Was für ein Land! Was für eine Stadt! Was für ein Leben! Wir sind in Palma de Mallorca angekommen. Hier werden wir den Rest des kanadischen Winters verbringen. Die Gnade des WorldWideWeb: Ob Montreal, Montevideo oder Moskau – so lange es eine ordentliche Internetleitung gibt, können wir auch von Wladiwostok aus arbeiten.
Der Winter in Kanada ist schwer und anstrengend. Der Winter auf Mallorca fühlt sich federleicht an, fast beschwingt. Auch wenn die Mallorquiner klagen, es sei kalt und so einen Winter hätten sie schon lange nicht mehr erlebt. Alfonso von unserer Stammbar nebenan, drückt mir zur Begruessung ein „Winterfoto“ in die Hand, das er an der Plaza de la Reina aufgenommen hat.

Mallorca: Winter unter Palmen.
Er kann es nicht erwarten, mir auch noch ein wackliges Filmchen vom Handy abzuspielen und jede Schneeflocke zu kommentieren. „So hat es hier noch bis vor drei, vier Tagen ausgesehen“. Alfonso schüttelt sich und versucht, uns die härteste Zeit des Jahres als Horrorfilm zu verkaufen. „Aber Alfonso“, will ich wissen, „wo ist der Schnee, von dem hier alle reden?“. „Da! Siehst du nicht die Flocke, wie dick sie ist?“ Hmmm … in Kanada wäre das allenfalls eine Prise Puderzucker. Ich gönne Alfonso den Triumph des Winters und freue mich für ihn, dass er alles so gut überlebt hat.
Winter in Mallorca fühlt sich für uns an wie Frühsommer in Kanada. Auch wenn das Thermometer seit unserer Ankunft die 16-Grad-Marke noch nicht überschritten hat, meint es die Sonne gut mit uns. Die leichte Brise, die die Palmenwedel gegenüber unserer Altstadtwohnung an der Plaza de la Reina in ein kaum hörbares Rauschen versetzen, erinnert uns daran: Wir sind im Süden.
Der Weg hierher war lang und auch ein wenig beschwerlich. Aber was sind schon elf Stunden Flug für 30 Grad Temperaturunterschied zwischen hier und Montreal?

Kathedrale zum Frühstück
Einen Tag vor unserem Abflug hatten sich die Piloten von Air Canada noch das Streikrecht erkämpft. Sie hätten also jeden Moment die Arbeit niederlegen können. Haben sie aber nicht. Aber dann war da noch der Wackelkandidat Frankfurt Airport. Bis zum Vorabend unserer Ankunft wurde gestreikt. Als dann im Morgengrauen die Maschine aus Montreal eintraf, war von Arbeitskampf keine Spur mehr. Der Weiterflug nach Palma war ein Klacks. Ankunft am Flughafen von Palma unter wolkenverhangemem Himmel. Kurz noch ein Spaziergang über den Markt. Frische Blumen für die Wohnung, Bauernbrot, Schinken, Käse und Oliven – life is beautiful! Selbst bei Jetlag.
Dass die Mallorquiner unsere Euphorie nicht unbedingt teilen, hat mit einem Mann namens Francesco Schettino zu tun. Er ist der Kapitän der „Costa Concordia“, die am 13. Januar vor der italienischen Küste gekentert war. Die „ Concordia“ war jahrelang Stammgast im Hafen von Palma.

Eine Wucht, diese Bucht: Blick auf Palma de Mallorca.
„Manchmal legte sie zweimal pro Woche hier an“, erinnert sich unser Barkeeper Alfonso. Die Gäste des Kreuzfahrtschiffes hätten oft und gerne ihren Cortado bei ihm getrunken oder auch eine Ensaimada verdrückt. Jetzt legen nur noch kleine Schiffe an. „Ganz Palma leidet unter der Schiffskatastrophe“. Und Alfonso leidet mit. Aber für ihn wird das Leben auch ohne „Costa Concordia“ weitergehen.
Schließlich hat er auch den mallorquinischen Schneesturm überlebt.