Mallorca: Obdachlos im Paradies

obdachlos

Sie sitzen dort, wo man sie am wenigsten vermutet: Im Blumenmarkt an der Rambla. Auf dem Schaufenstersims von Hugo Boss. Oder im Sprenklerradius des „Schildkrötenbrunnen“ am Prachtboulevard Passeig del Born. Deutsche Obdachlose gehören zum Stadtbild von Palma de Mallorca wie die Kaffeehäuser und Tapas-Bars.

Auch nach fünf Palma-Aufenthalten in Serie kann ich mich nur schwer an den Anblick der Männer und Frauen mit dem traurigen Blick gewöhnen. Das Image vom Penner im Paradies passt so gar nicht in das Bild vom Touristen, der zum Spaß nach Mallorca kommt. Und stammt der Obdachlose dazuhin noch aus Uns-geht’s-gut-Deutschland, dann setzt das Verständnis vollends aus.

Für viele Deutsche ist in Palma Endstation

Wie viele es sind, ist schwer zu sagen, die Statistik ist schwammig. In einem Interview mit der deutschen Konsulin habe ich die Zahl 70 gelesen. 70 Deutsche, für die in Palma Endstation ist. Menschen, die im Abfall nach Essensresten suchen. Deutsche, die andere Deutsche anpumpen, nicht selten mit der Schnapsflasche in der einen und dem Joint in der anderen Hand. Die Dunkelziffer ist hoch. Im Sommer, so wird ein Sprecher der Balearen-Insel zitiert, leben in Mallorca bis zu 2000 Deutsche auf der Straße.

Insgesamt wohnen 40.000 registrierte Deutsche auf Mallorca. Dazu kommen etwa 30.000, die nur drei Viertel des Jahres auf der Insel verbringen. Am auffälligsten sind diejenigen, die nirgendwo zu Buche schlagen. Das sind die deutschen Obdachlosen, oft verwahrlost, betrunken und verdreckt, Männer und Frauen, die zwischen den meist gepflegten Mallorquinern wie wunde Finger aus der Menge hervorstechen.

Absturz mit gewaltiger Fallhöhe

Kathedrale von Palma

Kathedrale von Palma

Warum vielen von ihnen das Wasser bis zum Hals steht, weiss ich nicht. Ich habe auch keine Ahnung, weshalb sie den Abstieg in die Gosse nicht rechtzeitig aufhalten konnten. Ich kann mir nur vorstellen, dass die Fallhöhe gewaltig gewesen sein muss. Wer irgendwann mal in diesem Traum von Mallorca gelandet ist und jetzt an der Plaça d‘Espanya mit der offenen Hand dasteht, muss Furchtbares erlebt haben. Ich tippe auf Alkohol und Drogen, aber auch auf Kriminalität, vielleicht alles zusammen. Keine Ahnung. Egal, ob und wie viel Schuld sie selbst an ihrem Schicksal tragen. Mir tun sie leid.

Jeder Fünfte wird angeblich gesucht

Irgendwo habe ich gelesen, dass jeder fünfte Deutsche auf der Insel auf irgend einer Fahndungsliste steht. Das muss nichts Schlimmes sein. Alimente, kleiner Bruch, außereheliche Liebschaft. Gesucht von seiner Familie, von der Polizei, vom Gerichtsvollzieher. Ähnliches haben mir Bekannte in der Dominikanischen Republik erzählt. Komisch: In Kanada ist mir auch nach 30 Jahren keine Statistik dieser Art zu Ohren gekommen. Unter der Sonne lässt sich das Schattendasein vermutlich besser aushalten als im Eisschrank.

2 Gedanken zu „Mallorca: Obdachlos im Paradies

  1. Ich erkenne diesen Penner-Trend auf Maui und in Penticton, obschon viele davon koerperlich faehig sind zu arbeiten aber sie ziehen oft die Misere vor und kommen so anscheinend durchs Leben. PS: Der Yukon war voll von so genannten Leute-mit-Dreck-am-Stecken aus Europa. Schade! Der Trend steigt mit der schlechten Wirtschaftslage.

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