Leben wie Gott in Montréal

Die Fernseh-Debatte zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron erinnerte mich wieder einmal daran, wie französisch geprägt unser Leben hier doch ist. Damit sind nicht nur die gut acht Millionen Quebecer “Ureinwohner” gemeint, sondern auch die vielen Franzosen, die hier eine neue Heimat gefunden haben.

Als Frankreich am 10. April zum ersten Wahlgang aufrief, standen lange Menschenschlangen vor dem französischen Generalkonsulat in Montreal, um ihre Stimme abzugeben. Tausende dürften sich per Briefwahl gemeldet haben.

Wir haben es gut, hier in Montreal. Ohne auch nur einen Fuß aus der Stadt tun zu müssen, können wir das französische Lebensgefühl in der Urform genießen. Zwischen 150.000 und 200.000 Franzosen und Französinnen haben sich in den letzten Jahren in Montreal eine neue Heimat geschaffen. Diese Mischung aus französischer Lebensart und dem American Way of Life ist schwer zu toppen.

Macht Sinn: Die offizielle Sprache der Provinz Quebec ist Französisch. Für Neueinwanderer aus Frankreich gelten Erleichterungen, die andere Bevölkerungsgruppen nicht haben.

Es sind vor allem junge Menschen, die sich in Montreal niedergelassen haben. Der Arbeitsmarkt in Frankreich gibt nicht mehr genügend attraktive Jobs für viele 20- bis 30-Jährige. In Montreal dagegen boomt vor allem der High-Tech-Sektor. Auch im Film- und Multimedia-Gewerbe kommen viele Franzosen unter. 

Wer um die Mittagszeit zwischen Avenue du Parc und Rue Saint-Viateur spazieren geht, wird häufiger ein geschmeidiges Pariser Französisch hören als das – für europäische Ohren – eher krude “Québécois”, das hier gesprochen wird.

Im hippen Viertel “Mile End” haben sich zahlreiche Internet-Startups niedergelassen, aber auch etablierte Firmen wie “Ubisoft”. Der Spiele-Hersteller aus Paris beschäftigt hier rund 3.500 Entwickler, Designer, Producer und andere Kreative.

Dies alles schlägt sich in den Bistros, Cafés, Brasseries und Restaurants der Stadt nieder.

Wer liebt es nicht, das “Essen wie Gott in Frankreich”? Würden wir nicht alle gern dieses wunderbare französische “savoir virve” kopieren, dieses unnachahmliche Lebenskonzept, das nur Franzosen beherrschen? Wer “une Parisienne” oder “un Parisien” Englisch reden hört, kann sich den Theaterbesuch sparen. So viel  sprachlichen Charme bringt nicht einmal Molière auf die Bühne.

Auch wenn hier der französische Influx – aus welchen Gründen auch immer – von vielen argwöhnisch beäugt wird, haben die Neu-Quebecer aus Paris, Nizza oder Angoulême der Stadt und dem Stadtbild gut getan.

Die Straßencafés haben an Lieblichlichkeit gewonnen. Französische “boulangers” machen aus gutem Baguette noch besseres. Die “boucheries” bieten in ihren Vitrinen Fleisch- und Wurstsorten an, die vielen von uns bis dato nur vom Hörensagen bekannt waren. Und dann die wunderbaren “fromageries” mit einer Käseauswahl, wie sie selbst im Mutterland kaum größer sein dürfte. 

Wobei: Quebecer Käseproduzenten müssen sich längst nicht mehr hinter der „Route du Chabichou“ oder anderen berühmten Käsestraßen verstecken. Vor allem aus den „Eastern Townships“ kommen immer mehr fabelhafte Käsesorten. Selbst das, was in Frankreich „Calvados“ heißt, wird hier aus Copyrights-Gründen als exzellenter „Brandy de pomme“ serviert.

Wenn an diesem Sonntag in Frankreich gewählt wird, dann sind am Wahlausgang auch die Quebec-Franzosen nicht ganz unbeteiligt.

Hoffen wir, dass sie sich für einen kosmopolitischen Europäer entscheiden und nicht für eine fremdenfeindliche Yesterday-Frau, die so gar nicht in das schöne französische Ambiente passt.

Allez les Bleus!  🇫🇷

2 Gedanken zu „Leben wie Gott in Montréal

  1. Da kann man ja richtig wehmütig werden …., bei all dem savoir vivre… 😊
    Aber auch wir hoffen, dass die Franzosen “vernünftig”, vor allem in der augenblicklichen Situation, wählen! Aber es sieht ganz gut aus!

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  2. Ich stelle mir gerade bildhaft vor, wie Franzosen englisch reden. Den Akzent, den ich bei ihrem Deutsch so charmant finde, übertrage ich einfach mal. Diese kleine Übung versüßt mir meinen Feierabend. Danke dafür und Grüße über den großen Teich.

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