Man gewöhnt sich an allem …

Ein „elk“ ist kein Elch sondern ein Hirsch. Ein „townhouse“ ist kein Stadthaus, sondern ein Reihenhaus. Und „you are welcome“ sagt der Kanadier nicht etwa, wenn er dich willkommen heißen möchte. Es heißt schlicht und einfach „bitte“. Die englische Sprache ist voller Tücken. Und das Französisch der Québecer kann einen ganz schön in Verlegenheit bringen.

Manchmal geht man zum Lachen in den Keller. Schauplatz der ersten Verwechslungskomödie nach meiner Ankunft in Kanada: Die Hausmeisterin des Apartmentgebäudes, in das ich gerade eingezogen war, verklickert mir den Umgang mit Waschmaschine und Trockner. „Thank-you!“, sage ich. Sie: „You are welcome!“ Ich: „Thank-you, very nice of you“. Sie: „Oh, Thank-you. You are welcome“. Dass sie mich mit ihrem ständigen „You are welcome“ nicht etwa herzlich willkommen in Kanada hieß, sondern mit „bitte“ auf mein „danke“ antwortete, kam mir erst viel später.

Eine (deutsche) Freundin erzählte mir am Wochenende, wie sie von ihrem damaligen Freund und späteren (kanadischen) Ehemann in Montréal empfangen wurde. „Let’s drive to my townhouse“, sagte Bob auf dem Flughafen. Wow, dachte sich Ute. Wenn er ein Stadthaus hat, dann gibt’s sicher auch irgendwo ein Landhaus. Kleines Jagdschlösschen vielleicht? Pech für Ute: Mit „townhouse“ meinte Bob schlicht das Reihenhaus, in dem er lebte. Lustig, aber nicht weiter schlimm.

Für Verwirrung sorgt bei Kanadiern gelegentlich auch mein Nachname. Das geht dann so: „What’s your name?“ – „Herbert Bopp“ – „Nice to meet you Bob, what’s your last name?“

Für eine Schrecksekunde sorgte beim ersten Mal auch dieser Dialog mit einem Québecer Frankokanadier. Er: „Comment vastu?“ – Ich: „Ça va bien, merci“. – Er: „Et comment elle va, ta blonde?“ – Ich habe keine Blondine! Wieder was gelernt: Beim Québecer ist jede Frau an deiner Seite „une blonde“, eine Blondine.

Kompliziert? Nicht wirklich, sagt mein Kumpel Bernie schon seit Jahren. „Man gewöhnt sich an allem, nur nicht an dem Dativ“.

No English, s’il vous plaît!

Die Sprachenpolizei der frankokanadischen Provinz Québec zieht mal wieder die Daumenschraube an. Rein englische Firmenbezeichnungen werden nicht länger geduldet. Die Befürchtung: Französisch als Amtssprache könnte im Meer der englischsprachigen Sünde aussterben.

Ich liebe Französisch. Und ich wünschte, ich würde es genau so fließend sprechen und schreiben wie Englisch oder Deutsch. Aber ich habe lange in einem rein englischsprachigen Umfeld gelebt und bin aus der Übung gekommen. Jetzt klingt mein Französisch zwar noch nicht ganz wie Polnisch rückwärts. Aber an der Sorbonne vermutet man mich jetzt auch nicht gerade. Es gibt also, rein sprachlich gesehen, Steigerungsmöglichkeiten. Vor allem nach oben.

Wir Schwabo-Kanadier können sogar Hochdeutsch

Sprachenpolizistin Marchant

In unserem Haus werden drei Sprachen gesprochen. Deutsch, wenn ich mit Lore und dem Sohnemann alleine bin. Englisch wenn auch nur eine Person im Raum ist, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Französisch, zumindest so gut es geht, wenn wir Gäste haben, die weder Englisch noch Deutsch können. Lässt man Schwäbischschwätze auch noch als Fremdsprache durch, sind wir quadrilingual, Aber im Gegensatz zu den meisten Schwaben, können wir alles und noch Hochdeutsch dazu. Wer jedoch nur Koreanisch oder Finnisch spricht, hat bei uns Pech gehabt. Wir sind hier schließlich nicht das Goethe-Institut.

Sie merken, worauf ich hinaus möchte: Jeder trägt sein Scherflein dazu bei, es dem Anderen in diesem Sprachengewirr recht zu machen. Es gehört in Québec nun mal zum Alltag. Das ist nicht immer ganz einfach. Aber, wie mein Uraltkumpel Börnie von der Allgäu-Ranch immer sagt: „Man gewöhnt sich an allem, nur nicht an dem Dativ.“

Strafbar: Apostroph

Keine Gnade mit dem Apostroph

Ganz so lustig wie es klingt, ist dies alles nicht. Es gibt hier nämlich Gesetze, die den Gebrauch von Sprachen vorschreiben. Um die Einhaltung dieser Gesetze kümmert sich eine Behörde mit dem schönen Namen l‘Office québécois de la langue française. Unter Anglokanadiern als „language police“ bekannt.

