Die Frage kennen wir schon: “Warum ausgerechnet Mallorca?” Die Antwort auch: „Weil hier einfach alles passt“. Kaum ein Tag, an dem Bekannte, Freunde und Verwandte nicht nach den Ursachen des Mallorca-Fiebers forschen, das bei uns vor vier Jahren ausgebrochen ist.
Für die meisten Kanadier, die ich kenne, ist Mallorca eine hübsche Insel, irgendwo im Mittelmeer. Mehr nicht. Die erste Adresse für kanadische Snowbirds war Mallorca noch nie. Und wird es vermutlich auch nie werden. Man reist nach Florida und Kuba, nach Mexiko auf die Bahamas oder in die Dominikanische Republik. Aber Mallorca? Never.
Auch wir haben jahrelang zu den unsteten Sonnensuchenden gehört, die sich ihre klimatischen Streicheleinheiten in der Karibik und am Golf von Mexiko besorgt haben. Ein Dutzend Mal, wahrscheinlich mehr, hat es uns nach Kuba gezogen oder nach Mexiko, in die DomRep und auch auf Paradise Island in den Bahamas. Schön war’s, das Wetter fast immer perfekt. Nur: Irgendwas fehlte. Seitdem wir Mallorca für uns entdeckt haben, weiss ich, was es ist: Diese perfekte Mischung aus europäischer Bodenständigkeit und weltmännischem Flair. Dieses je-ne-sais-quoi, das ich weder in Havanna verspürt habe, noch in Puerto Plata. Und gleich gar nicht in Miami Beach.
Von Kanada aus „Back to the roots“
Wer, wie wir, fast sein ganzes Erwachsenen-Leben in Kanada verbracht hat, sehnt sich irgendwann wieder zurück zu den Wurzeln. Das muss nicht unbedingt Deutschland sein. Europa genügt. Und hier sind wir wieder gelandet. Zumindest auf Zeit. Mit diesem back-to-the-roots-Denken sind wir nicht allein. Einige unserer europäischen Freunde in Kanada spielen mit dem Gedanken, zumindest einen Teil des Jahres wieder im alten Europa zu verbringen. Oder sie tun es bereits.

Palma: Traumhafte Architektur.
Bei manchen scheitert die – auch nur zeitweise – Rückkehr daran, dass ein Partner keine Bindungen zu Europa hat und sich ein Leben außerhalb des kanadischen Sprach- und Kulturkreises allein schon deshalb nicht vorstellen könnte. Dazu kommen, vor allem bei älteren Landsleuten in Kanada, gesundheitliche Probleme. Auch die Angst, den hart erkämpften Einwandererstatus zu verlieren, ist berechtigt. Wer Kanada mehr als ein halbes Jahr fern bleibt, verliert den „resident status“ wieder. Die längere Abwesenheit kann vor allem für ältere oder fragile Menschen bitter sein: Irgendwann greift auch die kanadische Krankenversicherung nicht mehr.

Mallorca: Traumhafte Kueste.
Wir haben das Glück, ortsunabhängig arbeiten zu können. Das Internet macht’s möglich. Wir verfügen über zwei Staatsbürgerschaften. Das macht das Pendeln leichter. Auch wenn all die formalen Voraussetzungen stimmen: Es gibt noch andere Gründe, die Mallorca so viel attraktiver für uns macht als die Karibik. Die Nähe zu Deutschland ist sicher einer von ihnen. Eine Stippvisite in Köln, München oder Stuttgart ist von Palma aus ein Klacks.
Das Klima. Mallorca hat vier Jahreszeiten. In der Karibik gibt es nur heiß, nicht ganz so heiß und kochend heiß. Wer’s mag, schön und gut. Ich möchte im März frische Blumen riechen und im November das Laub fallen sehen.
Die Gastronomie. Essen und Trinken auf Mallorca sind ein Traum. Von erdiger mallorquinischer Hausmannskost bis zum Dinner beim Sternekoch – hier geht alles. Und, mit Ausnahme des Sternekochs, zu Wulff’schen Schnäppchenpreisen.

Havanna: Traumhafte Kulisse.
Das Stadtbild. Sieht man einmal von Havanna und einigen mexikanischen Städten ab, habe ich in der Karibik in all den Jahren wenig gesehen, das mich ästhetisch auch nur annähernd so beflügelt hätte wie Palma. In Kuba, auf der DomRep oder anderen karibischen Inselstaaten ist vieles in der ersten Meeresreihe Kulisse. Dahinter: Wellblechhütten, bei deren Anblick beim Urlauber ein schlechtes Gewissen nicht ausbleiben kann.
Die Landschaft. Vor der Haustür das Meer, im Hinterhof die Berge – eine Kombination, die schwer zu toppen ist.
Service: Ich werde auf Mallorca das Gefühl nicht los, dass die meisten Kellnerinnen, Busfahrer und Verkäufer Spaß an ihrem Job haben. Oder zumindest einen Mechanismus kennen, der eventuelle Frustphasen gegenüber Touristen gut kaschiert. Schlampiger Service, grantelnde Kellner, Abzocke – bisher Fehlanzeige.
Öffentliche Verkehrsmittel: Grandios, was hier abläuft. In vier Jahren haben wir es geschafft, so ziemlich die komplette Insel zu sehen, ohne auch nur ein einziges Mal einen Wagen zu mieten. Nicht aus schwäbischer Sparsamkeit, sondern weil der öffentliche Nahverkehr so perfekt funktioniert, dass fast jeder Ort der Insel mühelos und für erstaunlich wenig Geld erreichbar ist.
Was mich stört auf Mallorca? Hundekacke. Und nörgelnde Touristen, die – wie neulich in Valdemossa – einem multilingualen Kellner zum Vorwurf machten, dass er ausgerechnet der deutschen Sprache nicht mächtig war.