Süße Suche nach Zuckermann

Mystery Man Rodriguez – Copyright Métropole Films

Es gibt Tage, die möchte man einfach abhaken, noch ehe sie angefangen haben. Heute war so ein Tag. Der Frust über die vom Wasserschaden heimgesuchte, nagelneue Wohnung ist noch immer groß. Dass der Aufzug in die Tiefgarage ausgerechnet am Wochenende nicht funktioniert, macht die Situation auch nicht besser. Und die Grölparty, die in der vergangenen Nacht bei spätsommerlichen Temperaturen auf der Dachterrasse gefeiert wurde? Hau weg die Scheisse. Da hilft nur eins: Kino.

Nach dem Film ist vor dem Film: Eben komme ich aus meinem Lieblingskino und bin hingerissen von Searching for Sugar Man, einem der beeindruckendsten Filme seit langem. Es ist eine großartige cineastische Spurensuche nach einem Sänger namens Rodriguez. Der Mann hatte im Amerika der 70er-Jahren ein paar Songs aufgenommen, die es trotz fantastischer Melodien und einfühlsamer Texte nie in die Charts geschafft haben. Ein bisschen Bob Dylan, ein wenig Donovan. Und viel Motown.

Heute lebt Rodriguez als Bauarbeiter in Detroit. Was er bis vor kurzem nicht wusste, in der vordigitalen Steinzeit auch nicht wissen konnte: In Südafrika war er lange Zeit ein Superstar, bekannter als Elvis, populärer als die Stones. Eine Piratenkopie eines seiner Alben, vermutlich eine Kassette, hatte am Kap irgendwann die Runde gemacht. Ein obskurer Plattenlabel brachte die Musik dann auf den Markt – und kassierte ab. Rodriguez selbst, ein unscheinbarer, bescheidener Mann, ging leer aus.

Irgendwann war der Mythos Rodriguez auch in Südafrika erloschen. Der Sänger, so das Gerücht, habe sich auf einer Bühne während eines Live-Konzerts erschossen. Oder, ein anderes Gerücht, Rodriguez habe seinem Leben vor Live-Publikum durch Selbstverbrennung ein Ende gemacht. Nichts von alledem stimmte. Rodriguez, der von den Gerüchten keine Ahnung hatte, ging in Detroit nach wie vor seinem Bauarbeiterjob nach.

Als ein Journalist dann anfing, die Mosaiksteine zusammen zu tragen, die das wahre Leben von Rodriguez ausmachten, wurde der Superstar, der keiner war, nach Südafrika eingeladen. Ein ausverkauftes Konzert folgte dem anderen. 20-tausend Fans und mehr strömten in die Hallen, wenn Rodriguez sang. Massenhysterie brach aus, wo immer der leise Mensch aus Michigan auf der Bühne stand. Der scheue Mann, den im Rest der Welt auch heute noch so gut wie keiner kennt, sorgte im südlichen Afrika erneut für Furore.

Searching for Sugar Man(Trailer) – das sind wunderschöne Bilder, fantastische Musik, atemberaubende Dramaturgie mit sympathischen Protagonisten, darunter die drei Töchter des Mystery Man.

Ein Feelgood-Movie an einem Tag, den man am Morgen noch am liebsten abgehakt hätte.

UPDATE: Regisseur Malik Bendjelloul hat einen „Oscar“ fur sein Werk bekommen!

Leos Lächeln und Eltons Haar

Ich mag George Clooney. Er ist smart und schlau und soll dazu das Herz auf dem richtigen Fleck haben. Außerdem ist er ein hübscher Kerl. Aber hat der Film, mit dem er jetzt bei den Golden Globes abgeräumt hat, wirklich diese Auszeichnung verdient?

„The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ läuft demnächst auch in Deutschland an. Es ist eine schnulzige Familienkomödie, die sich von anderen schnulzigen Familienkomödien vor allem dadurch unterscheidet, dass sie auf Hawaii spielt. Aber dafür die zweithöchste Auszeichnung zu kassieren, die Hollywood – nach den Oscars – zu vergeben hat? Hmm.

George Clooney spielt einen gestressten Witwer, dessen Frau ihn noch kurz vor ihrem Tod nach Strich und Fragen betrogen hat. Jetzt muss sich Herr Clooney, im Privatleben kinderlos, plötzlich um seine Girls kümmern. Das gelingt ihm mehr schlecht als recht. Hin und wieder rettet eine gute Dosis Situationskomik die Szene. Dafür, das heißt für seine schauspielerischen Leistungen, hat George jetzt den Golden Globe erhalten. Übrigens hat eine von Georges Mitspielerinnen später gesagt, es sei vielleicht ganz gut so, dass Mr. Clooney im richtigen Leben keine Kinder habe. Er wäre vermutlich ein schrecklicher Vater.

golden globe awards websiteÜberhaupt, diese Glamour-Veranstaltungen! Keine Ahnung, warum ich mich immer wieder dabei ertappe, stundenlang vor der Glotze zu sitzen und mir Lobpreisungen anzuhören, die nicht nur den Produzenten einschließen, sondern auch noch den Caterer, den Wasserholer und den Hundesitter. Aber irgendwie hat es auch was, Madonna mit Muskelpaketen im Kurzärmeligen zu sehen. Oder Brad Pitt mit Angelina an einem Tisch, der unter so vielen Moët & Chandon-Flaschen beinahe in die Knie geht.

Ständig im Bild – und trotzdem kein Globe: Elton John

Und Elton John, wie sich seine Hand ausgerechnet dann im implantierten Haupthaar verirrt, wenn gerade mal wieder die Kamera auf ihn gerichtet ist. Das passierte am Sonntag übrigens laufend. In der Zeitung habe ich gelesen, kein Mensch sei während der dreistündigen Übertragung häufiger im Bild gewesen als Elton John. Dabei hat er nicht einmal einen Globe bekommen.

Rooney Mara? Wow! Man kennt sie ja bisher fast nur in der Hollywood-Version als Girl with the Dragon Tattoo. Ziemlich versaut und ganz schön krank. Und was macht sie bei den Globes? Lächelt mit Leo um die Wette und zeigt sich von einer wunderschönen Seite, die man nicht für möglich hält, wenn man nur den Film gesehen hat.

Ricky Gervais (Facebook)

Auch Ricky Gervais ist ein guter Typ. Das hat er als Moderator der Golden Globes jetzt schon zum dritten Mal bewiesen. Schade: Früher war er irgendwie kerniger. Mehr Speck um den Wanst, weniger Bleach an den Zähnen. Und überhaupt bissiger.

Nur zwei- oder dreimal wurden während der Live-Übertragung Teile seiner Zoten weggepiept. Noch im Vorjahr hat es Ricky geschafft, den Leuten im Saal die Schamesröte ins Gesicht zu zaubern. Diesmal haben die meisten von ihnen ziemlich gelangweilt in die Kamera geschaut. Ich glaube, Ricky Gervais ist, wie all die Anderen, in Hollywood angekommen.

Schade eigentlich.