Skandal! Skandal! Skandal!

bannerDrei Auferegerthemen gleichzeitig – das passiert im nachrichtenarmen Kanada nur ganz selten. Doch diese Woche kann ich von drei Skandalen berichten, die zurzeit das ganze Land aufrütteln. Zumndest aber mich.

Fangen wir mit dem Skandal an, der trotz seiner eigentlichen Tragik den höchsten Unterhaltungswert hat. Es geht um die Ausraster des Oberbürgermeisters von Kanadas größter Stadt Toronto. Es ist ein Video aufgetaucht, das Rob Ford im Kreise von übelst bekifften Jugendlichen beim Rauchen von Crackkokain zeigt. Als Entschuldigung stammelte der ertappte OB dann vor laufenden Kameras: „Ich kann mich leider nicht mehr daran erinnern. Ich war einfach zu besoffen“.

Der bekiffte Oberbürgermeister

Erinnern kann er sich auch nicht an ein weiteres Video, in dem er ankündgt, jemandem die Augen auszustechen. Und überhaupt wolle er „the Motherfucker“ kaltblütig umbringen.

Das sagt der Oberbürgermeister der größten Stadt des zweitgrößten Landes der Welt. Rücktritt? Er doch nicht! Das sitzt der knapp drei Zentner schwere Stadtchef fett grinsend auf einer Arschbacke aus.

Der Rest des Landes is not amused. Die Leserbriefspalten der Zeitungen sind voll mit Hasstiraden gegen den Mann, dessen Amtszeit erst in einem Jahr abläuft.

Drei betrügerische Senatoren

Gar nicht enden sollte per Definition eigentlich die Amtszeit dreier Senatoren im kanadischen Oberhaus, dem Senat. Die Männer und Frauen, die dort mit Büros, Chauffeur und Spitzengehältern ausgestattet sind, werden nicht etwa gewählt, sondern vom jeweiligen Regierungschef ernannt. Auf Lebenszeit. Es handelt sich fast ausschließlich um Parteifreunde des jeweiligen Regierungschefs. Der heißt zurzeit Stephen Harper und ist konservativer als ein Opel Kadett.

Mit der Ernennung der beiden ehemaligen Starjournalisten Duffy und Wallin war ihm auf den ersten Blick ein Coup gelungen. Zwei bekannte Fernsehgesichter, die nach dem Gesetz der Ernennungsdiplomatie eigentlich nichts falsch machen konnten. Der Dritte im Bunde ist ein Mann namens Patrick Brazeau, der sich dadurch auszeichnet, dass er kanadischer Ureinwohner ist. Jedem Senat seinen Quotenindianer.

Alle drei Senatoren wurden jetzt per Abwahl geschasst. Sie sollen Geld im großen Stil veruntreut haben. Dabei handelt es sich um Spesen und Kosten für doppelte Haushaltsführung. Als Steuerprüfer die mutmaßlichen Betrügereien aufdeckten, ließ der kanadische Premierminister seinen zweiten Mann einen Scheck schreiben, um den Schaden vor der Öffentlichkeit zu vertuschen.

Leider klappte das Verneblungsmanöver nicht ganz. Die Sache flog auf, die beiden Ex-TV-Stars-Senatoren mussten den Hut nehmen. Der Indianer Brazeau auch. Bei ihm kommt noch erschwerend hinzu, dass parallel zu den mutmaßlichen Veruntreuungen ein Verfahren wegen Körperverletzung und ein weiteres wegen eines Sexualdelikts laufen. Feine Leute, diese Senatoren. Solche Freunde braucht ein Premierminister.

Die xenophobische Regierung

Bliebe noch Skandal Nummer drei. Es geht um Fremdenhass und die Ausgrenzung von islamischen Mitbürgerinnen in der Provinz Quebec. Ausgerechnet im toleranten Kanada gibt es mit Quebec eine Länderregierung, die religiöse Symbole aller Art im öffentlichen Dienst verbieten will.

