Palma: Lauter laute Spanier

laermbanner

Spanien, habe ich neulich gelesen, sei nach Japan das zweitlauteste Land der Welt. Das glaube ich aufs Wort. Wer das Glück hat, vier Monate im Jahr in der Innenstadt von Palma leben zu dürfen und das Pech, extrem lärmempfindlich zu sein, muss sich irgendwann entscheiden.

Wiegen die Cafés, Kneipen und Bars in unmittelbarer Nachbarschaft das Quietschen der Autoreifen und mitternächtliche Dauerhupen auf? Für das Urteil hat sich das Gericht erst mal zur Beratung zurückgezogen.

Gegen vier kommt die Müllabfuhr mit den Blechinstrumenten, dann die Reinigungstruppe mit ihrem Blasorchester. Den Oboenklang liefert das auslaufende Kreuzfahrtschiff im nahegelegenen Hafen. Die Konzertbesetzung ist komplett und es ist erst mal Schluss.

Dann kommt der Bus.

Der erste von ihnen, der Fünfzehner, startet Punkt sechs Uhr mit Getöse in den Tag. Kurze Zeit später nimmt der 25er die Fahrt an den Strand auf. Und jedes Mal quietscht die Harmonika-Mechanik der Stadtbusse, als sei das Konzert noch lange nicht zu Ende.

Wenn dann um sieben Uhr die ersten Bistrostühle aufgestellt werden und kurz danach die Kunden dem Kellner ihre Bestellungen hinterher rufen, ist der Tag nicht mehr aufzuhalten.

Autoreifen quietschen und Motorräder mit viel PS, aber ohne Schalldämpfer drehen Ehrenrunden um den Brunnen. Das hat den Vorteil, dass die Bierkutscher kaum hörbar ihre Fässer in die Bars rollen können. Nur für den eingestürzten Turm an Leergut neulich war auf die Schnelle kein Schalldämpfer aufzutreiben. Wozu einen Wecker stellen, wenn der glücklose Cola-Lieferant das doch viel besser kann?

Zehn Uhr: Der Brunnen an der Plaza de la Reina, einer der schönsten, den ich kenne, darf von jetzt an meterhohe Fontänen speien. Die mögen zwar von der offenen Plattform des Touristenbusses aus himmlisch aussehen, für Anlieger ist der Lärm, der beim Aufprall der Wassermengen 14 Stunden lang in das Brunnenbecken entsteht, sagen wir mal: eher höllisch.

Einnal pro Woche gibt es unweit von unserem Fenster dann tatsächlich richtig schöne Musik. Das Stadtorchester von Palma lädt zum Kurkonzert ein. Leider müssen schon Stunden zuvor Podeste gebaut, Teppiche gelegt, Dirigentenpult positioniert, Notenständer aufgeklappt und Stühle gerückt werden. Das Stimmen der Instrumente schafft es leidergottseidank nicht ganz, der Musik das Kakophonische zu nehmen.

Schon die Vorbereitungen verursachen einen Höllenlärm. Unter anderem, weill so ein Konzert nie ohne Aufgebot von Krankenwagen und Motorradpolizisten abgeht. Man weiss ja nie: die Ohnmacht! Ob wegen Hitze oder Lärm lassen wir einfach mal dahingestellt.

Das Leben ist schön in Palma. Auch wenn Brunnengetöse, Hundegebell, Baulärm, Rollladenschieben (vor und nach der Siesta), Pferdekutschengetrampel und Quietschreifen täglich aufs Neue das Trommelfell traktieren.

Nicht falsch verstehen: Keine Klagen! Jeder ist schließlich seines Glückes Schmied. Und außerdem wird es ja auch in Palma irgendwann mal Abend.

Abends …

… geht es auf der Plaza de la Reina erst richtig los. Dann wird viel gefeiert, musiziert, demonstriert, ins Megaphon gebrüllt. Touristen schleppen sich von ihren Kneipentouren in ihre Hotelzimmer zurück, verabschieden sich zuvor noch auf deutsch, spanisch, englisch und manchmal auch auf polnischrückwärts, aber immer lautstark.

Irgendwann ist dann Feierabend.

Die Kneipengänger haben sich schlafen gelegt, die Bistrostühle sind lautstark abgeräumt worden und selbst für Demonstrationen wird es zu spät. Die kurz vorher noch bellenden Hunde träumen vom Knochenfrühstück und auch Roller und Mopeds haben sich schlafen gelehnt.

Nur der Dezibelzeiger schläft nie.

Das ist dann die Zeit, in der genau elf weiße Autos an den zu Taxiständen umfunktionierten Bushaltestellen vor unserem Fenster auf Kundschaft warten. Und weil die oft lange auf sich warten lässt und Real Madrid zufällig gerade mal Bayern München geschlagen hat, wird diskutiert, gehupt und palavert. Zwischendurch knallen Autotüren. Die Stadt lebt.

Schließlich ist es ja gerade erst Mitternacht.

4 Gedanken zu „Palma: Lauter laute Spanier

  1. Ja, das ist typisch Palma, besonders treffend ist: “Die Müllabfuhr kommt um 4 Uhr”. :-) Es ist definitiv eine, laute, sehr lebendige “Ecke” auf der Insel, aber das gehört einfach dazu und ich möchte es nicht mehr missen, wenn ich dort mal wieder einkehre und eine schöne Wanderreise langsam, aber laut ;-) ausklingen lasse.

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  2. Gibt’s nur zwei Möglichkeiten: Ohrstopfen in der Apotheke oder Drogerie kaufen und auf den See in Kanada freuen. Da sind dann die Vögel in der Stille des Sees so laut wie auf Malle die Autos, aber eindeutig das schönere Geräusch.
    Klingt sehr wie ironischer Schwanensang. Habt einen guten Flug und viel Freude in Eurer ersten(?) Heimat!

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  3. Kann ich nachvollziehen. Ich wohne zwar eigentlich in einer eher ruhigen Ecke von Palma, dafür streiten sich aber die Nachbarn nebenan gerne mal mitten in der Nacht, um sich dann wenig später wieder, nun, geräuschvoll zu versöhnen… ;)

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