Das kranke Gesundheitssystem

Ich helfe gern. Ich spende auch gern. Kleider, Möbel, Spielzeug, Geld. Aber ich lasse mich ungern in die Pflicht nehmen. Ist es wirklich meine Aufgabe, Geld zu spenden, damit mein Krankenhaus einen neuen Cat-Scanner kaufen kann? Nein. Aber ich spende trotzdem. Sich dem moralischen Druck zu entziehen, der hier auf Spender ausgeübt wird, ist schwer.

John F. Kennedy hatte gut reden: „Ask not what your country can do for youask what you can do for your country“. Genau: Ich frage mich dauernd, was ich für mein Land tun kann. Für zwei Länder sogar. Als Mensch mit einem deutschen und einem kanadischen Pass fühle ich mich beiden Ländern gegenüber verpflichtet, mein Scherflein beizutragen. In Deutschland habe ich damit kein Problem. Ich finde, auch wenn die Meckerer Schlange stehen: Das deutsche Gesundheitssystem funktioniert im Großen und Ganzen wunderbar.

Nicht so in Kanada. Hier krankt es. Und genau deshalb fällt es mir schwer, dem kanadischen System mit meinem sauer verdienten Geld noch weiter auf die Sprünge zu helfen. Beispiel: Ich warte seit drei Monaten auf einen simplen Schilddrüsen-Scan. Es gibt im „besten Gesundheitssystem der Welt“, wie das offizielle Kanada sich gerne selbst beweihräuchert, durchaus genügend Scanner. Viele davon übrigens mit Spenden finanziert. Ist es nicht Aufgabe des Staates, für Equipment, Personal und überhaupt für die ärztliche Versorgung seiner Menschen zu sorgen? Immerhin lebe ich in einer Provinz, die den höchsten Einkommenssteuersatz in ganz Nordamerika kassiert.

Auch Menschen, die so ein Gerät bedienen könnten, gibt es genug. Nur: Sie werden nicht eingesetzt, weil das Geld für ihre Bezahlung fehlt. Also warte ich. Und befinde mich damit in guter, aber trauriger Gesellschaft. Viele können nicht so lange warten wie ich.

Wartezeiten von mehr als einem Jahr für einen Termin beim Facharzt, sind hier nicht ungewöhnlich. Ist dann die Diagnose gestellt, kann es weitere sechs Monate dauern, bis die eigentliche Behandlung beginnen kann. Für manche kommt die Hilfe zu spät.

Foto: National PostIn den Notfallstationen der Montréaler Krankenhäuser beträgt die Wartezeit durchschnittlich 20 Stunden. Als neulich der Gesundheitsminister versprach, die Wartezeiten bis zum Jahr 2015 auf zwölf Stunden zu reduzieren, gab es Applaus von allen Seiten. Mir kommt das vor wie ein Hohn. Den meisten meiner kanadischen Freunde nicht. Sie sind stolz auf ihr System.

Ob, wenn und wann ich je in die Röhre komme, werden Sie zeitnah unter „Blog-Updates“ erfahren.