Sinnesorgie mit Meerblick

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Die Wanderung von Port d’Andratx nach St. Elm beginnt so unspektakulär, dass man versucht ist, am liebsten gleich wieder umzudrehen. Über Schotterstraßen schleppt man sich vorbei an diesen Protzvillen, ohne die auf Mallorca wohl nichts mehr geht.

Doch wer bis zum Gipfelplateau durchhält, wird mit einer spektakulär schönen Landschaft belohnt, die selbst auf dieser schönsten aller schönen Inseln ihresgleichen sucht.

Es lohnt sich also, dabei zu bleiben und den gnadenlos zugepflasterten Küstenort Port d’Andratx so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Irgendwann wird die Straße zum Weg, der Weg zum Pfad und der Pfad zum Abenteuer. Jetzt kann der eigentliche Spass beginnen.

Irrwege müssen einkalkuliert werden. Eine offizielle Auszeichnung als Wanderweg gibt es nicht. Lediglich liebevoll gebaute Steinmännchen erinnern daran, wohin die Reise eigentlich gehen soll.

Spätestens dann, wenn traumhaft schöne Stechginster-Felder den Blick aufs Meer freigeben und damit auf die 4.2 Kilometer breite Dracheninsel „Sa Dragonera“, setzt eine Orgie der Sinne ein, die erst beim Abstieg in den Küstendorf St. Elm wieder langsam abflacht.

Und wieder lügt der Wanderführer wie gedruckt! Zweieinhalb Stunden sollte der Zauber durch das Tramuntana-Gebirge dauern. Genau fünf Stunden haben wir dafür gebraucht.

Allerdings ließen wir ganz oft den lieben Gott einen guten Mann sein. Was wäre eine Wanderung schließlich ohne Verschnauf- und Vesperpausen? Die Mountainbiker und Bergmarathonis, die uns begegnet sind, mögen da freilich anderer Meinung sein.

Und überhaupt: Irgendjemand muss ja auch auf den Auslöser drücken, wenn’s hinterher einen Fotoblog geben soll.

Von Puigpunyent nach Calvià

banner2Wer es schafft, Puigpunyent [putʃpuˈɲɛnt] richtig auszusprechen, wird auch keine Mühe haben, die Wanderung von diesem bildhübschen Zungenbrecher aus ins knapp zehn Kilometer entfernte Calvià zu stemmen.

Wie im richtigen Leben geht es auch hier mal bergauf, dann wieder bergab. Und wenn der Wanderführer noch so oft behauptet, in zweieinhalb Stunden sei alles geritzt, sollte man sich gute vier Stunden gönnen, um diese herrliche Strecke hinter sich zu bringen.

Fast parallel zu dem idyllischen Bergdorf Galilea geht es an Olivenhainen, Zypressenalleen und erdigen Gehöften vorbei, für die der Begriff der neudeutsch-mallorquinischen Fincafast zu schade ist. Schickimicki läuft hier nicht.

Bis man den Villenvorort von Calvià erreicht.

Sollen die Protzbauten beeindrucken wen sie wollen – bei mir schaffen sie es nicht. Da kann der Elefant, der die Einfahrt bewacht, aus noch so schönem Marmor sein. Vielleicht ist er auch aus Gips. Bei Geschmacksverirrung spielt das Material keine Rolle.

Am schnuckeligsten ist Calvià dort, wo das richtige Leben spielt: im Ort selbst. Mit Cafés, in denen richtige Menschen sitzen und Tavernen, die ein Menü zum Schnäppchenpreis servieren, inklusive dem besten Rosé, den mir meine Lieblingsinsel bisher kredenzt hat.

In diesem Bilderbuchflecken wird ein Leben auf Mallorca plötzlich vorstellbar. Hier gibt es zwar kein Meer, aber Menschen, die anderen Menschen ein bon dia zurufen, das so einladend und freundlich klingt, dass man am liebsten seinen Rucksack für immer hier parken und von jetzt an nur noch Sonnenuntergängen im nicht allzu fernen Paguera zugucken möchte.

Zugegeben: Zur guten Stimmung während der Wanderung von Puigpunyent nach Calvià hat auch das Wetter beigetragen. Es war der schönste Tag seit unserer Ankunft vor zwei Monaten. Mit lauen Frühsommerwinden, die es schafften, das Thermometer zeitweilig auf 24 Grad hochzublasen.

Danke für die Begriffsdefinition einer Userin aus dem Mallorca Forum:Der Begriff „Finca“ hat nichts „Neumodisches“. Eine Finca ist sowohl ein Mehrfamilienhaus in der Stadt, als auch ein Stück Land, welches eigentlich als finca rústica bezeichnet wird. Darauf können oder können auch nicht Häuser, bzw. Gehöfte stehen, oder Jagdhütten, oder Refugien, oder….. schicke Domizile. Die Unterteilungen nennen sich dann „Finca agrícola“ bei Gemüse, Zitronen, Orangenanbau, etc…, „Finca ganadera“ bei Weideflächen, „Finca forestal“ wenn es sich um die Produktion und Kommerzialisierung von Holz handelt, oder „Finca cingética“ auf denen werden Groß – und/oder Kleinwild gejagt.“

Schlossherr für einen Abend

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Katholische Kirche Ummendorf. © Bopp

Wenn sich ein Saal bis zum letzten Patz mit Menschen füllt, die alle gekommen sind, weil sie sich für dein kleines Leben interessieren, dann kann das auch für einen gestandenen Radiomann zur Herausforderung werden. Alles ging gut. Der Abend im Ummendorfer Schloss gehört zu den ganz persönlichen Highlights meiner Aufenthalte in der „alten Heimat“.

