Auf dem Postweg ans Meer

bildbannerFit müssen sie gewesen sein, die Kerle, die vor vielen Jahren den Camí des Correu von Esporles über die Berge nach Banyalbufar zurückgelegt haben, um den Bewohnern der Fincas die Post zu bringen.

Um über die steinigen Trassen ans türkisfarbene Meer zu kommen, muss zuerst die bewaldete Passhöhe Coll des Píans überquert werden. Wir benötigten heute bei sommerlichen Temperaturen knapp fünf Stunden für diese atemberaubend schöne Strecke.

Der Postillion von damals dürfte den Weg in der Hälfte der Zeit geschafft haben. Schließlich hatte er einen Esel, der ihm die Trägerlast abnahm. Außerdem musste er nicht ständig die Kamera zücken.

Über sanfte Olivenhaine geht es zunächst an Sa Granja vorbei, einem Landgut aus dem 13. Jahrhundert. Durch Kiefer- und Steineichenwälder führt der felsige Pfad weiter in Richtung Banyalbufar.

Hier wird’s dann richtig romantisch: Das Dorf, das die Mauren vor gut 1000 Jahren auf 2000 Terrassen errichtet haben sollen, erinnert auf erfrischende Art daran, dass Mallorca irgendwann einen anderen Zweck hatte als nur Touristen anzulocken. Es gibt dort ein „richtiges“ Leben, verbunden mit viel Arbeit.

Hier wurde – und wird noch immer – Landwirtschaft betrieben. Orangen, Zitronen, allerlei Gemüsesorten und vor allem Wein werden hier angebaut. Das Wasser kommt aus riesigen Zisternen, ein raffiniert ausgeklügeltes Kanalsystem erfüllt noch heute seinen Zweck.

Bei der Ankunft in Banyalbufar hat der inzwischen müde Wanderer zwei Möglichkeiten: Er steigt nach einer Mahlzeit in einer der Landgaststätten in den bequemen Überlandbus und fährt über atemberaubende Serpentinen nach Palma oder sonst wo hin zurück. Oder aber er gibt sich das volle Sinnespaket und wandert noch eine halbe Stunde weiter, tief hinunter in die Bucht von Banyalbufar.

Dort wartet ein schnörkelloser, unverbauter kleiner Hafen auf den Besucher. Um diese Jahreszeit tummeln sich da allenfalls zwei, drei Sonnenanbeterinnen. Ansonsten gehört das türkisfarbene Wasser dir. Durchaus sehenswert, wie Bootsbesitzer ihre kleinen Kähne in eine Art Terrassenkonstruktion gesteckt haben, um sie dort überwintern zu lassen.

Auf Mallorca bedient jede Wanderung unterschiedliche Sinne. Mal sind es die Gerüche, die betören, mal ist es die spektakuläre Sicht auf Berge, Buchten und Täler. All dies trifft auf den alten Postweg zu. Und noch mehr: Hier gibt’s dazuhin noch etwas auf die Ohren. Vogelstimmen, die sich in ihrer einzigartigen Harmonie gegenseitig zu toppen versuchen, lassen dir manchmal keine andere Wahl als sprachlos inne zu halten.

Ein schöner Gedanke: Vielleicht hat sich ja der Postbote vom Camí des Correu damals auch schon vom Gesang der Amsel einlullen lassen, während er sich an einer frisch gepflückten Orange labte, eher er sich in der kleinen Bucht von Banyalbufar noch ein kurzes Erfrischungsbad gönnte.

Die alte Frau und das Meer

beachSie lächelt. Steht da am Strand von Paguera und lächelt. Einfach so. Sie sei jetzt 87 Jahre alt, sagt die Frau, und es gehe ihr blendend. „Schauen Sie doch mal: Das Meer, die Sonne, die netten Menschen!“ Wenn das kein Grund zum Lächeln ist.

Sie sächselt ein wenig, dann schwäbelt sie. In Leipzig sei sie geboren, in Stuttgart habe sie lange gelebt. „Wissen Sie“, sagt meine neue Bekanntschaft, „ich habe lange auf diese Reise gespart“.

Wie lange – das musste ich erst einmal verdauen.

Ein Jahr lang habe sie jeden Tag einen Euro ins Sparschwein geworfen. Dann noch von ihrer kleinen Rente was draufgelegt – und fertig war der Mallorca-Urlaub. Euro für Euro, Tag für Tag. Traum für Traum.

Und jetzt lächelt sie.

Sie komme schon seit mehr als 46 Jahren auf die Insel, sagt sie. Früher mit ihrem Mann. Als der dann starb, führte sie die Tradition im Alleingang fort. Ja, im Alleingang. Gerade kommt sie von einer Wanderung zurück. Alleine.

Sie wohnt in einem Hotel, direkt am Strand von Paguera. Es ist einer dieser Kästen, die an jene Zeit erinnern, als Mallorca noch für Neckermänner war. Damals, als sie noch mit ihrem Mann auf die Insel kam. Sixties, vielleicht seventies.

Die Zimmer seien sauber und jeder Balkon habe Sonne. Die Mahlzeiten, naja, man werde satt. „Das ist doch die Hauptsache“, sagt sie. Und lächelt.

Ein Nachmittag mit Frau und Freund am Strand von Paguera. Gutes Essen im „La Vida“, freundlicher Service, prima Gespräche. „Ins La Vida“, sagt der Kumpel zur freundlichen Frau, „sollten Sie auch mal zum Mittagessen“. Für drei Gänge zahle man dort weniger als 10 Euro.

Das sei ihr zu viel, sagt die Frau. Ihre Rente lasse keine Sperenzchen zu. Und das Sparschwein, naja, das müsse eben für den Flug herhalten.

Genau in dem Moment, als wir die Frau zum Eis einladen wollen, ist sie weg. Verschwindet einfach so, immer am Strand entlang. So wie sie gekommen war.

Das letzte, das wir von ihr sehen, ist ihr Lächeln.