Freundlichblau statt kanadakalt

blau

„Der Himmel ist heute mal wieder stahlblau“, frohlocke ich. „Nein“, sagt sie, „stahlblau wäre ja kalt“. Stimmt. Was also? „Der Himmel ist freundlichblau und warm“, sagt sie dann. Genau. Das ist es: Freundlich und warm. Mallorca eben.

Nicht immer war die Luft warm und der Himmel freundlichblau in den letzten Tagen. Allzu oft war er grau und wolkenverhangen. Da fällt dann irgendwann auch ein Satz wie: „Und dafür sind wir um die halbe Welt geflogen“? Unfair, schon klar. Aber Empfindungen wie diese zeigen, wie sehnsüchtig sich der vom kanadischen Winter entwöhnte Körper nach Licht und Wärme sehnt.

Das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da konnte es mir in Kanada nicht kalt genug sein. Minus 30 Grad? Pah! T-Shirtwetter. Minus 40? Knackig kalt, aber irgendwie exotisch. Bei minus 50 Grad Celsius, was in Manitoba schon mal vorkommt, reicht es dann aber auch dem radikalsten Kälte-Extremisten. Aber wenigstens hat er beim nächsten Besuch im Allgäu etwas zu erzählen.

Wieder etwas gelernt: Mit zunehmendem Alter nimmt die Kältetoleranz ab. Wenn das so weiter geht, verbringe ich mit 75 meine Tage nur noch in der Sauna.

Und jetzt also Mallorca. Kälter als zwölf Grad war es seit unserer Ankunft vor einem Monat selten. Anfangs herrschten gerade hochsommerliche Temperaturen. 25 Grad in der Sonne fühlen sich hier schnell an wie 30. Man konnte sich daran gewöhnen.

Willkommen im Eisschrank!

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Wenn Sie glauben, in Deutschland sei die Eiszeit angebrochen, dann lade ich Sie ein, zum Trost einen Blick auf die Montrealer Wetterkarte (oben) zu werfen. Minus 30 Grad auf dem Thermometer, macht gefühlte minus 43. Und das noch bis zum Wochenende.

Eben kommen wir aus dem Kino. Zu Fuß natürlich. Die Temperatur lässt sich gut aushalten, wenn die Kleidung stimmt. „Schlechtes Wetter gibt es nicht“, sagen meine kanadischen Freunde. „Nur schlechte Kleidung“. Dabei geht man am besten nach dem Zwiebelschalen-Prinzip vor: Mehrere Schichten übereinander geben wärmer als ein dicker Parka.

Besonders hart trifft die Kältewelle Tausende von Obdachlosen. Nicht alle von ihnen haben ein Bett für die Nacht. Viele von ihnen kauern um diese Jahreszeit über Heizungsschächten oder in den Vorhallen der Montrealer Metro-Stationen, soweit diese überhaupt nachts geöffnet sind.

Noch kälter als in Montreal ist es zurzeit in Yellowknife in den Northwest-Territories. Dort sinkt das Thermometer heute auf minus 36 Gard. Macht mit „windchill factor“ knackige minus 47 Grad.

Aber auch das ist noch weit entfernt von der Rekord-Tiefsttemperatur, die ich in Kanada je erlebt habe. Bis vor kurzem hing in meinem Büro eine gerahmte Urkunde. Sie wurde an Journalisten verteilt, die trotz Schneesturms zur Eröffnung des neuen Winnipeger Kongresszentrums gekommen waren. An diesem Abend hatte es minus 62 Grad. Celsius!