Ein bisschen Montréal in Palma

montpalmaJe länger ich auf Mallorca bin, desto mehr komme ich zu der Erkenntnis: Es gibt trotz der unterschiedlichen Klimazonen viele Ähnlichkeiten zwischen Montréal, wo ich lebe, und der wunderbaren Insel, auf der ich überwintere.

Dabei geht es nicht etwa um den Sprachenstreit Katalanisch/Spanisch – Englisch/Französisch. In den möchte ich mich als Gast in diesem Land ohnehin nicht einmischen. Nur so viel: Wenn sich Menschen wegen eines fehlenden Accents auf einem Buchstaben bekriegen, setzt mein Geschichtsbewusstsein aus. Es nervt.

Liebenswürdig mit sprödem Charme

Bei den Parallelen zwischen Québec und Mallorca geht es um viel schönere Dinge. Es geht um Menschen. Fangen wir mit einer subjektiven Beobachtung an: Hüben und drüben ist den Menschen eine manchmal etwas spröde Liebenswürdigkeit inne, die auf den ersten Blick schwer zu deuten ist, die ich als Ausländer aber sehr zu schätzen weiss. Sie hat etwas mit leben und leben lassen zu tun.

Es ist nicht diese „Howdy-nice-to-see-you“-High-Five-Attitüde vieler Amerikaner. Es ist vielmehr eine geerdete Freundlichkeit, die mir weitgehend authentisch erscheint. Mallorquiner und Québecer sind mit einem Temperament ausgestattet, das ihnen, je nach Laune und Anlass, schon mal nach unten oder oben entgleitet. Dabei versprühen sie einen speziellen Charme, den man an guten Tagen mit süß, an schlechten mit rau umschreiben könnte. Menschen aus dem richtigen Leben.

Sympathische Schlitzohren

Anderes Thema: Schlitzohrigkeit. Die ist in Mallorca nicht weniger verbreitet als in Québec. Man lässt schon mal eine Fünf grade sein, wenn es um den eigenen Vorteil geht. Wie im Supermarkt, wo die freundliche Verkäuferin noch ein paar Croissants „zum Sonderpreis“ anbietet. Erst bei genauem Hinsehen stellt der Kunde fest: Das Backwerk hat seine Zukunft längst hinter sich. Nicht weiter schlimm, aber eben auch nicht ganz in Ordnung.

Laissez-faire … und viele Beamte

Und dann dieses laissez-faire, das ich an meinen Québecer Freunden so liebe. Das finde ich auch hier auf Mallorca. Dass Mitte Februar die städtische Weihnachtsbeleuchtung noch immer hängt, ist nicht Palma-spezifisch. Das könnte in Montréal genau so passieren. Man lässt sich viel Zeit. Dabei scheint es an städtischen Arbeitern und Administratoren nicht zu mangeln. Im Gegenteil. Behörden mit den dazugehörigen Prachtbauten gibt es in Palma – und Montréal – fast so viele wie Kirchen. Über die hat Mark Twain einmal gelästert: Man könne in Montréal keinen Stein werfen, ohne zu riskieren, ein Kirchenfenster zu zertrümmern. Passt, Palma!

Es liegt also nicht nur am Klima und an der fantastischen Landschaft, dass ich als Fast-Montréaler immer wieder gerne nach Mallorca komme. Es liegt auch an den Menschen. Die sind mir nicht fremd. Ich mag sie und traue ihnen über den Weg.

Auch wenn eine alte Kräuterhexe am Passeig Marítim einmal versucht hat, Lore zu bestehlen. Aber das war vor einem Jahr. Fast schon vergessen. High Five!

Ein Gedanke zu „Ein bisschen Montréal in Palma

  1. Bei all der Natur und den Schönheiten sind für mich auch immer die Menschen in anderen Ländern interessant. So wie wir es erleben sind die Australier ein recht freundliches Volk. Viele haben etwas Zeit für ein paar Worte oder man bekommt zumindest einen Augenkontakt.
    In vielen deutschen Städten habe ich das Gefühl, dass dies inzwischen verboten ist. Besonders in der Straßenbahn versucht jeder irgendwo hinzusehen, aber möglichst nicht in die Augen eines Mitreisenden.

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