Der einsamste Highway der Welt

Wer sich für Trucks, exotische Gegenden und Abenteuerreisen interessiert, sollte sich unbedingt eine tolle Bildergalerie auf Spiegel-Online ansehen. Dort werden die angeblich härtesten Routen für Lkw-Fahrer gezeigt. (Dass ausgerechnet die Kassler Berge aufgeführt werden, kann ich zwar nicht so richtig nachvollziehen, aber bitte …) – Beim Durchklicken der Fotos habe ich mich an eine Reportage über den Dempster Highway erinnert, die ich vor Jahren für einige ARD-Sender gemacht habe. Hier ist die Textversion. Den Link zum Audio finden Sie am Ende der Seite:

„Kies und Schotter prasseln unentwegt gegen Karosserie und Windschutzscheibe. Schon bald überzieht eine bräunliche Staubschicht Lenkrad und Armaturenbrett. Irgendwann geht das Hüsteln los. Jetzt eine Raststätte, eine Tasse Kaffee, ein Glas Wasser, das wär’s. Aber hier oben gibt es nichts dergleichen: Bis zur einzigen Tankstelle auf der 671 Kilometer langen Strecke sind es noch fünf Stunden. Zeit genug, um endlich mal wieder Radio zu hören. Oder Freunde auf dem Handy anzurufen. Aber nichts geht. Kein Signal. Der Dempster Highway ist die Straße ins Nirgendwo. Und nirgendwo ist der Autofahrer einsamer als auf dem Dempster Highway.

Unterwegs im Yukon mit einem Allwheeler vom Typ „Yukon“

Der Trucker Charly Procter kennt den Dempster wie seine Hosentasche. Irgendwo zwischen den Tombstone-Mountains und Fort McPherson begegnen sich unsere Fahrzeuge. Man hält an, steigt aus, schüttelt sich die Hände. Zwei Fremde auf der Nowhere-Road tauschen ihre Erfahrungen aus. Er: der Lkw-Fahrer, der 60-tausend Liter Flugzeugbenzin nach Inuvik transportiert. Ich, der Reporter, der sich einen kanadischen Traum erfüllt: Eine Fahrt auf dem wohl einsamsten Highway der Welt.

John Duncan Dempster hat dem Highway seinen Namen gegeben. Er war das, was man damals “ein ganzer Kerl” nannte. Ehe der Dempster Highway 1979 als befahrbare Straße gebaut wurde, hatte John Dempster die Strecke mehr als ein Dutzend Mal auf dem Hundeschlitten zurück gelegt. Er versorgte die Bewohner der Arktissiedlung Inuvik mit Lebensmitteln, Medikamenten und auch mal mit Weihnachtsgeschenken für die Kinder. Als der Hundeschittenpfad dann irgendwann zur Schotterstraße aufstieg, verstarb Mr. Dempster kurz darauf.

Ein Abenteuer ist die Fahrt auf dem Dempster Highway zwölf Monate im Jahr. Im Herbst, während des Indian Summer, wird die Fahrt ein Fest für die Sinne: Der Laubwald blüht regelrecht in allen Farben. Mit Wildblumen übersäte Täler wechseln sich ab mit Tundra-Landschaften. Schneebedeckte Berge mit sanften Hügeln. Wer Glück hat, sieht Grizzlybären, Wölfe oder rieisige Karibuherden.

Die erste Phase der Arktis-Autobahn war schon in den 50-er-Jahren eingeleitet worden. Doch der Bau wurde zu teuer, das Projekt wieder gestoppt. 1968 dann ein weiterer Versuch. Elf Jahre später war die 671 Kilometer lange Fahrbahn fertig. Die Schotterstraße verläuft über Permafrost. Deshalb wurde zur Isolation zunächst ein zwei Meter dickes Kiesbett gestampft. Damit soll verhindert werden, dass der Fahrbahnbelag bei eventuell einsetzendem Tauwetter absackt.

„D-Day“ nennen Kanadier den Tag, an dem sie zum ersten Mal auf dem Dempster Highway fahren. Viele sind es ohnehin nicht. Weil es auf der kompletten Strecke weder Polizei noch Krankenstation gibt, ist die Fahrt über den Dempster nichts für Zartbesaitete. Ein Plattfuß wird ohne mehrere Ersatzreifen zum unkalkulierbaren Risiko, ein noch so kleiner Unfall leicht zur Katastrophe. Auf etwas ist jedoch auf dem Dempster Highway immer Verlass: Staub, Staub und nochmal Staub. Und auf das Gefühl, einen der außergewöhnlichsten Highways der Welt befahren zu haben.“

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