Smalltalk morgens um halb vier

Der Wecker klingelt pünktlich um 03:30 Uhr: „Wollte nur fragen, ob Ihre Bankverbindung noch stimmt“, tönt es fröhlich durch die Leitung. „Unsere Honorarabteilung ist gerade dabei, die Kontonummern zu aktualisieren“. Prima. Morgens um halb vier. Das passiert, wenn Anrufer vergessen, dass der Angerufene in einer anderen Zeitzone lebt.

Gestern auch wieder. Mitten in der Nacht klingelt das Telefon. Erst Festnetz, dann Handy. Meine deutsche Bank. „Bitte den Token schnellst möglich per Chipkarte mit dem TAN-Generator synchronisieren und die neuen Zugangsdaten durch Eingabe ins TAN-Fenster bestätigen“. Ähm, wie bitte? Token? TAN? Fenster? Chip? Hallo? Es ist noch dunkel bei mir.

Ein ganz besonderes Talent im Zeitzonen überschreitenden Telefonieren war mein Vater. „Wollte nur fragen, ob ihr schon wach seid“, lautete regelmäßig seine Einstiegsfrage. Ja, Papa, sind wir. Ist ja auch schon viertel vor drei.

In unserem Haushalt galten schon immer eigene zeitliche Gesetze. Über meinem Schreibtisch hängen zwei Uhren. Eine zeigt die kanadische Zeit, die andere die deutsche. Wer beruflich und privat so eng mit Deutschland verbunden ist, muss wissen, wer wo wann tickt. Vor allem, als der Hörfunk-Korrespondent noch fast täglich live auf Sendung war.

Am schlimmsten ist es immer nach der Zeitumstellung. Kanadier stellen ihre Uhr nicht zeitgleich um wie Mitteleuropäer. Manchmal dauert es eine Woche, manchmal auch einen ganzen Monat, bis wir wieder synchron sind. War bisher ein Anruf morgens um acht noch ganz nett, ist er nicht mehr so willkommen, wenn es jetzt plötzlich eine Stunde früher klingelt. Smalltalk morgens um sieben ist einfach nicht in Ordnung.

Überhaupt finde ich Zeitzonen ziemlich überflüssig. Der Jetlag nervt mit zunehmendem Alter immer mehr. Du wachst nach der Rückkehr aus Europa morgens um halb drei auf, willst nur noch duschen und hast einen Bärenhunger. Schließlich ist es in deiner Magenuhr noch immer halb neun und damit Frühstückszeit. Umgekehrt willst du bei Deutschland-Besuchen nachmittags um vier nur noch ins Bett und Spätnachrichten kucken. Ist ja auch schon 22 Uhr in Kanada.

In der Regel geht die Zeitrechnung so: Zwischen Montréal und Ummendorf liegen sechs Stunden. Wir hängen hier natürlich, wie immer, hinterher. Und Ummendorf ist, wie immer, seiner Zeit voraus.