu denen ich übrigens nicht gehöre). Aber irgendwann ist alles über Neil Diamond gesagt, alles von ihm gesungen und auch sein letzter Doublestep getanzt. Und dann kommt die große Leere.

Der Mann mit dem Glitzerhemd und den schwarzen Hochbundhosen überm Bauchansatz lässt sich noch einmal von gefühlten Fünfundsiebzigjährigen berühren, bejubeln, feiern. Dann verschwindet der Star, der keiner ist, hinter der Bühne, nur um später in Begleitung seines wohl größten Fans, seiner eigenen Frau, den Saal zu verlassen.

Die ältere Dame an seiner Seite bewegt sich schleppend mit Gehhilfe fort. Der ältere Mann, der sich gerade noch für seine schnittigen Hits von gestern feiern ließ, nimmt seine Frau fürsorglich am Arm. Mit der anderen Hand trägt er den Gitarrenkoffer, der – wie der Künstler und seine Frau – auch schon bessere Zeiten gesehen hat.

Auch Rod Stewart hat seine Zukunft längst hinter sich. Zumindest der Rod Stewart, der sich gestern Abend im Montrealer „Rialto Theatre“ feiern ließ. In diesem traumhaft schönen Jugendstil-Ballsaal mit Emporen, Logen und Samtbestuhlung, tanzte, rockte und krächzte ein blonder Mann mit Stoppelhaar-Perücke, der dem richtigen Rod verteufelt ähnlich sah. Das Publikum liebt ihn, hat schließlich 55 Dollar pro Ticket bezahlt.

Darf man einem Menschen zujubeln, der es sich zum Lebensinhalt gemacht hat, einen anderen Menschen zu kopieren? Einem Idenditätendieb gewissermaßen? Einem, der sich als Star geriert, aber gar keiner ist?

Ja, darf man. Und wer Spaß dabei hat, muss sich nicht dafür entschuldigen. Nächsten Monat ist Michael Jackson dran.

Ein Gedanke zu „Superstars zum Anfassen

  1. Lieber Herbert,
    ich war vor zwei Jahren bei einem Konzert des echten Bob Dylan in der Arena von NImes – weniger wegen Bob Dylan, mehr wegen der Arena und der entsprechenden Atmosphäre. Die Atmosphäre stimmte auch, aber dem alten Mann beim Singen (besser: Bellen) zuzusehen, hatte auch schon sehr viel Trauriges.

    Vielleicht ist dann ein gute Kopie, mit Herzblut vorgetragen, immer noch besser, als ein alter Mann, bei dem man sich fragt: „Warum muss der das denn noch machen, koennte der nicht irgendwo in der Sonne seinen Ruhm und Lebensabend in Ruhe genießen?“

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