Vor 55 Jahren fing alles an

2. Mai 1968. Kaum ein anderes Datum hat mein späteres Leben so geprägt wie dieser Donnerstag vor 44 Jahren. Mein erster Tag als Journalist. Das heißt: Natürlich ist man an seinem ersten Tag in einer Redaktion noch kein Journalist. Aber mit dem ersten Arbeitstag als Volontär beim “Zeitungsverlag Waiblingen” war der Grundstein für meine spätere Laufbahn gelegt. (Dieser Blogpost war erstmals am 2. Mai 2012 erschienen).

Das Redaktionsvolontariat dauert in der Regel zwei Jahre und ist, damals wie heute, eine der Grundvoraussetzungen für künftige Journalisten. Am 2. Mai 1968 war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich mich “Journalist” nennen durfte. Das Feuer für den Beruf des Reporters war schon einige Jahre früher entfacht worden. Aber jetzt, an diesem kühlen Frühlingstag im Remstal bei Stuttgart, war der Grundstein für eine solide Ausbildung gelegt. An einem Schreibtisch nur für mich. Mit einem Telefon, das ich mir mit Horst, dem Sportredakteur, teilte. Und einer schwarzen, gusseisernen Schreibmaschine, der ich in den nächsten Jahren noch Hunderte von Geschichten einhämmern würde.

Der Auftakt war wenig spektakulär. Ein Pressefotograf namens Dieter hatte, Jeans, T-Shirt, Running Shoes, lässig tänzelnd einen Packen Schwarzweiß-Bilder von einer Demonstration auf meinen Schreibtisch geknallt. “Und jetzt?”, fragte ich zaghaft. Dieter zog kurz an seiner Pfeife, zuckte mit den Schultern, murmelte noch etwas von einer “Maikundgebung” – und weg war er wieder. Rasender Reporter eben. Das gefiel mir gut.

“Such eins raus und mach die Bildunterschrift dazu”, tönte es ziemlich freundlich, aber auch ziemlich bestimmt aus dem Zimmer nebenan. Dort saß Richard Retter, der Chefredakteur. Namen und ein paar Eckdaten zur Kundgebung hatte der Fotograf dazu geliefert. Also tippte ich auf der kleinen Schwarzen meinen Bildtext und ließ ihn vom Chefredakteur abzeichnen. Unverändert! Darauf war ich ziemlich stolz. “Und jetzt setzt du noch dein Kürzel drunter”, sagte der Mann, dem ich mein berufliches Schicksal anvertraut hatte. Ein Kürzel nur? Kein voller Name?. “Noch nicht”, schmunzelte der Boss. “Nicht bei 15 Zeilen!” Hmmm …

Ein Kürzel brauchte ich also. HB? Nicht gut. Klang nach Zigaretten und “Nur nicht in die Luft gehen!” BH? Ging gar nicht. “HeBo”, schoss es aus mir heraus. So nannten mich meine Freunde in Ummendorf. Zwei Buchstaben aus dem Vornamen, zwei aus dem Nachnamen. “HeBo” klang für mich gut und schlüssig. “HeBo” geht nicht, holte mich der Chef von meiner Wolke herunter. “Wir verwenden hier höchstens drei Buchstaben als Kürzel”. So wurde eben “heb” daraus. Drei Buchstaben aus meinem Namen. Stolz wie Oskar. Wenn das Vater wüsste!

Für den Blick in den Schaukasten, in dem am nächsten Morgen die druckfrische Zeitung aushing, war mir kein Fußweg zu weit. Ein dreispaltiges Schwarzweiß-Bild mit 15 Zeilen Text. Dahinter der Name des Fotografen. Und ganz weit rechts in der Ecke noch drei Buchstaben, die mich ein Leben lang begleiten sollten: heb. Der Gang zur Vitrine in der Waiblinger “Querspange”, wo sämtliche Zeitungsseiten aushingen, gehörte jetzt zum täglichen Ritual.

Ein Kollege aus Waiblinger Zeiten würde an dieser Stelle todsicher eine Anekdote erzählen, deren Richtigkeit ich – wie peinlich! – leider bestätigen muss. Sie handelt von einem Jungspund aus Ummendorf, der auszog, um Journalist zu werden. Dieser Jungspund schmuggelte sich gelegentlich anonym in die lesende Menschentraube vor dem Zeitungsaushang, um mit geschwellter Brust für alle Anwesenden unüberhörbar die Schreibkünste eines gewissen “heb” zu loben.

Eitel? Wir doch nicht!        (heb)

Werbung aus „Studio Schamlos“

SCHON IMMER SPASS AM SCHREIBEN: Lore hat dieses Bild vor mehr als 35 Jahren am Strand von Delaware/USA gemalt. Copyright: Lore Roth-Bopp

„Bei deiner gigantischen Werbung„, schreibt die Cousine aus dem Oberschwäbischen, „stellt sich natürlich die Frage, wie der Verkauf läuft„. Der Freund aus Köln meint: „Schön gemacht. Aber bringen die Clips auch was?“ Und auch mein Mentor in Sachen Internet äußert sich: „Auf dem Weg zu einem weiteren Beruf, diesmal Werbeagentur“. Was ist passiert?

