Tod eines Familien-Menschen

img_0891 (1)Scott ist tot. Nicht einmal 65 ist er geworden. Kein Jammern über die Schmerzen, die ihn zum Schluss geplagt haben müssen, kein Wehklagen über das, was das Schicksal ihm abverlangt hatte. „Courageously and peacefully“ sei er gestorben, textete uns Liane im Morgengrauen. Mutig und friedlich. Genau das war mein Freund Scott Ashford schon zu Lebzeiten.

Einer von denen, die die Schuld bei anderen suchen, war Scott nie. Er, der in jungen Jahren beim kanadischen Militär abenteuerliche Hubschrauber-Missionen mitflog, ertrug sein Schicksal wie einer, der immer wusste, wo sein Platz ist.

Schon bald wäre sein Platz auf dem Land gewesen, irgendwo im „Ottawa Valley“, das war sein Traum. Das Grundstück war bereits gekauft, das Haus schon bestellt. Das Heim in Hudson war zu groß für ihn und Liane geworden. Die Kinder waren längst flügge. Der Grillmaster freute sich wie ein Schneekönig auf die Abende beim Barbecue.

Jedes Jahr nach unserer Rückkehr aus Mallorca traf man sich zum Essen. Diesmal war alles anders. Man saß zwar beim Italiener in Lachine, am Ufer des St.Lorenz-Stroms. Aber Scott war nicht mehr Scott. Er hatte keinen Appetit, redete wenig. „Wird schon wieder“, sagt er. Nichts wurde wieder.

Nach dem Essen bestand er darauf, uns seine Geschichte zu erzählen. Er fuhr mit uns nach Pointe-St.-Charles, zeigte uns seine Schule, seine Kirche, sein Geburtshaus. Man könnte es Vorahnung nennen.

Als wir ihn vor drei Wochen in der Klinik besuchten, machte sich diese Seele von Mensch nicht etwa um sich und seine Krankheit Gedanken. Er redete vor allem über Liane und die Kinder.

Der letzte wahre Family Man, den ich kenne.

Es gab da vor ziemlich genau 20 Jahren meinen 50. Geburtstag, den wir mit ein paar Dutzend Leuten mitten im kanadischen Winter in einer Ahornzuckerfarm irgendwo im kanadischen Busch feierten. Man kennt diese Momente nach dem gemeinsamen Essen. Jeder ist satt, gesagt ist auch fast alles, getrunken schon jetzt mehr als genug. Eigentlich könnte man jetzt langsam ans Heimgehen denken.

Doch dann steht dieser Teddybär von Mann auf, ein Weinglas in der Hand, und fängt an zu erzählen. Wie wir plötzlich als die neuen Nachbarn bei ihm aufgetaucht seien. The Germans aus der großen Stadt – was sollte man von ihnen halten? Seine drei Mädels waren in Cassians Spielalter. Würden sie sich verstehen? Ja, man verstand sich auf Anhieb gut.

Als Scott seine kleine Rede beendet hatte, stand einer nach dem anderen auf, gab Anekdoten zum Besten und stieß auf den Jubilar an.

Ein Vierteljahrhundert wohnten wir Haus an Haus. Er, der alte Hase, wir die deutschkanadischen img_0867 Greenhorns. Wenn sich im Herbst das Laub der Ahornbäume auf unserem Grundstück kniehoch ansammelte und wir es kaum schafften, das Blättermeer ohne fremde Hilfe zu entsorgen, war Scott da. Saß auf seinem kleinen Trecker und pflügte mit dem Häcksler durch die Blätterberge – nicht selten einen Longdrink in der Hand.

Seine Nachbarschaftshilfe, aus der schon bald eine Freundschaft wurde, kannte keine Grenzen. Ob im Haus, im Garten oder vor dem Computer – Scott kannte sich aus.

Als ich vor vielen Jahren nach einem Filmdreh in Kanada an einem TV-Schnittplatz in der Nähe von Düsseldorf saß und mit Schrecken feststellte, dass uns die Hintergrundmusik fehlte, setzte sich Scott eine Nacht lang an meinen Rechner in Hudson, um von dort aus die fehlenden Töne per Schneckenübertragung mit analogem 56-K-Modem nach Deutschland zu senden.

