„Snowbirds“: Karibik statt Kälte

Im Januar wird der Kanadier zum Zugvogel. Er reist nach Florida und Mexiko, in die Dominikanische Republik, nach Kuba, Costa Rica oder auch Hawaii. Scharen von Rentnern verbringen den ganzen Winter im Süden. Normalsterbliche, die noch in Arbeit und Brot stehen, bleiben eine Woche oder auch zwei. Selten mehr, denn die meisten Kanadier müssen sich mit zwei bis drei Wochen Jahresurlaub begnügen.

Der Winter in Kanada, sieht man einmal von der Pazifikprovinz British Columbia ab, bedient jedes Klischee: Er ist lang, dunkel, kalt und teuer. Bei minus 25 Grad macht selbst eingefleischten Wintersportlern das Skifahren keinen Spaß. Wer kann, packt deshalb die Koffer und zieht den Singvögeln nach. „Snowbirds“ werden die Kanadier genannt, die das kalte Klima dick haben und lieber Sandburgen statt Iglus bauen.

Winter in Kanada ...

Unser früheres Vermieter-Ehepaar, ältere Leute, die nach dem Krieg von Thüringen nach Kanada ausgewandert waren, packte jedes Jahr pünktlich zu Weihnachten ihre Koffer. Im Auto legten sie dann die zweieinhalbtausend Kilometer von Montréal nach Miami zurück. Wir als Untermieter hatten dann jeweils das zweifelhafte Vergnügen, die steinerne Nofretete in unserer Wohnung aufzubewahren, Blumen zu gießen und Post nach Florida nachzuschicken. Zweimal haben wir unsere Vermieter in Miami besucht. Und waren erstaunt, mit wie wenig Komfort diese Menschen zufrieden waren, nur um dem kanadischen Winter entfliehen zu können.

Dafür aber hatten sie es immer herrlich warm. Sie konnten mit Dollars bezahlen wie zu Hause. Konnten ihre Geldgeschäfte in kanadischen Banken abwickeln und vertraute Lebensmittel im Supermarkt kaufen. Sie konnten ihre Sprache sprechen und kanadische Tageszeitungen druckfrisch lesen. Und wenn es dann unbedingt sein musste, fand sich immer ein Restaurant, das die Québecer Nationalspeisen „Poutine“ oder „Smoked Meat“ serviert – ganz wie daheim in Montréal. Ein bisschen ist North Miami Beach für viele Québecer wie Mallorca für Deutsche. Nur ohne Ballermann. Wobei auch der im Winter kein wirkliches Thema ist.

... und in Havanna

Auch wir haben viele Winter im Süden verbracht. Mit die schönsten Erinnerungen habe ich an Kuba. Wer nicht des Essens wegen in Urlaub geht, wird begeistert sein. Die kubanischen Strände in der Gegend von Varadero sind zauberhaft. Wem das Beachbum-Dasein zu eintönig wird, setzt sich in den Bus oder mietet ein Privattaxi, um sich nach Havanna kutschieren zu lassen. Der morbide Charme dieser Stadt fesselt jeden, der sich nach Exotik sehnt.

Von Québec aus sind die meisten karibischen Inseln so einfach zu erreichen wie die Kanaren von deutschen Flughäfen aus. Keine Frage: Die Karibik ist ein wunderbares Reiseziel, um Schneestürme, Eisregen und bitterkalte Kanada-Tage hinter sich zu lassen. Aber für uns, die wir seit 30 Jahren hier leben, hat die Faszination der Karibik gelitten. Vieles ist wie in Kanada. Nur mit Palmen. Wir haben uns deshalb neu verliebt. In Europa. Mallorca, wir kommen!