JAKOBSWEG, Tag 3 – 26 Kilometer von Estella nach Los Arcos
FÜR BERND L.
Wir widmen jeden Tag unserer Pilgerreise einem Menschen, der uns viel bedeutet hat, aber nicht mehr unter uns weilt.
So also fühlt es sich an, wenn man als Siebzigjähriger bei sengender Hitze drei Tage hintereinander durch Spanien marschiert – mit einem 8 Kilo schweren Rucksack, der sich nur noch mit Mühe navigieren lässt, weil der Träger nach all den Strapazen die Kontrolle über die Last verloren hat.
Es fühlt sich an, als wäre man durch den Fleischwolf gedreht und hinterher zur Frikadelle geknetet worden. Dabei dachte ich schon, Muskelkater hätten immer nur die anderen. Jetzt sind wir dran – und es schmerzt.
Abgesehen davon ist alles bestens. Auch heute haben wir wieder mehr als 26 Kilometer zurückgelegt. Nicht, weil wir einen neuen Camino-Rekord aufstellen wollten, sondern weil uns die Übernachtungsmöglichkeiten entlang des Jakobswegs weitgehend die jeweiligen Ziele diktieren.
Vor wenigen Stunden sind wir in Los Arcos eingetroffen, einem schmucken mittelalterlichen Flecken in der Provinz Navarra.
Auch heute hat uns die wunderschöne Landschaft dieser Region wieder mit den Mühen versöhnt, die es braucht, um so einen Kraftakt zu stemmen.
Und immer wieder ist der Camino für Überraschungen gut. Sei es eine hippe Bar, die ein cooler Typ buchstäblich im Nirgendwo im Wohnwagen aufgebaut hat und alles serviert, was das Pilgerherz begehrt.
Oder die junge Andalusierin, die plötzlich neben dir mitwandert und dir von ihrem aufregenden Leben als Speisewagen-Kellnerin im Zug zwischen Alicante und Barcelona erzählt.
Oder dass, wie eben in einer Dorfwirtschaft an der schönsten Plaza von Los Arcos, drei Koreanerinnen, eine Irin und eine Schwabokanadierin aus Montréal neben dir sitzen, herzhafte Speisen essen und dazu herrlichen Vino aus der Region Navarro trinken, während dir vom Nebentisch zwei deutsche Monteure „Buen Camino“ zuprosten, die in Spanien landwirtschaftliche Geräte aufstellen.
A propos Vino: Kurz hinter Estella, wo wir die letzte Nacht im Hostel verbracht haben und heute früh losgewandert sind, bietet eine Kellnerei Pilgern kostenlos und in unbegrenzten Mengen Rotwein an, der wie Wasser im Hahn aus der Wand fließt.
Die Nacht in der christlichen Pilgerstätte war übrigens bemerkenswert erträglich. Ich habe selten so viele Menschen auf so engem Raum erlebt, die trotz aller Coolness so rücksichtsvoll miteinander umgegangen sind.
Kein Türen knallen, kein lauter Ton, der die Nachtruhe der anderen stören würde. Der Umgang, den die meist jungen Menschen aus allen Teilen der Welt miteinander pflegten, hat mich tief beeindruckt.
Die müden Knochen brauchen Ruhe. Vielleicht schaffen wir es ja morgen, mit weniger als 20 Kilometern über die Runden zu kommen. Aber wer weiß auf dem Camino schon, was der nächste Tag bereit hält.
„Everything is possible here“, sagte die Speisewagen-Kellnerin noch, ehe sie hinter der nächsten Kurve verschwand.
An dem Hahn, aus dem das „rote Wässerle“ kommt, hätte ich wahrscheinlich aufgegeben.
Euch noch viel Spaß auf eurem langen Weg, viele interessante Bekanntschaften und vor allem: Viele Impressionen, die diejenigen, die euch im Geiste begleiten, dann im Blog bewundern dürfen.
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