Ein Kapitel Kanada-Geschichte

Im deutschen Blätterwald läuten die Sterbeglocken. Die Frankfurter Rundschau (FR) wird voraussichtlich eingestellt, die Financial Times Deutschland (FTD) ebenso. Viele der Regionalzeitungen nagen am Hungertuch, einigen der ganz Großen im Mediendickicht geht es nicht anders. Besonders das Schicksal der FR finde ich traurig. Mit dieser einst großartigen Tageszeitung verbindet mich ein Stück Kanada-Geschichte.

Es war im Herbst 1980, als ich zu meinem zweiten Kanada-Abenteuer aufgebrochen bin. Kanada, 1. Teil, dauerte von 1973 bis 1976. Danach folgten vier Jahre Deutschland. Im Spätjahr 1980 packte mich die Abenteuerlust aufs Neue. Und wieder einmal war Kanada das Ziel meiner Träume. Als freier Korrespondent für Printmedien wollte ich arbeiten, das hatte ich mir fest vorgenommen. Und weil die Frankfurter Rundschau in mein politisches Strickmuster passte – links, liberal, locker und dabei tiefgründig – war es mir wichtig, speziell für dieses angesehene Blatt zu arbeiten.

Während sich einige andere Blätter zierten, sich einen Kanada-Korrespondenten zu leisten, hatte ein Mann schon früh ein Gespür für das journalistische Potenzial dieses Landes, das in vielen Redaktionen noch immer als „Kann-Land“ galt. Motto: Erst wenn Moskau, Wasington und Paris abgedeckt sind, könnte man ja eigentlich zur Abwechslung auch mal aus Kanada berichten.

„Alles, was in Kanada so passiert“

Der Antrittsbesuch beim Chefredakteur in Frankfurt, einem Mann namens Werner Holzer, verlief äußerst angenehm. Was ich denn so anzubieten hätte, meinte der Journalist, der schon damals zu den Legenden unter deutschen Redaktionsleitern zählte. „Alles, was in Kanada so passiert“. Und genau so war es dann auch. Ich berichtete über Fallensteller und Tierschützer, über Abenteuer und Freiheit. Und natürlich auch über die Sexkapaden der damaligen Gattin des kanadischen Premierministers Pierre Elliott Trudeau.

Die FR war nicht die einzige Tageszeitung, für die ich in die Tasten griff. Im Laufe der Zeit wuchs die Zahl der Abnehmer meiner Kanada-Geschichten auf ein gutes Dutzend an. Der Traum des Korrespondenten wurde wahr: Ich suchte die Themen aus, meine Kunden griffen zu – oder auch nicht. So ging das drei, vier Jahre lang. Dann holte mich die Realität ein. Die hatte, wie so oft im Leben, mit Geld zu tun.

Wunde Finger, leeres Konto: Tschüss, Printmedien!

Während ich mir beim Tippen von Hunderten von Reportagen aus allen Ecken Kanadas die Finger wund hämmerte, tat sich auf meinem Bankkonto wenig. Die Zeilenhonorare, die Tageszeitungen damals zahlten, reichten kaum, um die Reisekosten abzudecken. Denn Spesen gab es zu jener Zeit für freie Kollegen nur selten. Mitte der 80er-Jahre wurde es dann Zeit, sich vom Traum des Print-Korrespondenten zu verabschieden. Ich fing an, fürs Radio und Fernsehen zu arbeiten, seit 2001 auch fürs Internet.

Ein Glück, dass die Frankfurter Rundschau auch nach meinem Abschied von den Printmedien viele Jahre lang in besten Korrespondenten-Händen war. Von Ottawa aus berichtete jetzt der Kollege Gerd Braune in wunderbaren Artikeln und Fotoreportagen über das tollste Land, das sich ein Journalist aussuchen kann. Dass es demnächst keine Frankfurter Rundschau mehr geben wird, in der Kanada schon immer einen breiten Raum eingenommen hat, ist einfach nur traurig.

Und immer wieder lockt das Internet

Einen der Gründe für den Tod der FR und anderer Printmedien haben Sie in diesem Moment, da Sie diesen Blogpost lesen, unmittelbar vor Augen. Es ist unter anderem das Internet, das zum Zeitungssterben beigetragen hat. Die Zahl der Abonnenten schwindet, die Anzeigenpreise im Printbereich können mit den Online-Tarifen nicht mehr Schritt alten. Die Printmedien kämpfen ums Überleben. Manche haben den Kampf verloren.

Tschüss, alte Rundschau. Schön, dass es dich gab.