Eine Freundin aus dem Allgäu hat ein neues Verb kreiert. Es heißt „boschen“ und beschreibt kurz und knapp eine meiner liebsten Freizeitbeschäftigungen in Palma: Den Besuch in der „Bar Bosch“. „Wart Ihr heute schon boschen?“, fragte sie neulich in einer Mail. Ja, waren wir!
Die „Bar Bosch“ besteht aus einem Gastraum, den ich aber wegen der stets angenehmen Temperaturen auf Mallorca tunlichst meide, und einer großen Terrasse, die auf die Straße hinaus führt, direkt in das Gewimmel der Altstadt von Palma.
„Der Bosch“ liegt am oberen Ende des Paseo Borne, dort wo die Altstadt schwungvoll einen Bogen macht. „Beim Bosch“ trifft man sich mit Menschen, denen man sonst umständlich erklären müsste, wo man sich trifft. Jeder kennt den Bosch. Nur der Bosch kennt keinen. Dabei gibt es ihn schon seit 1936, als wir noch Sternchen putzen waren.
Beim Bosch ist alles anders als in anderen Bars. Das fängt beim Namen an. „Bosch“ endet phonetisch nicht etwa mit einem Zischlaut sondern mit einem „k“. Für die Mallorquiner ist es die „Bar Bosk“. Wo kämen wir den da hin, wenn jeder boschen würde.
Das Personal hält Distanz zum Gast. Schulterklopfen oder small talk würden eine Nähe zwischen Kunden und Kellner suggerieren, die es so nicht gibt. Statt des Namens des Servierers, wie es in anderen Bars nicht unüblich ist, steht auf der Rechnung nur seine Nummer.
Der camarero mit der „13“ ist der mit dem flotten Backenbart. Der „007“-er hält seinen Kopf stets in Schieflage. Der Mann mit der Nummer 9 hat sich irgendwann vorgenommen, sein Leben in einem Land ohne Lächeln zu bestreiten. Das tut die Vierzehn für ihn. Die lächelt fast Immer, aber ohne ersichtliche Heiterkeit. Die Vierzehn ist übrigens auch ein „er“. Weibliche Serviererinnen gibt es beim Bosch nicht.
Die Kellner in ihren schwarzen, beinlangen Schürzen, den ärmellosen Westen und den farblich passenden Krawatten über dem stets blütenweißen Hemd, das auch bei großer Hitze niemals von kurzen Ärmeln verschandelt wird, servieren dem Gast nicht etwa Speisen und Getränke. Sie zelebrieren sie vor seinen Augen.
Sie tun das mit einer geradezu majestätischen Anmutung. So, als sei es nicht der Zeitungsverkäufer vom Kiosk nebenan, der sich Brot mit Oliven bringen lässt, sondern der König von Spanien.
So sehr habe ich die Technik des Speisen-und-Getränke-Zelebrierens verinnerlicht, dass die typische Boschbewegung bei uns zu Hause zum geflügelten Gag geworden ist. Wenn Gäste kommen, serviere ich den Montrealer Freunden Kaffee, Schnittchen oder Kuchen schon mal mit der Grazie des Bosch-Kellners. Und scheitere meistens kläglich.
Zum Servieren gehört beim echten Bosch-Camarero stets die dynamische Schwingung des zu servierenden Tellers (Tasse, Glas, Besteck) aus dem Handgelenk heraus. Erst dann findet die feierliche, blitzschnelle Berührung mit der Steinplatte des Bistrotisches statt. Quasi ein letztes elegantes Aufbegehren des Getränkes, ehe es vom Besteller einverleibt wird – für relativ kleines Geld, übrigens. Der Vino tinto kostet 1.80 Euro das Glas.
Da geht man doch gerne boschen.