
Bekanntschaften im Flugzeug sind eine heikle Sache. Besonders auf Fernflügen. Sprichst du den Passagier neben dir an, gibt es kein Zurück mehr. Unter Umständen sitzt dir dein Nebenmann acht Stunden auf der Pelle und du möchtest nur noch Hilfe schreien. Diesmal hatte ich Glück. Aber es gab auch schon andere Begegnungen.
Ein Paar aus dem Schwäbischen saß neben mir auf dem Rückflug von Frankfurt nach Montréal. Und noch ein Paar an der anderen Fensterfront. Geschwister mit ihren jeweiligen Partnern. Gut, dass ich sie angesprochen hatte. Es war die netteste Begegnung seit langem.
Man plappert schon mal gerne, wenn der Tag lang ist und der Flug langweilig. Manchmal erkennt man nach den ersten drei Sätzen, dass man sich vertan hat. Das Gegenüber ist ein aufgeblasener Pinkel. Oder ein Vielschwätzer. Oder beides. Mit so einem Mitflieger hatte ich es neulich auch mal zu tun.

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Als ich irgendwann eingenickt war und mich wohl versehentlich zwei Millimeter zu weit auf seine Seite gebeugt hatte, wurde er schroff: „Ich möchte Sie bitten“, sagte mein Nebensitzer allen Ernstes, „nicht mehr meinen Körper zu berühren“. Ganz genau so hat er es gesagt. Nur auf Englisch. Natürlich machte ich von jetzt an alle Anstrengungen der Welt, den Körper dieses Mannes nicht mehr zu berühren. Wobei ich ohnehin nicht der Typ bin, der gerne Männerkörper berührt. In einer Konservendose auf Körperberührungen achten zu müssen, kann anstrengend sein.
Dann war da noch der Mann, der beinahe ausgerastet ist, weil die Bordansage des Air Canada-Flugs nur auf Englisch und nicht in beiden kanadischen Landessprachen erfolgte, also auch auf Französisch. Dummerweise ließ ich mich mit ihm auf eine Diskussion über das Thema Separatismus in der frankokanadischen Provinz Québec ein. Eine der Todsünden, die man in diesem Teil Kanadas auf alle Fälle vermeiden sollte.
Der Wortwechsel drohte zu eskalieren. Irgendwann bat der Passagier die Stewardess, ob sie ihm bitte einen anderen Sitz im Flieger zuweisen konnte. Das konnte sie aber nicht, weil die Maschine ausgebucht war. Dem Biorhythmus zwischen meinem Nebensitzer und mir schadete allein schon dessen Drohung, von meiner Seite weichen zu wollen. Bis zur Ankunft in Montréal herrschte Eisesstille zwischen uns.
Und jetzt also zwei Pärchen aus dem Schwäbischen. Geschäftsleute. Klug, bodenständig, liebenswert. Viel zu erzählen. Interessiert und interessant. Ein Volltreffer in Sachen Passagier-Besetzung. So harmonisch verlief unser Flugtalk, dass wir uns gestern alle zusammen in Montréal beim Italiener trafen. Und über Fluggäste aller Art sprachen. Auch meine Nebensitzer aus Rottweil hatten da schon ihre Erfahrungen gemacht. Solche und solche. So saß neben einem meiner neuen Freunde ein jüdischer Herr im Flugzeug, der stundenlang „schockelte“. Dieses Vor- und Zurückwippen während des Gebets machte ihn total nervös. Dass dieses Schaukeln zum Ritual orthodoxer Juden gehört, erklärt zwar den Bewegungsablauf,. Aber das macht es auch nicht einfacher, bei so viel Unruhe die Contenance zu bewahren.
Bei dem gemeinsamen Flug mit den Schwaben neulich wurde weder geschockelt, noch politisiert. Nur erzählt und zugehört. Es war die beste Begegnung im Flieger seit langem. Darauf stießen wir jetzt an.
Prost, Rolf und Swetlana! Zum Wohl, Achim und Erika! Mit solchen Nebensitzern würde ich glatt um die Welt fliegen.
Es gibt immer noch Freunde, die überraschen mich. Andreas ist einer von ihnen. Wir kennen uns noch aus SWF3-Zeiten. Er: Der begnadete Moderator mit der Bärenstimme. Ich: Der Bären-Korrespondent aus einem begnadeten Land. Vom Mikrofon hat sich Andreas längst verabschiedet. Heute macht er Straßenbahn-Filme. Wir treffen uns in einem Wirtshaus in Köln.


Wenn unser Freundeskreis zusammentrifft, wird das Wohnzimmer zur UNO-Vollversammlung. Und die Küche zum internationalen 5-Sterne-Restaurant. Dolmetscher? Nicht nötig. Irgendwie verstehen sich alle. Außer Deutsch, Englisch und Französisch gibt es ja noch die Sprache, die durch den Magen geht.
Ute stammt aus Mainz. Den Truthahn bereitet sie typisch kanadisch zu. Mit einer Cranberry Sauce die hier bei keinem Turkey-Dinner fehlen darf. Diana bringt Süßigkeiten aus dem Libanon. Wenn sie von Beirut erzählt, schwingt auch heute noch ein Hauch von Wehmut mit. Linda aus Newcastle bringt die schräge Liebenswürdigkeit der Briten mit an den Tisch. Ihr Mann Claude den herben Charme des Québecker Bonvivant. Dann wäre da noch Sue aus Santa Barbara. Als kalifornisches Beach Girl verbringt sie manchmal viele Wochen am Stück bei den Inuit in der kanadischen Arktis. Liegt ja auch nahe, dass man sich zu den Eskimos hingezogen fühlt, wenn man am Pazfikstrand aufgewachsen ist.
