Kurz vor Kanada: Memory-Tour

traumbanner

Kurz vor Ende unseres siebten Winters auf Mallorca sind wir zu Wiederholungstätern geworden. So schön war die Wanderung von Deià nach Sollér im Februar gewesen, dass wir uns heute, drei Tage vor dem Rückflug nach Kanada, noch einmal auf den Weg machten.

Kleiner Unterschied: Endstation war diesmal nicht der Ort Sollér im Nordwesten der Insel, sondern das vorgelagerte Hafenstädtchen Port de Sollér.

Ob mit oder ohne Hafen – die Wanderung war auch diesmal wieder ein Traum. Und trotz der Wiederholung alles andere als langweilig. Im Gegenteil: Die Vegetatiion hat sich seit dem Winter dermaßen verändert, dass man zeitweise glauben konnte, eine völlig neue Tour eingeschlagen zu haben.

Wo sich im Winter die Olivenbäume noch auf sattem Grün betteten, mussten sie inzwischen mit einem braunen, vertrockneten Teppich vorlieb nehmen. Dafür servierte die Natur heute einen Obstteller wie im Feinkostladen.

Die Feigen und Aprikosen konnten während des mallorquinischen Winters vortrefflich reifen. Auch die Kirschen sind fast soweit. Johannisbrot- und Pfefferbäume brauchen auch nicht mehr lange. Orangen und Zitronen scheinen auf Mallorca ohnehin immer darauf zu warten, gepflückt zu werden.

Der größte Unterschied zwischen der Winter- und der Sommerwanderung war nicht an der Natur festzumachen sondern auf den Wegen. Während wir noch im Februar stundenlang durchs Gebirge streifen konnten, ohne einen Menschen zu treffen, waren heute Dutzende von anderen Wanderern unterwegs.

Einen Rückblick auf die Februar-Wanderung von Deià nach Sollér gibt’s  >>> hier <<<

Auf dem Postweg ans Meer

bildbannerFit müssen sie gewesen sein, die Kerle, die vor vielen Jahren den Camí des Correu von Esporles über die Berge nach Banyalbufar zurückgelegt haben, um den Bewohnern der Fincas die Post zu bringen.

Um über die steinigen Trassen ans türkisfarbene Meer zu kommen, muss zuerst die bewaldete Passhöhe Coll des Píans überquert werden. Wir benötigten heute bei sommerlichen Temperaturen knapp fünf Stunden für diese atemberaubend schöne Strecke.

Der Postillion von damals dürfte den Weg in der Hälfte der Zeit geschafft haben. Schließlich hatte er einen Esel, der ihm die Trägerlast abnahm. Außerdem musste er nicht ständig die Kamera zücken.

Über sanfte Olivenhaine geht es zunächst an Sa Granja vorbei, einem Landgut aus dem 13. Jahrhundert. Durch Kiefer- und Steineichenwälder führt der felsige Pfad weiter in Richtung Banyalbufar.

Hier wird’s dann richtig romantisch: Das Dorf, das die Mauren vor gut 1000 Jahren auf 2000 Terrassen errichtet haben sollen, erinnert auf erfrischende Art daran, dass Mallorca irgendwann einen anderen Zweck hatte als nur Touristen anzulocken. Es gibt dort ein „richtiges“ Leben, verbunden mit viel Arbeit.

Hier wurde – und wird noch immer – Landwirtschaft betrieben. Orangen, Zitronen, allerlei Gemüsesorten und vor allem Wein werden hier angebaut. Das Wasser kommt aus riesigen Zisternen, ein raffiniert ausgeklügeltes Kanalsystem erfüllt noch heute seinen Zweck.

Bei der Ankunft in Banyalbufar hat der inzwischen müde Wanderer zwei Möglichkeiten: Er steigt nach einer Mahlzeit in einer der Landgaststätten in den bequemen Überlandbus und fährt über atemberaubende Serpentinen nach Palma oder sonst wo hin zurück. Oder aber er gibt sich das volle Sinnespaket und wandert noch eine halbe Stunde weiter, tief hinunter in die Bucht von Banyalbufar.

