JAKOBSWEG, Tag 33 – 24 Kilometer von Fonfría nach Samos
FÜR LINDA
Wir widmen jeden Tag unserer Pilgerreise einem Menschen, der uns viel bedeutet hat, aber nicht mehr unter uns weilt.
Heute sind wir durch eine der bisher schönsten Gegenden gewandert. Oder sagen wir mal so: Es hätte so schön sein können. Leider hat es geschneit. Und gehagelt. Und geregnet. Und gestürmt. Der April macht eben auch in Galicien, was er will.
Lore trotzdem: „Es war wie im Märchen“. Ich: „Morgen machen wir mal einen Tag halblang“.
Nach mehr als einem Monat on the road und knapp 120 Kilometer vor Santiago, leisten wir uns morgen den Luxus, unsere tragbaren Schneckenhäuser bereits nach 10 Kilometern abzulegen und in Sarria Pause zu machen.
Sarria ist für galizische Verhältnisse so etwas wie der Nabel der Welt. Es hat 14.000 Einwohner und bietet eine Auswahl von Herbergen, wie wir sie schon lange nicht mehr hatten.
Morgen, liebe Freunde, übernachten wir ZWEI STERNE. Schon gebucht. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Aber erst mal zu heute:
Ein Blick von unserem Herbergszimmer in den Friedhof von Fonfría: Gruselig.
Die Gräber sind mit Schnee bedeckt. Erinnerungen an kanadische Winter werden wach. Müssen wir uns das wirklich antun?
Nein, müssen wir nicht. Aber wir tun’s trotzdem. Und schnallen unsere Schneckenhäuser auf den Rücken und wandern los, als wären wir heimatlos.
Sind wir ja auch zurzeit. Aber der Camino ist auch so etwas wie Heimat für uns geworden. Neue Heimat. Schöne Heimat. Manchmal kalte, manchmal heiße Heimat. Heute nasse Heimat.
Aber da müssen wir durch. Durch den Schnee, den Regen, den Hagel. Die nasse Heimat. Wobei: Vor Kälte und Schnee fürchten wir Kanadier uns nicht. Es ist die Rutschgefahr beim Abstieg, die uns zögern lässt. Aber da gehen wir durch.
Und durch eine Märchenlandschaft, die auch im Regen noch so schön ist, dass du niederknien möchtest. Ums Haar hätte ich genau das getan, als ich beim Abstieg von 1300 auf 530 Höhenmeter ins Rutschen kam.
Aber natürlich hätt auch heute wieder alles jot jejange, wie meine Kölner Freunde sagen würden.
Was die Landschaft von heute betrifft: Sie war so unwirklich schön, dass man zeitweise glaubte, man spiele pilgern vor einer Theaterkulisse.
Ein verwunschenes Dorf nach dem anderen. Dann rein in die Eukalyptus-Wälder, vorbei an Bärlauch-Gewächsen, deren Anblick allein schon eine verdauungstechnisch unruhige Nacht verspricht. Knoblauch wirkt. Auch bei Pilgern.
Während ich hier in einer Bar ohne Namen in einem Dorf namens Samos diesen Text ins Handy tippe und nebenher Häppchen mit Sardinen und lokalem Käse verdrücke, spüre ich ein weiteres Mal so etwas wie Dankbarkeit in mir hochziehen.
So schicken wir inzwischen schneefreie Grüße in die weite Welt hinaus und sagen:
Buen Camino aus Samos!
o
Der Camino will nicht kuscheln! Das wird bei der Lektüre deiner Berichte deutlich. Er fordert heraus, aber er belohnt offensichtlich auch.
Alles Gute weiterhin
Thomas
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Ich/ wir lesen gerne deine Berichte. Irgendwie fuehle ich mich dadurch oft dabei.
Ich drueck euch beide und Chapeau!!!
Ute
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It seems the camino tests you. Yet, you both rise to the challenge courageously and undaunted each time, never failing to see the beauty around you & share it with us out in the wide world. A happy & welcome reprieve awaits tomorrow. You earned it!💕
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