Alfonso entschuldigt sich. Nicht einmal, sondern dreimal fleht mich der Betreiber unserer Stammbar in Palma an: „Perdón, perdón, perdón!“ Das Wetter sei heute unter aller Sau. Aber wir sollen uns nur nicht entmutigen lassen. Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Wahrscheinlich schon Morgen. „Wo ist das Problem?“, frage ich Alfonso und rechne ihm vor: „Mit 13 Grad plus ist es auf Mallorca heute genau 34 Grad wärmer als in Montreal.“

Palma: Federleicht durch den Winter.
Die Rechnung erschüttert Alfonso. Nein, mit solchen Temperaturen könnte er nicht leben. Niemals. Bei so einem Klima, glaubt Alfonso, würden ja selbst Eisbären noch frieren. Minus 21 hat es nachts in der Stadt meines Herzens, während ich diese Zeilen in der Stadt schreibe, die meiner Seele gut tut. Montreal gegen Palma auszuspielen – nein, das wäre nicht fair. Aber man wird ja wohl noch anmerken dürfen.
Graue Wolken hängen über der Kathedrale, die sich vor unserem Balkon aufbäumt wie eine überdimensionale Fototapete. Und auch der Königspalast hat heute ein wenig von seinem Glanz verloren. Die Stühle vor Alfonsos Bar an der Plaza de la Reina sind verwaist. An der Bushaltestelle wird mehr gebibbert als geschnattert. Von den Palmwedeln tropft es. Aber es regnet lediglich. Kein Schnee.

Winter in Montreal: Schneeschwer
Schnee wird mir aus Montreal gemeldet, der Stadt, in der ich den Mittelpunkt meines Lebens eingerichtet habe. Es ist schliesslich erst Anfang März.
Das Leben in Palma fühlt sich im Vergleich zu Kanada auch bei 13 Grad und Regen noch federleicht an. Kein Schneeschippen am Morgen, kein Eisregen, der die Überlandleitungen ins Wanken bringt und uns ohne Strom, Heizung und warmes Wasser hängen lässt. Kein von der Natur auferlegter Hausarrest, weil Glatteis aus dem Weg zum Briefkasten eine blitzgefährliche Rutschbahn gemacht hat.
Jacke oder Schirm. Oder gar Beides?
Die größte Herausforderung, die der so genannte Winter in Palma bisher an uns gestellt hat: Leichter Pulli oder dicker? Regenjacke oder Schirm? Oder, sollte der Klima-Gau über Mallorca hereinbrechen, Jacke und Schirm?
Wie sehr ich diese Leichtigkeit schätze und wie wenig ich die harten Wintertage in Montreal vermisse, wird mir hier, am Mittelmeer, so richtig klar. Es passiert mir als unsteter Wanderer selten, dass ich mich dabei ertappe, wie plötzlich nicht mehr der Weg das Ziel ist, sondern es für das Ziel kaum Steigerungsmöglichkeiten gibt. In Palma, wo wir den kanadischen Winter noch vollends aussitzen, passiert mir das jetzt immer haeufiger. Dann fallen beim Frühstück Sätze wie dieser: „Mir fällt im Moment kein Ort der Welt ein, an dem ich lieber wäre als hier“.
Auch bei Regen und 13 Grad.