Für mich war Scott Ashford der Inbegriff des guten Kanadiers: Er war sich für nichts zu schade, jammerte nicht rum, hatte immer Zeit, wenn er gebraucht wurde. Und er wurde oft gebraucht. Jahrelang jettete der Risiko-Manager einer IT-Firma als Experte um die Welt. Einmal rechnete er mir vor, er habe so viele Flugmeilen angesammelt, dass er und Liane ihren Lebensabend mit Bonusflügen bestreiten könnten. Aber auch daraus wurde nichts.

Als Scott irgendwann seinen Job verlor, weil outgesourct wurde, zog er sich nicht etwa in sein Schneckenhaus zurück und schmollte. Er handelte. Statt dem Nadelgestreiften streifte er sich eben jetzt den Blaumann über und fing an, Swimmingpools zu warten. Er putzte für die Leute im Dorf die Becken, reparierte die Umwälzpumpen und informierte sich, wie viel Chemie ins Wasser muss, damit der PH-Wert stimmt.

Als er im Spätherbst vorigen Jahres schon deutlich vom Krebs gezeichnet war, tuckerte er noch immer mit seinem Pickup-Truck zu seinen Pool-Kunden. Schließlich hatte er ihnen versprochen, ihre Schwimmbäder ordnungsgemäß winterfest zu machen.

Für seinen eigenen Swimmingpool in Hudson hatte es nicht mehr gereicht. Der Family Man war einfach zu beschäftigt. Dann wurde er immer schwächer.

R.I.P. Scott Ashford

Der Bub vom Dorf wird zum Star

mattbannerWenn Blogleser über eine Suchmaschine auf dieser Seite gelandet sind, lässt WordPress mich das netterweise immer wissen. In den letzten Tagen fiel auf, dass ungewöhnlich viele User den Suchbegriff „Mathieu Holubowski“ eingegeben hatten, ehe sie den Weg zu den Bloghausgeschichten fanden. Kein Wunder: Mathieu, den wir seit seiner Kindheit kennen, ist auf dem Weg zum Star.

Bei „La Voix“, der frankokanadischen Version von „Deutschland sucht den Superstar“ hat Mathieu die Nase plötzlich ganz weit vorn. Die Jury war von seinem Auftritt begeistert, die Konkurrenz spielte und sang er mit einer beeindruckenden Leichtigkeit an die Wand.

Mathieu, Matt, Matthew oder auch Ogen, wie er sich nennt, ging mit Cassian zur Schule, wir wohnten damals im selben Dorf, 40 Kilometer außerhalb von Montreal. Seine ersten Griffe auf der Gitarre brachte sich Matt in unserem Wintergarten bei, ich erinnere mich noch genau. Auch daran, wie er bei Wind und Wetter, Gitarre auf den Rücken geschnallt, mit dem Fahrrad von Hudson in das Städtchen Dorion fuhr, um Gitarrenunterricht zu nehmen.

Schon bald gab es nichts mehr, was diesen sympathischen Kerl stoppen könnte.

Erst kamen kleinere Gigs in lokalen Bars, dann wurden die Säle größer. Es folgten die Vorstellung seiner ersten CD.

Dass Mathieu, aufgewachsen im kanadischen Hudson, gerade durch Ägypten reiste, als ihn das gewaltige Medienecho seines Fernsehauftritts erreichte, passt zu ihm. Sein Traum, erzählte er mir neulich noch, sei es, seine beiden Leidenschaften  unter einen Hut zu bringen: Musik und Reisen.

Bald könnte er es geschafft haben. Irgendwo am Horizont wartet seine erste Welttournee auf den netten Bub vom Dorf.

Unsere Freundin Marga ist tot

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Trauer im Bloghaus: Am Montagabend ist unsere Freundin Marga gestorben. Sie wurde nur 93 Jahre alt. „Nur“, weil es immer zu früh ist, wenn gute Menschen gehen. Und Marga war einer der besten Menschen, die ich kenne. Kaum jemand hat während unserer Kanada-Zeit mein Herz und das meiner Familie mehr berührt als Marga.

