Die Leere nach dem Sieg, die Öde nach dem TV-Marathon. Und jetzt ist auch noch bei Lahm die Luft raus. Es kommen harte Zeiten auf mich zu. Keine Playoffs mehr, in denen man den Montreal Canadiens beim Verlieren zugucken konnte. Keine Fußball-WM mehr. Das Sommermärchen ist zu Ende, dabei hat der Sommer gerade erst angefangen. Und jetzt?
Seit unserer Rückkehr aus Mallorca ging es Schlag auf Schlag. Erst lieferten sich die Eishockey-Cracks der NHL verbitterte Kämpfe, die ich Abende lang in irgendwelchen Bars an großen Leinwänden miterlebte. Als die Montreal Canadiens dann den Besseren das Feld überlassen mussten, hielt sich meine Trauer in Grenzen. Bald würde das brasilianische Sommermärchen beginnen.
Nie musste Deutschland ohne mich spielen. Ich war bei der Schmach gegen Algerien dabei und auch bei dem unverschämt hohen Sieg gegen die Gastgeber. Die Montrealer Kneipiers rieben sich bei meinem Anblick schon die Hände. „The sports crazy German is coming again“, flüsterten sie sich vermutlich hinter der hohlen Hand zu und hofften: „Bitte, lieber Gott, lass die WM noch ganz lange dauern!“
Irgendwann war dann Schluss mit lustig. Die DFB-Jungs packten ihre Siebensachen. Den Einzug am Brandenburger Tor konnte ich dank Deutscher Welle-TV noch live vom Bett aus miterleben.
Es war früher Morgen in Montreal, als Schweini & Co. sich ins Goldene Buch der Stadt Berlin eintrugen. Manche von ihnen traten anschließend vor die Kameras – in der einen Hand ein Würstchen, in der anderen eine Laugenbrezel. Plötzlich verspürte ich, 6000 Kilometer westlich vom Brandenburger Tor, einen Berliner Bärenhunger – und machte es den Boys nach. Ich ass.
Ich kann mich nicht daran erinnern, je zuvor ein Frühstück mit Wiener und Senf im Bett eingenommen zu haben, während im Fernsehen gleichzeitig siegestrunkene Fußballspieler mit Würstchen in der Hand ins Mikrofon grölten. Aber selbst diese Augenblicke hatten was, ich möchte sie nicht missen.
Als dann auch noch Philipp Lahm ankündigte, er werde nie mehr die Kapitänsbinde tragen, musste ich an die Kameraleute und Bildmischer denken, die künftig keinen Schwenk mehr nach unten machen, wenn sie das DFB-Team beim Singen der Nationalhymne abfilmen und regelmäßig in die Knie gehen mussten, wenn der kleine Große ins Bild kam.
„Was soll ich jetzt nur anschauen?“, frage ich beim Dinner unsere indische Freundin Vera. „Wie wär’s mit Cricket?“, sagt die kluge Frau. „Cricketspiele dauern manchmal zwei Tage“.
Die Frau an meiner Seite hatte eine bessere Idee. Sie hat immer die besseren Ideen: „Was du anschauen sollst?“, meinte sie.
„Mich“, sagt sie, „einfach nur mich“.