Passiert ist, dass ich mein neues Buch seit Tagen schamlos bewerbe. Da ich keinen dicken Verlag mit einem fetten Werbe-Etat hinter mir habe, muss ich die Marketing-Maschinerie eben selbst anwerfen.

Das macht richtig viel Spaß, aber es macht auch Arbeit. Ob’s was bringt? Mal sehen. Da der Buchverkauf bei meinem Verlagsmodell nicht gebündelt abgewickelt wird, sondern über viele verschiedene Kanäle läuft, fehlt mir im Moment noch der genaue Überblick.

Große Verlage schicken ihre AutorInnen auf Tour. Sie füllen bei ihren Lesungen ganze Säle oder zumindest Bibliotheken. Sie geben Autogramme und reisen rastlos von einem Interviewtermin zum nächsten. Für viele Autoren und Verlage ist Bücherschreiben big business.

Natürlich würde auch ich vor Freude juchzen, sollte sich mein neuer Roman richtig gut verkaufen. Aber die Chancen auf einen Bestseller sind, realistisch betrachtet, überschaubar bis null.

Dass ich trotz dieser eher mauen Perspektive meine Werbemaschinerie zum Glühen bringe, hat damit zu tun, dass ich ganz unerwartet ein neues Hobby gefunden habe. Ich produziere 30-Sekunden-Videoclips, die ich dann ins Internet stelle: auf Facebook und Instagram. Neuerdings auch auf TikTok. Dort erreicht man unter dem Hashtag #booktok offenbar ein Millionenpublikum, das sich für Bücher interessiert.

Die vertonten Filmchen produziere ich mit einem australischen Tool namens Canva. Ich habe selten ein Computerprogramm gesehen, das so gut mit multimedialen Inhalten bestückt ist. Die Pro-Version bietet mehr als 60 Millionen lizenzfreie Fotos, Videos, Grafiken und Songs.

Dass Canva dazuhin nutzerfreundlich wie kaum ein anderes Programm ist, soll hier auch noch erwähnt werden. Und nein, ich habe keine Aktien bei den australischen Betreibern und bekomme auch keinen Preisnachlass für mein Lob.

Wie die schamlose Werbung aus meinem Heimstudio aussieht, sehen Sie weiter unten. Einfach die Links anklicken und Sie gelangen ohne Registrierung auf den Clip. Bitte Ton an!

In nächster Zeit kommen noch einige dazu. Ich denke auch darüber nach, hin und wieder kleine Videos mit Lesungen ins Netz zu stellen. Im Moment ist dies leider die einzige Möglichkeit, meiner Leserschaft auf Augenhöhe zu begegnen.

🟠 EIN SOMMER OHNE BUCH? Zum Glück gibt es Valentina

🟠 EIN BUB. EIN MÄDCHEN. EIN BUCH: Die ganze Story in 30 Sekunden

🟠 TAPAS UND VINO: Und selbstverständlich Valentina

🟠 MALLORCA MEMORIES: Mit Tapas und Valentina

ÜBRIGENS: Wichtiger als meine Werbung sind Sternchen und Bewertungen im Netz. DANKE!

Und was machen Sie so nachts?

Eigentlich wollte ich mich heute mit einem Kumpel beim Portugiesen zum Mittagessen treffen. Wir machen das öfter mal. Dann tafeln wir ein wenig und reden viel. Und hinterher haben wir natürlich die Welt gerettet, klar.

Den Termin für heute musste mein Freund absagen. Er hatte nämlich kurzfristig für 03:45 Uhr einen Krankenhaustermin für den Bluttest bekommen. Viertel vor vier Uhr morgens. Könnte gut sein, dass er dann später beim Mittagessen eingenickt wäre.

Ganz unrecht ist es mir gar nicht, dass mein Lunch-Date abgesagt hat. Ich habe nämlich heute auch einen Krankenhaustermin. Um 20 Uhr geht’s im General Hospital in die Röhre. Freitagabend, 20 Uhr.

Ich stelle mir gerade vor, wenn uns älteren Herren jemand zuhört:

„Was machst Du denn so am Freitagabend?“

„Naja, um acht lege ich mich kurz in die Röhre, danach geht’s ins Bett. Und du?“

„Ich war heute früh um Viertel vor vier zum Bluttest im Krankenhaus. Muss mich erst mal ausruhen.“

Eigentlich wollte ich einen fröhlichen Blog über das kanadische Gesundheitswesen schreiben und wieviel Respekt ich vor den Männern und Frauen habe, die für wenig Geld Tag und Nacht arbeiten, um für uns da zu sein.

Doch dann ist mir der Spaß vergangen. Wie es der Zufall will, lese ich eben:

EINE KOMMISSION SCHLÄGT FÜR DIE ABGEORDNETEN DES QUEBECER LANDTAGS EINE GEHALTSERHÖHUNG UM 21 PROZENT VOR.

