Kuba: Nicht alles Zucker

kubabannerEs ist viel geschrieben worden in den letzten Tagen über die wirtschaftliche Öffnung Kubas, über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Havanna und Washington. Und auch darüber, was die neue politische Entwicklung für die Bewohner der karibischen Zuckerinsel bedeuten könnte.

Einer der besten Artikel, die ich zu diesem Thema gelesen habe, erschien bei SPIEGEL-Online. „Kuba: Endstation Sehnsucht“ heißt er. Eine unverschnörkelte Analyse dessen, was in Castros Kuba war, ist und möglicherweise sein wird.

Als einer derjenigen, die sich der Faszination Kubas nicht entziehen konnten, habe ich die Insel mehr als ein halbes Dutzend Mal besucht und weiss nur zu gut, dass zwischen Havanna, Varadero und Cienfuegos nicht alles Zucker ist.

Traumhafte Kulissen zwar mit unvergleichlich schönen Stränden. Aber auch Armut, verfallene Straßenzüge und Trostlosigkeit, wie man sie auf einer karibischen Sonneninsel nicht vermuten würde.

Wenn in Kuba erst einmal die Hiltons, Burger Kings und McDonalds Fuß gefasst haben, wird es wohl bald schon vorbei sein mit dem tristen Charme, der bei jedem meiner Besuche wie ein Schleier über der Insel lag.

Schade eigentlich.

Hier finden Sie >>> meine persönlichen Erinnerungen an Kuba <<<

Dazu gibt’s noch eine >>> Bildergalerie mit Kuba-Impressionen <<<

Ab heute gibt’s Cuba Libre

banner_boysDas Aquarell im Banner (oben) hat Lore gemalt. Die Skizze ist am 20. Januar 1986 auf Kuba entstanden. Ein paar Jungs am Strand von Varadero, die davon träumen, irgendwann die Welt kennen zu lernen. Das war zu jener Zeit noch fast unmöglich. Seit heute gelten andere Bestimmungen. Vom 14. Januar 2013 an brauchen Kubaner für die Ausreise nur noch einen Pass und ein Visum des Ziellandes. Eine Sensation! Und ein schöner Anlass, auf die erste von vielen Kuba-Reisen zurück zu blicken.

Unsere Kuba-Premiere war spannend, exotisch und spottbillig. Bis zu unserer Ankunft in Varadero wussten wir nicht wirklich, wo wir eigentlich wohnen würden. Ein Montrealer Reiseveranstalter hatte die Mystery-Tour für wenig Geld angeboten. Warum, das wurde uns spätestens klar, als wir das Flugzeug betreten hatten.

Es war eine russische Maschine, die schon bessere Tage gesehen hatte. Aeroflot hattehavanna sie an die Kubaner ausgeliehen. Dass die Sicherheitshinweise für den Flug von Montreal nach Kuba handgeschriebe Zettel waren und als Fotokopien in der Tasche der Rückenlehne steckten, war verstörend genug. Dass aber irgendwann im Laufe des dreieinhalbstündigen Fluges erst der Kapitän, dann der Ko-Pilot aus dem Cockpit schreiten und die Passagiere in der Kabine mit dem weltmännischen Lächeln einer Airline-Crew begrüßen würden, gab uns Rätsel auf. Übrigens ein Rätsel, das bis heute nicht ganz gelöst ist. Ich vermute mal, dass die Cockpitbesatzung vor ihrem gemeinsamen Bordgang den Autopilot eingeschaltet hatte. Möglich auch, dass der Flugingenieur, der damals noch zur Crew gehörte, die Navigation übernommen hatte.

Was uns während des Fluges noch mehr beschäftigte als die Zusammenstellung der Cockpit-Besatzung war die Frage: Wer wird sich das Badezimmer mit uns teilen? Die Reise war auch deshalb so preisgünstig gewesen, weil wir uns auf diesen Deal eingelassen hatten: Ein mitreisender Hotelgast würde Klo und Dusche mitbenutzen. Allein die Tatsache, dass unser Hotel über ein funktionierendes WC und sogar eine Dusche verfügen würde, war zu jener Zeit alles andere als selbstverständlich.

Mit „Mister X“ im Flieger von Kanada nach Kuba

Kaum hatten wir die Flughöhe erreicht, begann das Rätselraten. Ist es die ältere Dame, der ich vorhin behilflich war, das Gepäck zu verstauen? Vielleicht die Blonde in der vorletzten Sitzreihe? Oder der coole Typ, der unmittelbar vor uns sitzt? Während wir uns so die Zeit zwischen Montreal und Varadero verkürzten, einigten wir uns gedanklich auf einen Mann, der einen Sitzplatz auf der anderen Gangseite belegt hatte. Lore und ich tauften ihn „Dr. X“. Er war von seinem ganzen Auftreten her kein großer Sympathieträger. Schlimmer noch: Der Arme war ganz offensichtlich mit einer fürchterlichen Erkaltung ins Flugzeug gestiegen, die wir uns gerne ersparen würden.

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Revoluzzer im Postkartenformat.

Es kam, wie es kommen musste: Er war es tatsächlich. Bei der Zuteilung der Zimmer in einem Gebäude mit kleinen Fenstern und baufälligen Wänden tauchte tatsächlich dieser Mann im Bad auf, den wir bereits während des Fluges gedanklich auf unsere No-Go-Liste gesetzt hatten. Möglich, dass unser Mitbewohner harmlos und vielleicht sogar nett war. Aber die Vorstellung, eine Woche lang mit einem Menschen das Badezimmer teilen zu müssen, für den uns kein besserer Namen eingefallen war als „Dr. X“, war Grund genug, um ein anderes Zimmer zu bitten.

Das war nicht einfach in Kuba, wo der Massentourismus noch in den Kinderschuhen steckte. Aber der Reiseleiter, ein kluger Kerl mit hervorragenden Deutschkenntnissen (Ossi-Vergangenheit) machte das Unmögliche möglich. Wir durften nicht nur ein anderes Zimmer beziehen, sondern sogar ein komplettes Haus. Unser neues Quartier war eine großzügige Unterkunft auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz, nicht weit vom Meer. Außer ein paar Geckos gab es keine Mitbewohner.

Zuckerinsel ohne Zucker

Ein Phänomen ist mir von unserem ersten Kuba-Besuch noch besonders gut in Erinnerung. Ausgerechnet auf der Zuckerinsel wurde mit Zucker geknausert. Zum Frühstückskaffee mehr als einen Würfel zu ergattern, war eine Herausforderung. Wie konnte das sein? Ganz einfach: Kuba braucht Devisen. Der Zucker wurde in großen Mengen exportiert. Für die Kubaner selbst blieben nur die Restbestände.

Unser erster Urlaub in Kuba mag bizarr gewesen sein, aber er ist bis heute unvergesslich. Man kann sich der Faszination dieser Karibikinsel schwer entziehen. Da ist auf der einen Seite ein entrechtetes Volk, das einen Führungsclan anhimmelt, der den Menschen seit Jahrzehnten verspricht, die allseligmachende Weisheit zu verkünden. Auf der anderen Seite regieren die Castro-Brüder Fidel und Raoul über einen Staat, der seinen Bewohnern das höchste Gut verwehrt, nämlich die Freiheit auszureisen.

Damit ist seit heute Schluss. Felicitaciones, Cubanos!

>> Hier gibt’s Fotos von unseren Aufenthalten in Kuba  <<

„Snowbirds“: Karibik statt Kälte

Im Januar wird der Kanadier zum Zugvogel. Er reist nach Florida und Mexiko, in die Dominikanische Republik, nach Kuba, Costa Rica oder auch Hawaii. Scharen von Rentnern verbringen den ganzen Winter im Süden. Normalsterbliche, die noch in Arbeit und Brot stehen, bleiben eine Woche oder auch zwei. Selten mehr, denn die meisten Kanadier müssen sich mit zwei bis drei Wochen Jahresurlaub begnügen.

Der Winter in Kanada, sieht man einmal von der Pazifikprovinz British Columbia ab, bedient jedes Klischee: Er ist lang, dunkel, kalt und teuer. Bei minus 25 Grad macht selbst eingefleischten Wintersportlern das Skifahren keinen Spaß. Wer kann, packt deshalb die Koffer und zieht den Singvögeln nach. „Snowbirds“ werden die Kanadier genannt, die das kalte Klima dick haben und lieber Sandburgen statt Iglus bauen.

Winter in Kanada ...

Unser früheres Vermieter-Ehepaar, ältere Leute, die nach dem Krieg von Thüringen nach Kanada ausgewandert waren, packte jedes Jahr pünktlich zu Weihnachten ihre Koffer. Im Auto legten sie dann die zweieinhalbtausend Kilometer von Montréal nach Miami zurück. Wir als Untermieter hatten dann jeweils das zweifelhafte Vergnügen, die steinerne Nofretete in unserer Wohnung aufzubewahren, Blumen zu gießen und Post nach Florida nachzuschicken. Zweimal haben wir unsere Vermieter in Miami besucht. Und waren erstaunt, mit wie wenig Komfort diese Menschen zufrieden waren, nur um dem kanadischen Winter entfliehen zu können.

Dafür aber hatten sie es immer herrlich warm. Sie konnten mit Dollars bezahlen wie zu Hause. Konnten ihre Geldgeschäfte in kanadischen Banken abwickeln und vertraute Lebensmittel im Supermarkt kaufen. Sie konnten ihre Sprache sprechen und kanadische Tageszeitungen druckfrisch lesen. Und wenn es dann unbedingt sein musste, fand sich immer ein Restaurant, das die Québecer Nationalspeisen „Poutine“ oder „Smoked Meat“ serviert – ganz wie daheim in Montréal. Ein bisschen ist North Miami Beach für viele Québecer wie Mallorca für Deutsche. Nur ohne Ballermann. Wobei auch der im Winter kein wirkliches Thema ist.

... und in Havanna

Auch wir haben viele Winter im Süden verbracht. Mit die schönsten Erinnerungen habe ich an Kuba. Wer nicht des Essens wegen in Urlaub geht, wird begeistert sein. Die kubanischen Strände in der Gegend von Varadero sind zauberhaft. Wem das Beachbum-Dasein zu eintönig wird, setzt sich in den Bus oder mietet ein Privattaxi, um sich nach Havanna kutschieren zu lassen. Der morbide Charme dieser Stadt fesselt jeden, der sich nach Exotik sehnt.

Von Québec aus sind die meisten karibischen Inseln so einfach zu erreichen wie die Kanaren von deutschen Flughäfen aus. Keine Frage: Die Karibik ist ein wunderbares Reiseziel, um Schneestürme, Eisregen und bitterkalte Kanada-Tage hinter sich zu lassen. Aber für uns, die wir seit 30 Jahren hier leben, hat die Faszination der Karibik gelitten. Vieles ist wie in Kanada. Nur mit Palmen. Wir haben uns deshalb neu verliebt. In Europa. Mallorca, wir kommen!

Eine Geschichte über Geschichten

Ich liebe Geschichten! Und ich mag Menschen mit Geschichten. Traurige, lustige, abenteuerliche, intime, infame, schöne Geschichten. Nur mit den Erzählern von Geschichten habe ich manchmal ein Problem. Ich lasse mir nämlich ungern einen Bären aufbinden. Die Münchhausens lauern an jeder Ecke. Und ihre Geschichten sind manchmal verdammt gut.

Eine  dieser Geschichten hat mir eine Kollegin vom Fernsehen erzählt. Die Geschichte sei wahr, behauptet sie. Schließlich sei sie dabei gewesen. Ganz ehrlich? Ich weiß bis heute nicht so genau, was ich von der Story halten soll. Sie geht so:

KÖLN – Die erste Geschichte: Abenteuer in Russland

Russland im Sommer: Ein deutsches Fernsehteam ist zu Gast in der Datscha eines hochrangigen russischen Bonzen. Das Interview ist abgedreht, alle sind zufrieden. Es wird gegessen und getrunken. Und getrunken. Und getrunken. Irgendwann hat auch der Härteste unter den deutschen Fernsehleuten genug und wagt “Njet!” zu sagen. Doch das Nein zum Weitersaufen kommt beim Gastgeber nicht gut an. Er solle gefälligst noch das vor ihm stehende Glas Wodka leeren, poltert der Russe. Andernfalls werde er sich ins Bein schießen. Die Drohung nützt wenig, der Deutsche kann einfach nicht mehr. Da nimmt der Russe ein Gewehr und schießt sich vor den Augen der entsetzten Gäste ins linke Bein. Dann geht er kurz auf die Toilette. Und danach schlafen. Helfen lassen will sich der Kauz in seinem Rausch nicht. Er schließt sich in seiner Schlafkammer ein. In der Nacht muss einer der deutschen Gäste aufs Klo. Dort bietet sich ihm ein bizarres Bild: Eine Beinprothese, durchsiebt von Gewehreinschüssen, ist gegen die Wand gelehnt. Klar: Der Alte hatte seine Gäste genarrt und sich mal wieder ins Holzbein geschossen.

Ob es eine wahre Geschichte ist, weiß ich bis heute nicht. Aber es ist eine gute Geschichte.

In einer Bar in Kuba habe ich einen Engländer kennen gelernt, der mir eine haarsträubende Geschichte erzählt hat. Sie geht so:

HAVANNA – Die zweite Geschichte: Tragödie in den französischen Alpen

Er sei Anwalt in London gewesen, behauptet Paul. Aber das sei schon eine Weile her, das war vor dem „fall from grace“. So nannte Paul den Sturz in eine 120 Meter tiefe Felsschlucht in den französischen Alpen. Es passierte irgendwo zwischen Val-d’Isère und St. Isidore. Sie waren Ski fahren gegangen wie jedes Jahr, Paul und seine Frau Cynthia. „Wir waren glücklich zusammen“, sagt Paul. Im Winter Skifahren in den Alpen, im Sommer Strandurlaub am Meer. Was willst du mehr? Sie wollten eine Verschnaufpause einlegen, Paul und Cynthia. Doch die Verschnaufpause veränderte ihr Leben.

„Der Beweis!“, sagt Paul und zieht ein zerknittertes Schwarzweißfoto aus der Hemdentasche. „Da stand ich“, sagt er und deutet mit seiner Klodeckelhand auf einen schwarzen Punkt auf dem Foto. „Und dort bin ich gelandet.“ Pech für Paul: Zwischen Stand- und Landepunkt liegen 120 Meter. Ein kleiner Fehltritt – und Paul rutschte aus auf dem Geröll, fiel kopfüber in eine Schlucht, etwa so tief wie der Abbey Tower hoch. Aber 120 Meter genügten, um aus dem promovierten Anwalt einen geistig angeschlagenen, körperlich versehrten Kuba-Touristen zu machen. Einer, der beim Mittagessen sabbert wie ein Kind und pupst wie ein argentinisches Rind. Nach dem Sturz lag Paul zweieinhalb Monate lang im Koma. Als er endlich aufwachte und in die Augen seiner Frau blickte, war ihm sofort klar: „Cynthia gehört nicht mehr mir“. Seine Ehefrau hatte ihn betrogen, während er im Koma war. Mit seinem behandelnden Arzt.

Irgendwann klingelt Pauls Handy. Der Mojito wird warm, die Cohiba kalt. Als er wieder an den Tisch der „Florales“-Bar zurück kommt, hat Paul Tränen in den Augen. „Er ist verrückt geworden“, sagt er. „Wer?“ „Mein Vater. Er ist 98 und hat gerade meinen Porsche zerlegt.“ „Deinen Porsche? Mit 98 Jahren?“ „Ja“, sagt Paul. „Den Führerschein haben sie mir damals abgenommen, an den Porsche kamen sie nicht ran.“ Den hatte Paul in der Garage seines Vaters versteckt. Dass der Alte den Porsche eines Tages zu Schrott fahren würde, damit hatte Paul nicht gerechnet. Und auch nicht damit, dass seine Frau Cynthia später den Arzt heiratete, der Paul das Leben gerettet hatte. Als Paul seine Geschichte zu Ende gebracht hat, sagt er: „A fucking crazy family, that’s what we are“.

Verrückt? Vielleicht. Lügner? Mag sein. Aber warum erfinden manche Leute eigentlich Geschichten? Wo doch nichts erregender ist als die Wahrheit. Das wusste schon die Reporter-Legende Egon Erwin Kisch. Auch so ein Geschichten-Erzähler.

MONTRÉAL – Die dritte Geschichte: 80 000 Dollar von der irischen Mafia

Wilde Geschichten passieren manchmal vor der Haustür. Erzählte mir neulich ein Typ in einer Kneipe in Montréal: Die irische Mafia sei hinter seinem Nachbarn her. Richtig netter Kerl. Familienvater. Rechtschaffend. Nachbar fand einen Umschlag im Briefkasten mit 80.000 Dollar. Für Kurierdienste. Die IRISCHE Mafia! Familienvater, lieber Kerl, rechtschaffend!

Wirklich? Das wäre dann wieder eine ganz andere Geschichte.