Dampfplauderer unter sich

rauchVerrückt: Da hat Kanada eben einen hippen Premierminister gewählt, der Marihuana legalisieren will. Und genau einen Monat später erlässt Quebec, die zweitgrösste Provinz des Landes, ein Gesetz, das selbst noch den Gebrauch von Elektro-Zigaretten in Straßencafés verbietet. So ist das eben, wenn zu viele Köche im Brei rühren.

Pikant: Das Land Kanada und die Provinz Quebec werden beide von liberalen Politikern angeführt. Justin Trudeau heisst der kanadische Regierungschef. Philippe Couillard der Ministerpräsident von Quebec. Wenn es um Gesetze wie Gesundheit und Bildungswesen geht, haben die Provinzen das Sagen – und nicht der Staat Kanada.

Noch ein Kuriosum: In keinem Teil des Landes wurde noch bis vor kurzem mehr gepafft als im frankokanadischen Quebec. Die meist filterlose Kippe gehörte in jeden Film, in jedes Café, in die Bar ohnehin und selbst in die Bibliotheken.

Der legendäre Separatistenführer und Ministerpräsident René Lévesque war ein Kettenraucher vor dem Herrn. Wie Helmut Schmidt, so ließ auch er sich das Rauchen nicht einmal im Fernsehstudio verbieten. Nur in einem unterschied sich Lévesque von Schmidt: Der Quebecer rauchte am liebsten die filterlosen Schwarzen. Der Ex-Kanzler stand auf Menthol.

Nicht falsch verstehen: Von mir aus können die Nichtraucher dieser Welt ruhig mehr Rechte bekommen. Nur: Sinn machen sollten diese Rechte schon. So muss mir erst einmal einer erklären, warum der Betreiber eines Straßencafés in Montreal künftig 100.000 Dollar Strafe bezahlen soll, wenn er wiederholt erwischt wird, wie Gäste auf seiner Terrasse zur Kippe greifen. Interessanter noch: Wie soll ein kleiner Café-Betreiber diese Monstersumme überhaupt auftreiben?

Viele, die sich das Rauchen in bester Absicht abgewöhnen wollen, greifen zum nächst besten Mittel, zur E-Zigarette. Als Kippenersatz taugen diese Hightech-Stengel angeblich nur bedingt. Kein Nikotin, das die Sinne beflügelt. Alles nur aromatisierter Wasserdampf und somit weitgehend harmlos.

Dass trotzdem jetzt auch E-Zigaretten unter das in Québec verhängte Rauchverbot fallen werden, hat einen Grund: „Québec will als der Nichtraucher-freundlichste Platz der Welt bekannt werden“, sagt die Gesundheitsministerin. Sie sagt das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da in Hollywoodfilmen wieder mehr gepafft wird als je zuvor.

Als Nichtraucher tun mir die Raucher ein bisschen leid. Wem der Staat vorschreibt, dass er künftig nicht mehr auf dem Spielplatz-Bänkchen rauchen darf, während er auf den Kleinen wartet, hat mein Mitleid.

Eine Winterreise live aus dem Bus

winterneuDie Busfahrerin ist blond und hat einen Pferdeschwanz. Sie trägt eine richtig coole Sonnenbrille, eine Schlägermütze und für ihren Job, wie ich finde, ziemlich viel Bling. Kettchen am Ohr und an den Handgelenken. Tattoo am Hals und Ringe an fast jedem Finger.

Viel wichtiger aber als all der Schmuck: Sie fährt richtig gut. Kein unüberlegter Überholvorgang, kein Hupkonzert, wenn vor uns mal einer die Schnecke macht. Alles in allem also eine entspannte Fahrt, auf der ich mich in diesem Moment befinde.

Der Bus ist fast voll besetzt. Männer und Frauen mit Tüten voller Weihnachtspäckchen. Viele junge Leute, Studenten vermutlich, die an einer der vier Montréaler Unis studieren und jetzt auf dem Weg in die Weihnachtsferien sind. Ein Paar Kleinkinder und vor allem: WLAN. Kostenlos!

photoEs ist, für kanadische Verhältnisse, nur eine kurze Reise: Knapp zwei Stunden, kaum 200 Kilometer. Von Montréal nach Sherbrooke, quer durch die Ost-Kantone, von denen ich bis heute nicht weiss, warum sie Cantons-de-l’Est heißen. Vermutlich, weil die Hügel links und rechts des Highways Nummer 10 ein bisschen an die Schweiz erinnern.

Im Sommer grasen auf den sattgrünen Wiesen Kühe. Jetzt, im Winter, verbreitet die eigentlich schöne Landschaft eine nichtssagende Trostlosigkeit. Die Höhe der Farmsilos lässt sich nur erahnen. Die Wolken hängen zu tief, um die Spitzen der schlanken Türme zu sehen, in denen das Futter für die Kühe lagert, die sich im Winter einen schlauen Lenz im Stall machen.

