EIS UND SCHNEE IM WINTER – das war gestern. Auf Mallorca grünt immer irgend etwas. Für jemand, der aus einem Land kommt, das fast die Hälfte des Jahres Winter hat, sind jedes Gras, jeder Wildwuchs, jede noch so zarte Blüte im Januar wie ein Wunder der Natur. Was für die Mallorquiner so selbstverständlich ist wie der Cortado an der Cafébar, ist für unsereins noch immer schwer zu glauben. Es ist Winter. Wir frieren nicht. Und es grünt an jeder Ecke. Im Januar. Alle Fotos © Bopp
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Ein weißer Riese zum Frühstück
- Guten Morgen, Mallorca! Die „Costa Diadema“ zieht lautlos an Palma vorbei.
Palma zieht mal wieder sämtliche Register, um uns willkommen zu heißen. Gestern Abend waren es die Heiligen Drei Könige, die vom Meer kommend durch die Innenstadt promenierten. Heute im Morgengrauen tauchte dann ganz unvermittelt die „Costa Diadema“ am Horizont auf. Ein Schiff zum Frühstück? Besser geht’s nicht.
Was für ein gewaltiger Anblick von der Dachterrasse aus: In der Baulücke zwischen Kathedrale und Königspalast schwimmt am nächtlichen Palma fast lautlos eines der größten Cruisehips vorbei, die Mallorca anlaufen. Das ganze Schiff ist hell beleuchtet, so, als gelte es die noch schlaftrunkenen Palmesanos aus dem Feiertagsschlummer zu wecken. (Übrigens: So wie es Flightradar24 zur Ortung von Flugzeugen gibt, kann der Schiffsverkehr über Marinetraffic.com abgerufen werden.)
Auch am Morgen nach unserer Ankunft in Palma fällt es noch immer schwer zu glauben, dass es sich bei dem Schotter auf unserer Terrasse wirklich um weiße Steine handelt und nicht um Schnee. Der Eissturm, den Montréal für uns noch zum Abschied hingelegt hatte, sitzt immer noch tief in den Knochen.
Und dann die Luft! Nicht sommerlich schwül, eher milde wie an einem Frühlingstag. Dabei ist es auch am Mittelmeer tiefer Winter – zumindest auf dem Kalender. Witzig, wie sich Palmesaos bei 15 Grad Celsius wattierte Parkamützen ins Gesicht ziehen. Die Dachterassen rund um uns herum: wie ausgestorben. In Kanada wäre das T-Shirt-Wetter.
Noch etwas fällt an diesem Morgen auf: Die Globalisierung zieht inzwischen auch in die Ferienwohnungen ein. IKEA macht’s möglich: Nicht nur Tische, Sofa und Betten sehen wie fast überall in der Welt aus. Selbst Tassen, Teller und Servietten kommen vom schwedischen Alleskönner.
Und auch in Palma darf, ganz wie daheim, eine Nespresso-Maschine mit knallbunten Alukapseln ein bisschen die Umwelt versauen. Nur dass der Kaffee am Mittelmeer noch ein bisschen besser schmeckt als zwischen Eis und Schnee.
Old Man Winter ist hier
Diesmal kam er auf leisen Sohlen. Gestern noch hatte es lediglich nach ein wenig Puderzuckerstaub ausgesehen. Heute früh dann eine Handvoll Schneeflocken. Und am Abend dann das volle Programm: Eis. Schnee. Kälte. Und kein Ende abzusehen. Kanada eben.
„Es gibt zwei Jahreszeiten in Kanada“, sagen die, die es wissen müssen: die Kanadier, „Winter und Baustellen“. Dieses Jahr kommt alles zusammen: Die Innenstadt gleicht mit Tausenden von Baustellenzylindern einem Fahrschulparcours. Und jetzt noch Eis und Schnee. Letzter Stand: Um die 30 cm. Gute Nachrichten für Abschleppunternehmen. Schlechte für den Rest von uns.
Dass ausgerechnet heute der legendäre Jean Béliveau zu Grabe getragen wurde, passt. Nur Eishockey sorgt in Kanada für mehr Gesprächsstoff als das Wetter.
Und hier noch etwas zum Schmunzeln: Der kanadische Wetterdienst hat ein kurzes Video auf YouTube gestellt:
Tschüss Winter! Hola Mallorca!
Die Proseccoflaschen sind entsorgt, sämtliche Neujahrsanrufe erledigt. Unser Winterquartier in Palma ist angerichtet. Mallorca, wir kommen!
Schwer gefallen ist mir der Abschied vom kanadischen Winter noch nie. Wer mehr als 30 Jahre lang schlimme Schneestürme und Dutzende von Stromausfällen erlebt hat, weil die Überlandleitungen mal wieder unter den Eismassen zusammengekracht sind, der entwickelt im Laufe der Jahre ein ziemlich unromantisches Verhältnis zum Winter.