Muslima sollen keine Kopftücher mehr tragen dürfen, Sikh-Männer keinen Turban mehr. Und jüdischen Mitbürgern soll das Tragen von Kippas im Amt untersagt werden. Dazu zählen auch viele Ärzte dieser Stadt, von denen es ohnehin zu wenig gibt. Zurzeit wird die Gesetzesänderung im Parlament von Quebec diskutiert. Die separatistische Regierungschefin Pauline Marois versteigt sich bei der Begründung für diesen politischen Schwachsinn in die Aussage, man wolle mit dem neuen Gesetz für „mehr Harmonie“ in der Bevölkerung sorgen.

Das ist eine glatte Lüge. Nichts wühlt den harmoniebedürftigen Kanadier mehr auf als der Versuch, ihm seine Multikultination neu aufzumischen.

Was steckt denn dann wirklich hinter diesem Gesetzesvorschlag? Natürlich Wahlkampfpolitik, was sonst. Mit ausländerfeindlichen Parolen lassen sich auch in einigen kanadischen Lagern Stimmen fangen, vor allem auf dem flachen Land. Und weil dieser Teil der Bevölkerung wohl den Ausgang der bevorstehenden Wahl entscheiden wird, macht man eben dort Stimmung gegen religiöse und ethnische Minderheiten.

Ärmlich. Peinlich. Perfide.

Neues vom Montrealer Sumpf

Es gibt viele Gründe, nicht in den Ruhestand zu gehen. Man hat Spaß an der Arbeit, will seine sozialen Kontakte nicht aufgeben, braucht die Extra-Kohle. Oder aber man mag einfach nicht auf die schönen Bestechungsgeschenke verzichten, die so ein Job bei der Montrealer Stadtverwaltung mit sich bringt.

Das war der Grund, warum der für viele städtische Bauvergaben zuständige Ingenieur Luc Leclerc auch sieben Jahre nach dem offiziellen Ruhestand noch an seinem Schreibtisch klebte.

Ingenieur Luc Leclerc (Screenshot der CBC-Website)

Unglaublich, was die Untersuchungskommission so alles zum Vorschein bringt, die nun schon seit Wochen Aufklärung über die Korruption im Montrealer Rathaus bringen soll. Monsieur Leclerc ist nur eines der vielen Rädchen, die von der Bauindustrie geschmiert wurden. Mehr als eine halbe Million Dollar habe er im Laufe der Jahre an Bakschisch eingesackt, gab der Mann jetzt zu. Dafür, dass er bei der Vergabe von Straßenbauprojekten und Brückenbauten das letzte Wort hatte, ließ er sich von den Firmen oft mit 25 Prozent und mehr schmieren.

Lkw-Kolonnen mit Bestechungsgeschenken

Besonders gut ging es Leuten wie Leclerc um die Weihnachtszeit herum. Da seien ganze Lkw-Kolonnen vor dem Rathaus vorgefahren, um ihre Bestechungsgeschenke abzuliefern. Ob er sich denn nicht schlecht dabei vorgekommen sei, Geld, Luxusreisen und hochwertige Güter von Baufirmen in Empfang zu nehmen, denen er die Aufträge zuschanzte, wollte die Vorsitzende der Untersuchungskommission von Monsieur Leclerc wissen. „Schlecht?“, grinste der zurück, „wieso denn auch? Alle anderen habe es doch auch getan“. Erst auf Drängen der Kommissionsvorsitzenden liess sich der ungetreue Diener dann doch noch zu einem kleinlauten „I’m sorry“ bewegen.

Erst als der Stadtrat von Montreal eine Ethik-Kommission einsetzte, um Bestechungs-Gerüchten auf den Grund zu gehen, nahm Luc Leclerc seinen Hut. Seither führe er ein recht sorgenfreies Leben sagt er. Danke, es gehe ihm gut.

Die Stadt der einstürzenden Neubauten

Dafür geht es der Stadt Montreal umso schlechter. Die Metropole gleicht einstürzenden Neubauten. Ganze Straßenzüge mussten aufgerissen werden, weil bei den Bauarbeiten geschludert wurde. Brücken bröckeln oder stürzen ein, es gab bereits Tote.

Zurzeit ist die Stadt mit ihren dreieinhalb Millionen Einwohnern übrigens führerlos. Der Oberbürgermeister hatte in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen sein Amt niedergelegt. Mehrere hochrangige Bedienstete ebenfalls. Noch diesen Monat soll ein Interimschef fürs Rathaus gewählt werden.

Na, dann mal viel Glück!