Statt „Hudson’s Bay Company“: „La Baie“

"La Baie" statt "The Bay"

Oberste Sprachenpolizistin ist eine sehr blonde und sehr unlustige Frau namens Louise Marchand. Madame beliebt nicht zu scherzen. Sie hat jetzt erneut an Firmenbetreiber in Québec appelliert, auf die Einhaltung der Sprachengesetze zu achten. Eine Verletzung stellt zum Beispiel ein Apostroph dar, den das traditionelle Kaufhaus Eaton’s überall im Land verwenden darf. Nur nicht in Québec. Hier heißt Eaton’s „Eaton“. Und die älteste Kaufhauskette Kanadas heißt von Küste zu Küste „The Hudson’s Bay Company„. Hier in Québec kurz: „La Baie„. Klingt nicht nach viel Geschichte. Nehmen wir also mal an, Sie sind Besitzer eines Optikerladens und nennen sich „New Look„. Nehmen wir weiterhin an, diese Bezeichnung hat sich im Laufe der Jahre bei Ihrer Kundschaft eingeprägt und Sie denken gar nicht daran, Ihr Firmenlogo zu verändern.

Erlaubt: Newlook mit "Lunetterie"

Eines Tages klopft ein gestrenger Herr vom „Büro zur Erhaltung der deutschen Sprache“ bei Ihnen an und verlangt, dass sie künftig auf Ihre Firmenbezeichnung verzichten. Sie lehnen ab. Er droht. Lenkt aber ein, als Sie gerade dabei sind, Ihren Anwalt anzurufen. Sie haben Glück: Der gestrenge Herr hat einen guten Tag und gibt sich milde. Er bietet Ihnen an, nicht ganz auf die  Bezeichnung „New Look“ verzichten zu müssen. Aber er zwingt Sie per Gesetz, künftig das Wort „Augenoptiker“ davor zu setzen. Also heißt Ihre Firma jetzt „Augenoptiker New Look“. Etwas sperrig, was? Genau das passiert zurzeit in der Provinz, in der ich lebe. Die offizielle Amtssprache in Québec ist Französisch. 80 Prozent der Bevölkerung sind damit aufgewachsen. Aber die restlichen 20 Prozent – das sind immerhin knapp eineinhalb Millionen Einwohner – sprechen kein, oder nur sehr wenig Französisch. Und genau denen soll es jetzt verstärkt an den Kragen gehen. Oder vielmehr an die Sprache.

Farine statt Flour

Warum diese sonst so lässige Provinz Québec absolut humor-resistent wird, wenn es um ihre Landessprache geht, habe ich nie so richtig verstanden. Meine Québecker Freunde meinen, ich würde den Grund für die Obsession mit dem Französischen ohnehin nicht kapieren. „Das spielt sich bei uns in der Seele ab“, meinte Céline einmal. „Und die versteht ein anderer nicht.“ Nun gut. Ich glaube, es hat ein bißchen, aber nicht ausschließlich, mit Intoleranz zu tun. Schon eher mit Angst, man würde ihnen etwas wegnehmen. Die französische Sprache nämlich. Die wird auf dem amerikanischen Kontinent nur noch in Québec, in der Nachbarprovinz New Brunswick, ein bisschen in Louisiana und in einem Städtchen namens St. Boniface in Manitoba gesprochen. Je ein paar Frankokanadier leben noch in Alberta und Ontario. Das war’s dann schon. Irgendwo verständlich, dass Québec also fast militant seine Muttersprache verteidigt.

STOP ist verboten

Jährlich gehen bis zu 3000 Beschwerden bei der Sprachenpolizei ein. Da geht es dann um weltbewegende Dinge wie den Apostroph von „Eaton’s„. Oder auch um Verkehrsschilder. STOP geht gar nicht und wird bestraft. Korrekt ist – in Québec – ARRÊT. Übrigens liest man selbst in Paris, der Wiege des Franzöischen, STOP und nicht ARRÊT. – Die auf dem ganzen Kontinent bekannte Mehlfabrik „Five Roses“ hatte diesem schönen Namen bis vor ein paar Jahren noch das Wort „Flour“ (Mehl) vorgeschaltet. Bis die Sprachenpolizei kam. Jetzt wird in einem Kauderwelsch geworben: „Farine Five Roses„.

Manchen wird der Sprachenzirkus in Québec zu bunt: Sie packen zusammen

Aber nicht alle, lassen sich diesen Sprachen-Zirkus gefallen. Wie der Schweizer Konditor, der jahrelang seinen „Swiss Pastry Shop“ betrieben hatte. Bis die Polizei kam. Auf eine Namensänderung wollte sich der Besitzer nicht einlassen. Deshalb verkaufte er sein Geschäft. Ich vermute mal, der neue Besitzer ist Wiener. Der Laden heißt jetzt Patisserie Suisse Viennoise. So viel Süßes im Namen muss der Sprachenpolizei einfach gefallen.