Die Busfahrerin ist blond und hat einen Pferdeschwanz. Sie trägt eine richtig coole Sonnenbrille, eine Schlägermütze und für ihren Job, wie ich finde, ziemlich viel Bling. Kettchen am Ohr und an den Handgelenken. Tattoo am Hals und Ringe an fast jedem Finger.
Viel wichtiger aber als all der Schmuck: Sie fährt richtig gut. Kein unüberlegter Überholvorgang, kein Hupkonzert, wenn vor uns mal einer die Schnecke macht. Alles in allem also eine entspannte Fahrt, auf der ich mich in diesem Moment befinde.
Der Bus ist fast voll besetzt. Männer und Frauen mit Tüten voller Weihnachtspäckchen. Viele junge Leute, Studenten vermutlich, die an einer der vier Montréaler Unis studieren und jetzt auf dem Weg in die Weihnachtsferien sind. Ein Paar Kleinkinder und vor allem: WLAN. Kostenlos!
Es ist, für kanadische Verhältnisse, nur eine kurze Reise: Knapp zwei Stunden, kaum 200 Kilometer. Von Montréal nach Sherbrooke, quer durch die Ost-Kantone, von denen ich bis heute nicht weiss, warum sie Cantons-de-l’Est heißen. Vermutlich, weil die Hügel links und rechts des Highways Nummer 10 ein bisschen an die Schweiz erinnern.
Im Sommer grasen auf den sattgrünen Wiesen Kühe. Jetzt, im Winter, verbreitet die eigentlich schöne Landschaft eine nichtssagende Trostlosigkeit. Die Höhe der Farmsilos lässt sich nur erahnen. Die Wolken hängen zu tief, um die Spitzen der schlanken Türme zu sehen, in denen das Futter für die Kühe lagert, die sich im Winter einen schlauen Lenz im Stall machen.
Ange-Gardien heißt die Haltestelle, die wir soeben anfahren, Schutzengel also. Ange-Gardien hat einen Marché Village, zwei Tankstellen (der Liter Benzin für 1.07 $, knapp 75 Eurocents), ein A&W-Fastfood-Restaurant und eine undefinierbare Hütte, die mit der Riesenaufschrift Pizza-Pizza signalisiert, dass hier keiner hungern muss. Die wenigen Menschen, die sich im leichten Schneetreiben auf die Straße wagen, sehen durchweg gut genährt aus.
Nächster Stopp: Magog. Ein pittoresques Städtchen am Lac Memphrémagog, im Sommer so schön, dass Donald Sutherland sich hier ein Anwesen zugelegt hat. Im Winter? Magog eben, viel Schnee, viel Weiß und wie viele kanadische Städte im Winter: immer ein bisschen Trübsal.
Gleich sind wir in Sherbrooke, der Endstation meiner Winterreise, die mich von Freund zu Freund führt. Unsere Fahrerin legt plötzlich einen Zahn zu. Der amerikanische Truck, an dem ich beim Vorbeifahren 18 Reifen gezählt habe, tuckert der blonden Frau mit dem Spinnen-Tattoo am Hals dann doch etwas zu gemächlich in Richtung Grenze.
Wahnsinn! Ich kann von hier aus den Tacho sehen: 95 Stundenkilometer!

Angekommen! Ende einer Winterreise durch die Ostkantone © Bopp
Nun möchte ich aber auch noch das Fabrikat des flotten Busses wissen und das Alter der blonden Fahrerin. Hat Canada variable Speedlimits (bis 120 km/h auf der Autoroute)?
Hoffentlich verläuft die Rückreise genauso beschaulich und mit genügend Zeit, um die Ritter der Landstrasse auf ihren 18-Wheelern zu studieren. Enjoy in good health – Rolfo
@ Rolfo: Alter der Busfahrerin: Unbekannt, jedenfalls alt genug für den Busführerschein. Fabrikat des Busses: Unbekannt. Geschwindigkeitsbegrenzung: 100 Km/h.
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