Dort wartet ein schnörkelloser, unverbauter kleiner Hafen auf den Besucher. Um diese Jahreszeit tummeln sich da allenfalls zwei, drei Sonnenanbeterinnen. Ansonsten gehört das türkisfarbene Wasser dir. Durchaus sehenswert, wie Bootsbesitzer ihre kleinen Kähne in eine Art Terrassenkonstruktion gesteckt haben, um sie dort überwintern zu lassen.

Auf Mallorca bedient jede Wanderung unterschiedliche Sinne. Mal sind es die Gerüche, die betören, mal ist es die spektakuläre Sicht auf Berge, Buchten und Täler. All dies trifft auf den alten Postweg zu. Und noch mehr: Hier gibt’s dazuhin noch etwas auf die Ohren. Vogelstimmen, die sich in ihrer einzigartigen Harmonie gegenseitig zu toppen versuchen, lassen dir manchmal keine andere Wahl als sprachlos inne zu halten.

Ein schöner Gedanke: Vielleicht hat sich ja der Postbote vom Camí des Correu damals auch schon vom Gesang der Amsel einlullen lassen, während er sich an einer frisch gepflückten Orange labte, eher er sich in der kleinen Bucht von Banyalbufar noch ein kurzes Erfrischungsbad gönnte.

Heute treiben wir es auf die Spitze

Viele Wege führen nach Montréal. Einer der schönsten kommt von oben. Vom Gipfel des Mont Royal aus führen zivilisierte Spazierwege in die Stadt zurück. Wer das kleine Abenteuer liebt, kann auch abseits der bekannten Pfade in Richtung Innenstadt zurück wandern, durchs Gestrüpp oder über felsiges Gelände. Diese Variante haben wir diese Woche gewählt.

Pioniere waren wir leider nicht. Jacques Cartier war schon vor uns da. Der französische Entdecker Kanadas wagte die Wanderung über den Hausberg von Montréal bereits im Jahr 1535. Besonders hoch ist der Mont Royal übrigens nicht, gerade mal 201 Meter. Trotzdem lohnt es sich, über diesen erloschenen Vulkan zu spazieren.

Kleiner Touri-Tipp: Der Gipfel ist leicht mit dem Auto zu erreichen. Oder per Bus. Parkplätze gibt es jede Menge. Von der Stadt aus fährt der Bus wieder zurück zum Ausgangspunkt. Der Elfer fährt allerdings nur von der Rue Mont Royal aus ab, und auch das nur spärlich. Aber die Warterei ist nicht schlimm. Die „Mount Royal Street“ gehört zu den trendigsten in Montréal.

Der Berg ist Teil des Parc du Mont-Royal, der Grünen Lunge der Stadt. Angelegt worden ist er 1876 nach den Plänen von Frederick Law Olmsted. Klingt bekannt? Stimmt: Von Olmsted stammen auch die Pläne für den Central Park in New York.

Eines der Highlights der kleinen Wanderung über den Mont Royal kommt gleich zu Beginn: Die Aussichtsplattform mit einem prächtigen Pavillon. Von dort aus ist fast die gesamte Innenstadt zu sehen. Ein paar hundert Meter weiter links dann der zweite Höhepunkt: Ein 31.4 Meter hohes Kreuz, das sich von so ziemlich jedem Punkt des östlichen Montréals aus aufbäumt. Das stählerne Kreuz wurde vor 87 Jahren gebaut und ist nachts weiß beleuchtet. Meistens.

Alle paar Jahre, es können auch Jahrzehnte werden, kommt es vor, dass die Farben wechseln. Stirbt nämlich ein Papst, wird sofort auf Violett geschaltet. Aber nur so lange noch kein Nachfolger gewählt ist. Raucht’s im Vatikan und der neue Pontifex steht fest, wird auch in Montréal der Schalter wieder auf Weiß umgelegt. Bei der letzten Papstwahl gab’s allerdings eine kleine Panne. So viele der violetten Glühbirnen waren ausgebrannt, dass es mehrere Tage und Nächte dauerte, bis sie endlich ausgewechselt waren.                                                         dDaniel CDaniel Choinièrehoinière