„Liebe ist besser als Wut“

Eben habe ich das erste Herbstblatt im Wald vor unserem Haus gefunden. Es ist noch etwas blässlich in der Rötung. Aber der Indian Summer kommt noch früh genug. Für mich ist dieses Ahornblatt ein Symbol der Vergänglichkeit und damit passend zum Tod des kanadischen Oppositionsführers Jack Layton, über den ich gestern an dieser Stelle geblogged hatte.

„Smiling Jacks“ Abschiedsbrief kurz vor seinem Tod

„Smiling Jack“, ein aufrechter Sozialdemokrat des linken Flügels, war der ganz große Hoffnungsträger der kanadischen Politik. Er wurde nur 61 Jahre alt. Weniger als 48 Stunden vor seinem Tod schrieb er einen Abschiedsbrief an alle Kanadier. Hier die Übersetzung: „Liebe ist besser als Wut. Hoffnung ist besser als Angst. Zuversicht ist besser als Verzweiflung. Lasst uns deshalb stets liebevoll, hoffnungsvoll und zuversichtlich sein – und wir verändern die Welt.“

Tot mit 61: Jack Layton

Eine andere Passage aus dem Abschiedsbrief des an Krebs gestorbenen Ausnahme-Politikers möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten. Diejenigen, die davon betroffen sind, wissen, wovon ich spreche: „To other Canadians who are on journeys to defeat cancer and to live their lives, I say this: please don’t be discouraged that my own journey hasn’t gone as well as I had hoped. You must not lose your own hope.Treatments and therapies have never been better in the face of this disease. You have every reason to be optimistic, determined, and focused on the future. My only other advice is to cherish every moment with those you love at every stage of your journey, as I have done this summer.“

An alle Krebspatienten: Gebt die Hoffnung nicht auf!

Übersetzung: „Anderen Kanadiern, die mit einer Krebserkrankung leben, möchte ich sagen: Verzagt nicht und lasst euch nicht entmutigen! Auch wenn meine eigene Reise nicht so günstig verlaufen ist wie ich gehofft hatte: Gebt die Hoffnung nicht auf! Krebstherapien waren nie erfolgreicher als zurzeit. Ihr habt allen Grund, optimistisch, zielgerichtet und fokussiert in die Zukunft zu blicken. Ich möchte Euch raten, auf Eurer Reise jeden Moment mit Euren Lieben zu genießen, so wie ich es diesen Sommer getan habe.“

In diesem Sinne: Genießen Sie den Sommer, egal wo Sie sind.

Smiling Jack ist tot

Warum müssen eigentlich die Guten immer so früh gehen? Da hatte Kanada endlich mal einen Politiker am Start, der die Schnarchnasenpolitik der Konservativen Regierung aufmischen konnte – und jetzt ist er tot. Mitten in den Sommerferien. Mit gerade mal 61.

Jack Layton: Tot mit 61 – Foto: CP

Scheißkrebs. Jack Layton war für viele von uns der ganz große Hoffnungsträger für die etwas andere Bundespolitik in Kanada. Er kämpfte gegen Asbest und für die Rechte der Indianer. Die dreckschleudrigen Teersandfelder in Alberta waren ihm ein Gräuel. Mehr Kontrastprogramm zur Politik des blässlichen konservativen Regierungsschefs Stephen Harper geht nicht.

Lieber Chinatown als Villa

Jack Laytons NDP hatte es im Mai zum ersten Mal in der Geschichte der Partei geschafft, die Rolle der offiziellen Opposition zu übernehmen. Doch statt in der prunkvollen Residenz des Oppositionsführers zu domizilieren, behielten Jack und seine aus China stammende Frau Olivia Chow lieber ihr Häusle in der Torontoer Chinatown. Solche Männer braucht das Land.

Foto: CP

Welcome … und Goodbye – Foto: CP

Ein Hardcore-Sozialdemokrat des linken Flügels war er. Aufrecht, umsichtig, einfühlsam, „caring„, wie es heute in fast allen Nachrufen heißt. Noch vor drei Wochen hatte ein spindeldürrer und vom Krebs gezeichneter Smiling Jack im Fernsehen verkündet, er werde rechtzeitig zur neuen Legislaturperiode im September wieder in Ottawa sein. Das hat er nicht geschafft – was für ein Jammer. Jack Layton gehörte der Neuen Demokratischen Partei (NDP) an und sorgte sich wie kaum ein Politiker vor ihm um dieses Land mit all seinen schwierigen Facetten.

So kannten wir ihn: „Just call me Jack“

Ich bin diesem wunderbar optimistischen Menschen drei Mal in meinem Leben begegnet. Einmal als Journalist, vor dem Bundesparlament in Ottawa. Das zweite Mal im vorletzten Wahlkampf, mitten im Winter. Da fror sich der arme Kerl bei minus 25 Grad in seiner Strickweste einen ab, während wir uns im Parka versteckten. Mister Layton – „just call me Jack“ wie er immer sagte – Jack Layton hatte unbedingt darauf bestanden, eine Rede im Freien zu halten, damit möglichst viele Menschen ihn in der Mittagspause hören konnten.

Unsere Freundin Marjolaine hat Jack viel zu verdanken

Foto: CP

Marjo im Parlament – Foto: CP

Das letzte Mal sah ich Jack Anfang Mai 2011. Marjolaine, eine gute Freundin von uns, hatte für die NDP kandidiert (und später einen Sitz im Bundesparlament gewonnen). Marjo hatte sich anstecken lassen vom Charisma dieses Mannes. „Endlich ein Politiker, dem man über den Weg trauen kann“, sagte sie damals. So hatten viele gedacht, die in Jack Layton den neuen Stern am Polithimmel sahen – mit Recht, wie sich herausstellte. Allein in der Provinz Québec brachte er es fertig, die Anzahl der NDP-Sitze von gerade mal einem auf 58 zu erhöhen – das hatte es in Kanada noch nie gegeben. Ab sofort war Jack Layton selbst bei den sonst so anglo-kritischen Québeckern „Le Bon Jack„. Sie liebten ihn. Als die Wahlkampagne sich dem Ende zuneigte, rief Marjolaine uns an und bat darum, ihr ein wenig Schützenhilfe zu geben und bei einer für sie sehr wichtigen Veranstaltung dabei zu sein.

Tränen der Rührung – und schließlich ein Lächeln

Da stand sie nun, strahlte und hatte Tränen der Rührung in den Augen, als sie all ihre Freunde im Saal sah. Marjos Tränen müssen Jack an diesem Nachmittag ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben. Er war sichtlich stolz, als er in der Montréaler Oststadt sein Team vorstellte. Darunter so eine aufrechte, engagierte und, wie sich später herausstellte, auch erfolgreiche Wahlkämpferin wie unsere Freundin Marjolaine Boutin-Sweet.

Jetzt ist er tot und ich, wir, das Land – wir alle werden ihn schrecklich vermissen. Dass Jack Layton in Hudson aufgewachsen ist, dem Dorf, in dem ich lebe, mindert auch nicht meinen Schmerz.

Farewell Jack! Keep on smiling.