Ein Freund ist gestorben, ein wunderbarer Kollege. Einer, dem man noch viele gute Jahre gewünscht hätte. Scheißkrebs. Mit 59. Er ist nicht der Einzige: Beklemmend viele Bekannte, Wegbegleiter, Kneipenbrüder sind in den letzten Monaten und Jahren gegangen. Die meisten von ihnen in einem Alter, in dem man gerade anfängt, einen Gang zurück zu fahren. Zu spät.
„Die Einschläge kommen näher“, sagte mein Vater jedes Mal, wenn wieder ein Freund, ein Nachbar oder auch nur ein ferner Bekannter starb. Irgendwann hörte er auf, sich an den Busfahrten ins Blaue zu beteiligen, die doch zum Highlight der Woche für ihn zählten. „Ich kenne ja keinen mehr“, sagte er dann.
Uns, die wir nicht in Kriegsvokabeln denken, fällt auf, dass älter werden zwar mit Gewinn an Erfahrung verbunden ist – welcher eigentlich? -, aber auch mit herben Verlusten. Nicht immer schafft es die Erfahrung, diese Verluste aufzuwiegen. Wer braucht schon die Erfahrung, dass ein guter Kerl mit 59 gehen muss?
Ein bisschen sehnt man sich an Tagen wie diesen wieder nach der Gnade der Jugend zurück: Man verliebt sich, heiratet, kriegt Kinder, leistet sich ein Häusle. Zielrichtung: vorne. Konstruktiv eben. Und natürlich versucht man beim Nestbau nicht daran zu denken, dass dieses Nest irgendwann wieder leer sein wird.
Plötzlich ist das Kind kein Kind mehr, zieht aus. Das Haus wird zu groß, der soziale Bierdeckel, auf dem man sich bewegt kleiner, weil immer mehr aus deinem Dunstkreis verschwinden. Sterben. Wegziehen. Nicht mehr wollen.
Im Englischen spricht man vom „empty nest syndrome“. Auch das haben wir hinter uns. Und entsprechend reagiert. Haus verkauft, uns verkleinert. Neue Ziele angesteuert und auch sonst ein paar Stolpersteine aus dem Weg geräumt.
Anstrengend war’s. Aber alles ist gut. Wir leben noch.