Alle waren sie da: Schulfreunde aus den 50er- und 60er-Jahren. Familienangehörige und Verwandte, ehemalige Nachbarn und Wegbegleiter. Und auch die Vertreter der Gemeindeverwaltung und des Bürgervereins, der den Abend organisiert hatte – allen voran ein rühriger Mann namens Hansi Lutz. Ihm gebührt Dank, dass er das alles so hingekriegt hat.

Schulfreunde aus Ummendorfer Zeiten: Alfred Clauss, Irmgard Ströbele, Arthur Hepp

Schulfreunde aus Ummendorfer Zeiten: Alfred Clauss, Irmgard Ströbele, Arthur Hepp (v.l.n.r.)

Und natürlich hat die umtriebige Schulfreundin Irmgard Ströbele wieder alle Register gezogen, damit sich der Gast aus Canada de Mallorca nicht nur an diesem einen Abend in der Heimat wohlfühlt, sondern auch am nächsten Tag beim Mittagessen.

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Schmuckstück Schloss. © ummendorf.de

Im Beisein des Bürgermeisters und des Kämmerers der Gemeindeverwaltung wurden im „Bräuhaus“ neue Kontakte geknüpft und alte Anekdoten ausgetauscht. Besonders schön: Ein paar SchulfreundInnen aus meiner Ummendorfer Jugend saßen auch am Tag nach dem Schloss-Vortrag wieder mit am Tisch.

Schöner konnte die Rückkehr zu den Wurzeln nicht ausfallen.

Dass sich Menschen für Menschen mit Geschichten interessieren, zeigte sich auch am Medienecho. Der Kollege, der den Bericht für die Schwäbische Zeitung verfassen musste, war nicht zu beneiden. So viele Geschichten, so viele Fakten und Zahlen – das Ganze bei durchaus ausbaufähiger Akustik im Schloss-Saal. Dass er dabei „Inuit“ mit „Juniten“ verwechselt hat, sei ihm verziehen.

Hier geht’s zum Bericht über den denkwürdigen Abend im Ummendorfer Schloss.

Palma – Leutkirch – Ummendorf

leutkirchVon Palma de Mallorca nach Leutkirch im Allgäu ist es, für kanadische Verhältnisse, nur ein Katzensprung. Kurz mit dem Flieger nach Stuttgart. Dann im Mietwagen über die Schwäbische Alb – und schon ist man da. Stellt sich nur die Frage: Warum verlässt ein Mensch von mäßiger Intelligenz das warme Palma, um mitten im Winter ein Wochenende im zugeschneiten Leutkirch zu verbringen?

Zum Beispiel, um einen guten Freund zu sehen. Dem geht es zurzeit nicht so gut. Und weil man Freunde in der Not nicht im Stich lässt, fliegt man schon mal von der Insel aufs Festland und stattet einen Krankenbesuch ab.

Ein anderer Grund hat mit essen und trinken zu tun. Im Brauereigasthof „Mohren“, den zwei Freunde seit vielen Jahren mit großer Hingabe betreiben, wurde an diesem Wochenende das traditionelle Schlachtfest begangen. Mit Leckereien, wie man sie sonst nur in feinsten Häusern vorfindet. Wirsingsenfsuppe mit Floischkiachle ond Wachtelei gibt’s nun wirklich nicht an jeder Ecke.

Und weil sich auch andere Freunde gerne an kulinarischen Schweinereien laben, wird das Schlachtfest zum Treffpunkt für Menschen mit Geschichte und Geschichten, die schon so lange her sind, dass sie in den Geschichtsunterricht gehören und nicht in einen Blog.

Leutkirch wird gerne das „Tor zum Allgäu“ genannt. Ich nenne es das Sprungbrett zur Familie. Von hier aus lassen sich bequem Schwester und Basen, Nichten und Brüder, Schwägerinnen und Schwippschwager aufsuchen, die allesamt im Wilden Süden leben. Und wenn einer der Brüder dann zufällig noch Geburtstag hat – HAPPY BIRTHDAY, Wolfgang! – dann ist das erst recht ein Grund, das Paradies im Mittelmeer kurzfristig zu verlassen, um in den Winter einzutauchen.

Und noch einen entscheidenden Vorteil hat Leutkirch im Allgäu: Es ist nur ein Katzensprung nach Ummendorf. Dort, im Herzen Oberschwabens, geht an diesem Montag so richtig die Post ab. Kleiner Tipp: „Schwäbische Zeitung“ lesen und um 19 Uhr ins Schloss kommen.

Wer’s schafft, trifft dort einen dieser Menschen mit Geschichten.

Schatten im Paradies

schattenbannerWo Licht ist, ist auch Schatten. Und da es auf Mallorca vermutlich mehr Licht gibt als in den meisten Teilen der Welt, lässt sich auch der Schatten nicht lumpen. Raus aus der Dunkelkammer, rein in die Sonne: Auf geht’s zu einem fotografischen Spaziergang rund um Palma de Mallorca.                                                                                 © Fotos: Bopp