
Koloss in bester Meereslage: Das unvollendete Kongresszentrum in Palma. Foto: Bopp
Die „Mallorca Zeitung“ will zurzeit von ihren Lesern wissen: „Was tun mit Palmas Kongress-Palast?“ Der Koloss in Meeresnähe ist die mit Abstand teuerste Bauruine der Insel. An eine Fertigstellung ist aus Kostengründen nicht zu denken, an einen Abriss auch nicht. Lösungsvorschläge gibt es viele. Lösungen nicht eine einzige.
Das alles kommt mir bekannt vor. Auch in Montreal steht so ein Weißer Elefant. Das 1976 erbaute Olympiastadion bibbert seit Jahren vor sich hin.

„Big Owe“ in Montreal. Foto: Bopp
Das Stadion, wegen seiner Donut-förmigen Architektur ursprünglich „Big O“ genannt, heißt bei den Montrealern nur noch „Big Owe“ – der große Schuldenberg. Das Dach, eine Kevlar-Konstruktion, die auf das Konto des einstigen Star-Architekten Roger Tallibert geht, wurde schon so oft abgebaut, aufgebaut, repariert und wieder eingerissen, dass aus dem ursprünglich mit 134 Millionen Dollar angesetzten Bau ein Monstrum für 1.2 Milliarden Dollar wurde. Kanadier frotzeln gerne über die „teuerste Kopfbedeckung der Welt“.
Das Olympiadach war schon vor der Installation verschlissen
Ein Jahrzehnte dauernder Rechtsstreit war der Installation des Dachs vorausgegangen. Weil sich die Parteien nicht auf die Zahlungen einigen konnten, bröselte die innovative Konstruktion in einem französischen Lagerschuppen so lange vor sich hin, bis das Dach den Handwerkern buchstäblich in den Händen zerrann.
Doch auch das neue Dach erwies sich als Schrott. Die „Expos“, ein professionelles Baseballteam, das einst die Massen ins Stadion zog, wanderte frustriert in die USA ab. Auch die American Football-Mannschaft „Montreal Alouettes“ warf das Handtuch und verschwand von der Bildfläche. Spätestens als das Stadiondach während einer Autoshow mal wieder unter den Schneemassen einknickte, war das Vertrauen vollends hin.
Big-Bang-Theorie: Ein Omnibus-großes Stück Beton kracht auf die Erde
Heute verirrt sich noch gelegentlich eine Fertighausmesse ins überdachte Stadion. Auch die Veranstalter einer Monster-Truck-Veranstaltung sind waghalsig genug, unter dem brüchigen Dach ihre Stunts zu zeigen. Inzwischen leckt nicht nur die Kopfbedeckung, sondern auch das Gestell wurde Opfer der Big-Bang-Theorie: Ein Omnibus-großes Stück Beton löste sich vor nicht allzu langer Zeit aus dem Fundament und krachte auf die Erde.
Ein echter Verwendungszweck für das architektonisch durchaus ansprechende Gebäude fehlt. Auch in Montreal fragten Zeitungen und Radiosender einst ihre Leser: „Was soll aus dem Olympiastadion werden?“ Und auch hier, wie in Palma: Viele Vorschläge, keine Lösungen. Ein Abriss wäre zu teuer, an einen Umbau wagte sich bisher kein Konsortium.
Sparbüchse mit Riesenloch: Bis heute nicht abbezahlt
In Vergessenheit geraten wird das Olympiastadion bei den Montrealern trotzdem nicht. Bis vor kurzem flossen von jeder gekauften Packung Zigaretten 25 Cents in die Schuldenkasse. Abbezahlt ist der Koloss auch heute noch nicht.
Als nächstes werden in Stuttgart ein Bahnhof und in Berlin ein Flughafen als weißer Elefant stehen.
Leopold und Irene, z. Zt. in Australien unterwegs
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Dein heutiger Blogpost erinnerte mich daran, dass der damalige Montrealer Oberbürgermeister, Jean Drapeau, im Januar 1973 der Kritik an seinen hochfliegenden Plänen für eine Olympiade in Montreal mit den folgenden Worten begegnete: “Die Olympiade kann kein Defizit haben, genau so wenig wie ein Mann ein Kind gebären kann”. („The Olympics can no more lose money than a man can have a baby“). Für diese Weisheit zahlen wir noch heute!
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