Ohnehin scheint es der alte Mann dieses Jahr besonders eilig zu haben, so als würde er uns dafür bestrafen wollen, dass wir den Spieß umdrehen und IHM die nächsten vier Monate die kalte Schulter zeigen. Ich kann mich nicht daran erinnern, in all den Jahren schon so früh in der Saison solche extremen Temperaturen und Schneemengen erlebt zu haben.
Ein Silvesterfeuerwerk bei minus 25 Grad vergisst man nicht so schnell. 50 000 bibbernde Menschen können nicht irren: Schön war die Party auf dem Place Jacques Cartier in Alt-Montreal allemal. Aber jetzt ist gut. Der Winter hat sich selbst entzaubert. Das hat er nun davon.
Von morgen an gibt’s statt Donuts mallorquinische Ensaimada und der Wein in unserer Stammbar in Palma kostet noch immer 1.80 Euro, während wir hier, in der teuersten aller kanadischen Provinzen, mit 9 Dollar pro Glas abgezockt werden.
Wenn wir Snowbirds im Mai nach Kanada zurückkehren, werden die Schneeberge in St. Henri vor der Frühlingssonne in die Knie gegangen sein. Dann werden das Kanu poliert und die Räder gesattelt. Kanada kann ja so schön sein.
Vorausgesetzt es ist Frühling, Sommer und Herbst.
Regen auf Mallorca – na und?
Wenn auf Mallorca der Winter mit voller Wucht zuschlägt, dann regnet es. Und es regnet und regnet. So wie gestern. Nur in den Bergen schneit es ab und zu. Aber hier, an der Küste, kommt der Schnee als Regen nieder. Und was macht man an so einem Regentag? Man sucht das Trockene. Und setzt sich in den Bus.
Regen im Winter stört mich nicht die Bohne. Wer in Kanada lebt und Minustemperaturen von 30 Grad gewöhnt ist, lässt sich von plus 12 Grad und Regen den Tag nicht versauen. Im Gegenteil. Winterregen hat etwas. Zumal hier auf Mallorca klar ist: Lange dauert’s nicht, da scheint wieder die Sonne. Am Wochenende sollen es 18 Grad werden. Bei Sonnenschein.

Santanyi im Regen
Der Busbahnhof von Palma ist um diese Jahreszeit eine überschaubare Location. Wenig Touristen, viele Mallorquiner, die von der Stadt in ihre Dörfer fahren und umgekehrt. Der Bus nach Santanyi passt. Eineinhalb Stunden Fahrzeit quer über die Insel, an die Ostküste. Zuerst über die Stadtautobahn in Richtung Flughafen, dann runter an die Küste, an Dörfern vorbei, die ich bislang nur von der Landkarte kannte und die man sich auch nicht unbedingt merken muss.
Doch selbst bei Regen und wolkenverhangenem Himmel zieht eine paradiesische Natur an mir vorbei; Orangenbäume, Zitronenbäume, Olivenplantagen, blühende Mandelbäume (denen der Regen allerdings so langsam den Garaus macht). Ziegen und Schafe, Hunde, Katzen, Hasen, Enten, Schweine in allen Farben, Pferde. Und ab und zu mal ein Bauer mit der Schubkarre. Landleben pur.
Santanyi selbst ist einer dieser idyllischen Orte, die ihren wahren Charme wohl erst im Sommer ausspielen. Kaffee mit Apfelkuchen, Vanillesauce UND Sahne (sorry, die Patronin bestand darauf). Und, kaum zu glauben, WiFi im mallorquinischen Hinterland. Kurze Mail an die Lieben daheim, mit Foto vom regnerischen Städtchen. Und zurück geht’s wieder in den Bus nach Palma.

Winter auf Mallorca: Wo ist das Problem?
NOTIZEN AN MICH SELBST: Dieses Mallorca ist einfach zum Verknuddeln. Klar, das Wetter ist hier nicht tropisch und zwischendurch denke ich auch: Warum friere ich hier eigentlich? Ich bin doch schließlich am Mittelmeer! Aber tropisch hatte ich es viele Jahre lang auf Winterreisen: Kuba, Australien, Hawaii, Mexiko, Dominikanische Republik, Bahamas … alles wunderschön. Aber, mit Ausnahme von Mexiko und Australien, haben diese ges(ch)ichtsosen Inseln bei mir, außer schönem Wetter, nicht viel hinterlassen. Kuba, freilich, ist wieder eine ganz andere Nummer. Diese Insel lässt sich nicht mit Wetter (v)erklären.
Außerdem schlägt mein Herz einfach mal für Europa. Das kann vielleicht nur jemand nachvollziehen, der 30 Jahre außerhalb des Kontinents gelebt hat. Und obwohl ich die Sprache nicht richtig gut spreche und mir die mallorquinische Mentalität noch immer fremd ist: Ich fühle mich hier nach fünf Wintern fast schon heimisch.