Geht’s noch?

Ja, es geht noch schlimmer. Wie sieht’s eigentlich bei den Quebecer Krankenschwestern finanziell so aus?

Schlecht. Es gibt viel zu wenige von ihnen und die verdienen dann auch noch viel zu wenig Geld. Als sie neulich mit Streik gedroht haben, hat ihnen die Quebecer Regierung ein tolles Angebot gemacht: 9 Prozent mehr Lohn, verteilt auf die nächsten 5 Jahre.

Na super. Jetzt wissen wir endlich, wo hier die Prioritäten liegen.

Während die einen Wasser predigen und Wein trinken, stehen die anderen morgens um 03:30 Uhr auf der Matte, um meinem Kumpel Blut abzuzapfen. Oder um mich am Freitagabend in die Röhre zu stecken, wenn andere feiern gehen.

Friday Night Fever. Ich könnte mich wegschmeißen vor Lachen.

Die Hitze nach dem Eissturm

Zu heiß, zu kalt – oder doch gerade richtig? Das mit der perfekten Kleidung müssen wir noch üben.

Noch vor einer Woche bibberten wir hier mitten im schlimmsten Eissturm seit 25 Jahren. Gestern ist der Sommer ausgebrochen. Vielleicht besser: der „kleine Sommer“. So nennen die Mallorquiner eine vorübergehende Warmwetterperiode mitten im Winter.  Das Thermometer kletterte in Montreal heute auf rekordverdächtige 27 Grad Celsius. Zeit, um das eBike aus dem Winterschlaf zu küssen.

Abstauben, ein paar Atü Luft nachpumpen, Gepäcktasche festzurren, die frisch geladene Batterie anschließen – und los geht’s. Wenn’s schon zum Gehen nicht mehr reicht, dann soll die schlaffe Beinmuskulatur wenigstens beim Treten aktiviert werden.

Auf- und Absteigen sind eine Tortur. Aber sitzt man erst einmal im Sattel, fühlt man sich wie King of Kotlett.

Die größte Herausforderung ist nicht die körperliche Anstrengung. Die hält sich bei einem eBike mit Zuschaltmotor ohnehin in Grenzen. Es ist vielmehr die Frage: Was ziehe ich an? Kann man dem Thermometer überhaupt trauen?

Der junge Postbote im Aufzug (ja, der Lift funktioniert wieder) hatte mich gewarnt. „Viel zu warm, deine Klamotten“, meinte er zwischen 6. Stock und Tiefgarage. „Die Jacke wirst du spätestens an der Charlevoix-Brücke ausziehen“.

Der ältere Herr, der mich Minuten später beim Aufsteigen beobachtet, macht sich Sorgen um mich: „Sie werden frieren!“

Der Postbote hatte recht. Schon nach weniger als einem Kilometer steht mir der Schweiß auf der Stirn.

Wer einmal über das Kopfsteinpflaster der Montrealer Altstadt geradelt ist, weiss, wie wertvoll ein gut gepolsterter Sattel (oder Hintern) sein kann. Aber auch das ist nur ein kleiner Preis für so viel wiedergewonnene Freiheit.

Es wurden dann doch um die 35 Kilometer. Noch ging es nicht in den Hexenkessel Innenstadt. Ich solle mir beim ersten Mal nicht zu viel zumuten, hatte mich mein häufiger Mitradler Marc per SMS aus der Ferne gewarnt. Dr. Marc hat Recht. Er ist Kardiologe und kennt sich mit körperlichen Grenzerfahrungen aus.

Marc selbst hatte übrigens sein Fahrraddebüt fast gleichzeitig wie ich, aber weit im Norden von Ontario. Auf dem Foto, das er mir schickt, sehe ich im Hintergrund viel Eis und Schnee.

Meine eBike-Premiere23 hat wunderbar geklappt. Traurig war allerdings der Anblick der vielen abgeknickten Bäume – Erinnerungen an den Eissturm vor einer Woche.

Heute geht’s in die zweite Runde. Vielleicht doch wieder Innenstadt?

Die etwas anderen Feiertage

WIR SIND WIEDER UNTER STROM: Nach drei Tagen und Nächten ohne Elektrizität hat uns die Welt wieder.

Noch funktioniert der Aufzug in den 6. Stock nicht und die Folgen des Eissturms sind vor allem in der Stadt noch lange nicht ausgestanden.

Aber hier auf dem Land erinnert kaum noch etwas an den Blackout’23, der mehr als eine Million Haushalte in Montreal und Umgebung lahmgelegt hat.

Viele unserer Freunde sind an diesem kalten Wochenende noch immer ohne Heizung, ohne Licht, ohne warme Mahlzeiten.

Ihnen gelten unsere ganz besonderen Ostergrüße. Aber auch allen anderen wünschen wir:

Frohe Ostern – Joyeuses Pâques – Happy Easter – Felices Pascuas.