Ihr Gesicht kannte ich schon, noch ehe wir uns zum ersten mal begegneten. Im Fernsehen war mir eine Frau mit deutschem Akzent aufgefallen, die energisch, aber eloquent die Erweiterung einer Kiesgrube in der Nähe ihres Hauses bemängelte. Das war vor 26 Jahren. In dem TV-Interview ging es, typisch für Marga, in erster Linie nicht um ihre Person, die sich an den Schaufelbaggern und Grasnarben störte, sondern um die Tiere. Waschbären, Eichhörnchen, Vögel – ihr Lebensraum würde durch den nunmehr größeren Kiesplatz noch weiter eingeschränkt werden. Und das gehe ja gar nicht. Wenige Jahre nach Margas Protestaktion wurde aus der Kiesgrube ein Golfplatz.

Später ist Marga unsere Nachbarin auf dem Land geworden. Schon bald wurden wir Freunde und sahen uns fast täglich. Unsere Leben ergänzten sich auf wunderbare Weise. Sie, die lebenskluge, ältere Dame aus Berlin, die ihrem Gastland Kanada stets kritisch, immer wissend und meistens positiv gegenüber stand. Wir, die Neueinwanderer aus dem Schwäbischen, die Kanada erst noch begreifen mussten.

Marga war die gute Seele von Hudson Acres. Zu Kindergeburtstagen trug sie, die kinderlos geblieben war, stets mit erlesenen Torten und Kuchen bei. Bei Erwachsenenfesten zeigte sie noch im hohen Alter Durchhaltevermögen. Ihr Gläschen Sherry ließ sie sich nicht nehmen. Ihr Kleidungsstil war so erlesen wie ihr Charakter. Auch bei minus 30 Grad stapfte sie noch wie aus dem Ei gepellt durch Eis und Schnee.

Gartenfest zu Margas 90. Geburtstag.

Gartenfest zu Margas 90. Geburtstag.

Einer der Höhepunkte unseres gemeinsamen Lebens auf dem Land war ihr 90. Geburtstag, den wir vor drei Jahren auf unserem Grundstück in Hudson Acres für sie ausrichteten. Alle ihre Freunde kamen, um ihr an den blumengeschmückten Tischen die Ehre zu erweisen. Nachbarn warteten zu ihrem Festtag mit einem kleinen Violinkonzert auf. Ein Geistlicher segnete die Speisen. Ein Freund hatte ein Lied für sie umgetextet. Es war fast zu viel der Ehre – für Margas Geschmack.

Anders als wir, war Marga tief religiös. Auch dieser Gegensatz stand unserer Freundschaft nicht im Weg. Im Gegenteil, er beflügelte unsere Leben gegenseitig. Unser Sohn fand in Marga eine intellektuelle, kultivierte und oft streitbare Komponente, die ihm bei manchen Fragen besser weiterhelfen konnte als seine eigenen Eltern. Mit ihrer großartigen Herzensbildung war es ihr stets ein Leichtes, andere Herzen zu berühren.

Noch vor zwei Wochen stattete Cassian Marga einen Besuch in ihrem weißen Hexenhäuschen im Wald ab, das sie bis zum Schluss allein bewohnte und bewirtschaftete. Sie hatte – mit 93 Jahren! – ein dreigängiges Menü für ihn zubereitet. Und: Sie fuhr noch immer Auto, bis zum letzten Tag. Dabei konnte sie der Rosenkranz, der stets vom Rückspiegel baumelte, auf ihrer allerletzten Fahrt am vorigen Samstag nur bedingt beschützen.

Dass Marga jetzt schnell und ohne Leiden gehen durfte, sehen wir, die wir sie lieben und verehren, als das letzte Geschenk, das ihr zuteil werden konnte. Auch die Art und Weise, wie sie zu Tode gekommen ist, passt in das Leben dieser ungewöhnlichen Frau:

Sie hatte auf dem Rückweg von einem Besuch bei einer Freundin im Dorf in ihrem Toyota einen Schlaganfall erlitten. Während fünf andere Autofahrer Blechschäden zu beklagen hatten, blieb Marga unverletzt. Ihr Schutzengel machte selbst da noch Überstunden.

Knapp 48 Stunden später ist sie nun an den Folgen des Schlaganfalls im Krankenhaus verstorben. Wir vermissen sie sehr.

Umzug: Achterbahn der Gefühle

Kanadier sind ein mobiles Volk. Sie ziehen in ihrem Leben durchschnittlich zwölf Mal mal um. Wenn diese Statistik stimmt, wundere ich mich, dass die meisten Kanadier, die ich kenne, noch ganz bei Trost sind. Wir sind gerade dabei, zum erstenmal seit 25 Jahren den Wohnort zu wechslen. Und kommen manchmal an die Grenzen unserer Zurechnungsfähigkeit.

Garten war gestern

Das Haus auf dem Land ist verkauft, das neue Domizil in der Stadt wartet bereits auf uns. Ein Klacks, könnte man sagen, wo ist das Problem?

Wenn das Haus zum Heim wird

Das Problem ist, dass sich ein Haus, das zum Heim geworden ist, nicht abschütteln lässt wie ein Schwarm lästiger Moskitos. Da kochen plötzlich Emotionen hoch, die ich bisher gar nicht kannte. Es sind sehr persönliche Emotionen. Sie haben mit dem Elternhaus des Sohnes zu tun und mit Tausenden von Korrespondenten-Beiträgen, die hier entstanden sind. Sie führen hin zu Lores Kreativwerkstatt, in der jede Menge Bilder gemalt wurden, die nicht nur Hunderte von Erinnerungen festhielten, sondern auch viele Räume schmückten. Und weil es im neuen Loft nur vier Wände gibt und nicht wie bisher ein Dutzend Zimmer, dazu Sauna, Whirlpool und vier Bäder, wird ein Tel der Kunst wohl künftig ins Blockhaus wandern und den Enten beim Brüten auf dem Lac Dufresne Gesellschaft leisten. Rambazamba war gestern.

Die alten Hasen gehen, die jungen Küken kommen

So ist unser beschauliches Leben plötzlich zur Achterbahn geworden. Was nehmen wir mit? Was kommt in den Müll. Brauchen die neuen Besitzer das Klavier? Passt das Apothekerschränkchen vom Flohmarkt überhaupt noch in die neue Loft? Fragen über Fragen. Und alle müssen bald beantwortet werden, denn die Zeit drängt. Der Notartermin steht fest, die junge Familie, die das Haus der alten Hasen gekauft hat, steht in den Startlöchern. Mit Hund und zwei kleinen Kindern und einem noch kleineren im Bauch. Stephanie und Mark, die hier unsere Nachfolge antreten werden, sind heute genau so alt wie wir damals, als wir in Hudson eingezogen sind. Mit vielen Träumen, die auch wir damals hatten. Und die sich, so ganz nebenbei, fast alle erfüllt haben.

Fabrikloft ist heute

Noch nervzehrender als das Möbelrücken ist jedoch dieses Hütchenspiel mit den Gefühlen. Ist es nicht verrückt, 4000 qm Land mit Teich, Wald und Wiese einzutauschen gegen eine Terrasse, auf der gerade mal unser Smart Platz hätte? Und ein Haus, in dem sich eine Fußballmannschaft breit machen könnte, wird ersetzt durch einen ehemaligen Fabrikraum, mit einer Nasszelle als Kubus in der Mitte, auf den eine Treppe in eine Art Schlafgemach führt? Ein Glück, dass es dazu noch eine Gemeinschafts-Dachterrasse mit Pool gibt, ein Fitness-Centre und einen Billiardraum für alle. Und jede Menge Kneipen drumherum. Cool, ja. Aber vernünftig? Egal. Wir haben uns vorgenommen, unser Leben umzukrempeln, noch mobiler zu sein als bisher. Verkleinern statt vergrößern. Wir sind dann mal weg.

Downsizing statt Upgrading: Tschüss, Pampa!

Was ist mit dem Urteil des Vaters, der, damals 80 Jahre alt, im Garten unseres Noch-Hauses sitzt und ungefragt bestimmt: „Das Haus bleibt in der Familie!“ Gerne, lieber Vater, wo immer du gerade mitliest. Nur: Die Familie ist inzwischen verstreut, das Haus zu groß und überhaupt passt der Standort Pampa nicht mehr in unsere Lebensplanung. Downsizing statt Upgrading. Mehr Mallorca. Wir wollen es so.

„Alles wird gut“, beruhigt mich – und sich – die Frau an meiner Seite. „Ihr macht schon alles richtig“, spricht der Sohn uns – und sich – gut zu. „Gratuliere zum Mut!“, schreibt Frank, der Freund. Auch Philipp, der Klügste von uns allen, spart nicht mit Balsam auf unsere geschunden Seelen. „Das Haus verkauft ihr”, schrieb er vor fünf Minuten, “aber die ganzen Erinnerungen an Eure gemeinsame Zeit nehmt ihr mit”.

Danke, Philipp. