JAKOBSWEG, Tag 32 – 22 Kilometer von Las Herrerías nach Fonfría
FÜR PETER
Wir widmen jeden Tag unserer Pilgerreise einem Menschen, der uns viel bedeutet hat, aber nicht mehr unter uns weilt.
Guten Abend, draußen in der Welt!
Das mit dem „draußen in der Welt“ ist nicht einmal ironisch gemeint, denn das Leben auf dem Camino ist ein Leben für sich. Mit eigenen Gesetzen, eigenen Grenzen, eigener Küche und natürlich manchmal sehr eigenen Wohn- und Schlafbedingungen.
So schliefen wir gestern mit Blick auf eine Kuhwiese. Das Herbergszimmer, das uns eben zugewiesen wurde, erlaubt uns einen unverbauten Blick auf den Friedhof des Bergdorfs Fonfría.
Dass wir an diesem Ostermontags-Abend auf Gräber blicken, passt zur momentanen Situation. Wir sind schlicht und einfach geplättet. Kaputt. Fix und foxi.
Dass wir es heute mit der „Mutter aller Aufstiege“ zu tun haben würden, hatte uns schon meine Camino-App angekündigt. Dass es aber so anstrengend sein wird, hatte keiner von uns erwartet.
Auch Rick nicht, ein kerniger Schiffselektriker aus Holland, der auf seiner Camino-Wanderung meistens im Freien schläft. Heute hat er sich ein Zimmer genommen. Er ist fertig.
Dass er sich auf der heutigen Etappe noch eine Fußverletzung zugezogen hat, ist nicht wirklich ein Problem für ihn. Beim gemeinsamen Pilger-Essen eben, am langen Herbergstisch, erzählte uns der Holländer, dass er gegen den lädierten Fuß „Medikamente geraucht“ habe. Das half.
Das meinte ich eben mit den eigenen Gesetzen auf dem Camino.
22 Kilometer betrug die heutige Etappe. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn da die Höhenmeter nicht wären.
Auf 675 Meter befanden wir uns, als wir heute früh los wanderten. 1290 Meter sind es jetzt in Fonfría. Joline erzählte eben, das entspreche 214 Stockwerke. Das Ganze mit Rucksack, der um die 8 Kilo schwer ist. Das Empire State Building hat übrigens 102 Stockwerken. Noch Fragen?
Wenn dann in dem Moment, als du dich nach vielen Stunden Schwerstarbeit schweißtriefend auf den höchsten Punkt der Etappe geschleppt hast, ein schicker Kleinbus anhält, aus dem ein halbes Dutzend gackernde Hühner in stylischen Wanderklamotten aussteigen, ihre pastellfarbenen Rucksäckchen anschnallen und den Fahrer um ein Gruppenfoto bitten, möchtest du nur noch schreiend davon laufen.
Dass die Luxus-Pilgerinnen nach dem Fotoshooting für die Daheimgebliebenen wieder in den gekühlten Bus einsteigen, womöglich zum nächsten Selfie-Termin, ist dir dann eh egal.
Du weißt selbst, was du heute geleistet hast – und es war viel. Vielleicht war es die anstrengendste Etappe bisher.
Das jedenfalls glaubt Vick aus Winnipeg/Manitoba, der seit Wochen auf dem Camino unterwegs ist und dabei Fundraising für die Krebshilfe in seiner Stadt macht.
Ein harter Tag also, aber auch ein traumhaft schöner. Dass wir eine halbe Stunde vor der Ankunft im Hostel mit unseren Ponchos wieder einmal Rotkäppchen spielen mussten, weil es in Strömen regnete, tat dem Tag keinen Abbruch.
Ziemlich genau 700 Kilometer sind wir inzwischen gewandert. 150 stehen uns bis zur Ankunft in Santiago noch bevor.
Die Frage einer Blog-Leserin, ob unsere Knochen, Füße und anderen Gliedmaßen angesichts der zurückgelegten Strecke noch funktionieren, kann ich erfreulicherweise mit ja beantworten. Kleine Zipperlein gibt’s immer mal wieder, aber nichts Ernsthaftes im Vergleich zu anderen Verletzungen, die wir auf dem Camino schon gesehen haben.
Eine andere Frage ist jetzt schon ein paarmal gestellt worden: Blogleser wollten wissen, was eigentlich das Gebilde auf Lores Rucksack darstellt. Antwort: Nichts. Es ist nicht etwa eine Mickeymaus-Figur, die da an ihrem Rucksack hängt. Es sind Lores Turnschuhe, die in der Außentasche stecken. Darüber baumelt die Jakobsmuschel. (Siehe Foto unten). Ein spanischer Pilger gratulierte Lore heute am Vorbeilaufen zu diesem „magnífico“ Design.
Genug für heute. Aus Fonfría in der Provinz Galicien, in der wir seit heute wandern, schicken wir ziemlich erschöpfte Pilgergrüße in die Welt da draußen hinaus und sagen:
Buen Camino!
Der noch lebende greise Peter hat den mittelgreisen Pilgern eben ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
LikeLike
Nur guten Mut! Das Ziel (auch wenn der Weg das Ziel ist) steht gewissermassen vor der Tür, mit lächerlichen 150km, das schafft ihr ganz souverän. Ihr seid heute etwas angeschlagen, mir gehts übrigens blendend: wenn ich mir einen kurzen persönlichen Kommentar erlauben darf – es gibt offenbar mehrere Peter in eurer lebenden oder gelebt habenden Bekanntschaft – der greise Peter aus Sherbrooke erfreut sich, bis auf weiteres, bester Gesundheit. Also bitte keine Blumen.
Der noch lebende Peter
LikeGefällt 1 Person
Nach den Bildern zu urteilen, glaube ich, dass der heutige Tag jeden Schweißtropfen wert war…. Ich habe mir das Santiago-Gedicht geklaut…., mit Deiner Erlaubnis (?) Es gibt sehr zu denken!
„……ein halbes Dutzend gackernde Hühner in stylischen Wanderklamotten aussteigen, ihre pastellfarbenen Rucksäckchen anschnallen und den Fahrer um ein Gruppenfoto bitten, möchtest du nur noch schreiend davon laufen.“…… Ist die Energie nicht wert… :-)
Tolle Leistung und „ya queda menos“…. (es bleibt schon weniger). Buen camino desde Mallorca in Grau und Regen :-D
LikeGefällt 1 Person
Prosit! Nett von euch 🍾🥾
LikeLike
Bravo… und wir werden heute abend einen Schluck auf euch trinken!
LikeGefällt 1 Person
Da wuerde Euch ein Schluck Wundertrunk vom Obelix aus Gallien wohl sehr helfen!
LikeGefällt 1 Person