Ange-Gardien heißt die Haltestelle, die wir soeben anfahren, Schutzengel also. Ange-Gardien hat einen Marché Village, zwei Tankstellen (der Liter Benzin für 1.07 $, knapp 75 Eurocents), ein A&W-Fastfood-Restaurant und eine undefinierbare Hütte, die mit der Riesenaufschrift Pizza-Pizza signalisiert, dass hier keiner hungern muss. Die wenigen Menschen, die sich im leichten Schneetreiben auf die Straße wagen, sehen durchweg gut genährt aus.

Nächster Stopp: Magog. Ein pittoresques Städtchen am Lac Memphrémagog, im Sommer so schön, dass Donald Sutherland sich hier ein Anwesen zugelegt hat. Im Winter? Magog eben, viel Schnee, viel Weiß und wie viele kanadische Städte im Winter: immer ein bisschen Trübsal.

Gleich sind wir in Sherbrooke, der Endstation meiner Winterreise, die mich von Freund zu Freund führt. Unsere Fahrerin legt plötzlich einen Zahn zu. Der amerikanische Truck, an dem ich beim Vorbeifahren 18 Reifen gezählt habe, tuckert der blonden Frau mit dem Spinnen-Tattoo am Hals dann doch etwas zu gemächlich in Richtung Grenze.

Wahnsinn! Ich kann von hier aus den Tacho sehen: 95 Stundenkilometer!

Angekommen!

Angekommen! Ende einer Winterreise durch die Ostkantone © Bopp

Bei der Kohle hört der Spaß auf

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Der Kanadier an sich ist ein friedfertiger Mensch. Wenn es aber um die Kohle geht, platzt ihm schon mal der Kragen. Heute Nachmittag zum Beispiel. Da machten sich bei winterlichen Temperaturen Zehntausende Luft und demonstrierten gegen die Sparmaßnahmen der liberalen Provinzregierung von Québec.

Sie waren von überall her nach Montreal gekommen: Von der Gaspésie-Halbinsel, von den Laurentiden-Bergen, von den Ost-Kantonen um Magog und Sherbrooke. Selbst von den fast 1400 Kilometer entfernten Magdalenen-Inseln waren sie angereist.

Ganze Busladungen mit Demonstranten rollten mitten im Vorweihnachtstrubel in die Montrealer Innenstadt. Ihre Forderung: Die liberale Regierung soll aufhören, den Gürtel immer noch enger zu schnallen.

Doch drastische Sparmaßnahmen seien notwendig, behauptet Ministerpräsident Philippe Couillard. Nur wenn es gelinge, vier Milliarden Dollar zu streichen, sei ein einigermaßen ausgeglichener Etat für das nächste Haushaltsjahr möglich.

Treffen soll es vor allem diejenigen, die beim Staat angestellt sind. Leider auch Tausende, die in den ohnehin chronisch unterbesetzten Krankenhäusern arbeiten. Dort sollen allein 1000 „Manager“-Positionen sollen gestrichen werden.

In-vitro-Therapien will Québec nur noch in Ausnahmesituationen finanzieren. Und auch bei den staatlich subventionierten Kindertagesstätten soll der Rotstift angesetzt werden. Also gehen Eltern und solche, die es gerne wären, auf die Barrikaden.

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Sticker-Protest in Montreal

Besonders bockig reagieren Polizei und Feuerwehr. Ihre Rentenfonds sollen eingefroren werden. Die meisten Einsatzfahrzeuge sind schon seit Wochen mit Aufklebern verunstaltet.

Dutzenden von diensthabenden Polizisten schien der Protestmarsch gerade recht zu kommen. Viele von ihnen nutzten die Gelegenheit, sich mit aufgeklebten Proteststickern in die Reihen der Demonstranten zu mischen.

Besonders kreativ erwiesen sich die Polizisten des Montrealer Stadtteils LaSalle. Sie weigern sich strikt, ihre Dienstkleidung anzuziehen. Stattdessen verrichten sie ihren Job in eigens für diesen Zweck angeschafften Fantasie-Uniformen – inklusive Cowboyhut und Sheriff-Stern.

Montréal: Herbst in der City

titelHeute in Montréal: Ein Herbsttag wie aus dem Fotoblog – perfekt für eine 25 Kilometer lange Stadtwanderung. Einfach durchklicken, mitwandern und staunen, was die Stadt meines Herzens um diese Jahreszeit so alles zu bieten hat.                                                                                                            Fotos: © Bopp

Indian Summer – mehr geht nicht

bannerDas perfekte Wochenende: Über Nacht ist der Indian Summer am Lac Dufresne angekommen. Drei, vier Tage – höchstens eine Woche – wird die bunte Pracht noch anhalten, dann beginnt das große Blättersterben.                                          Fotos © Bopp

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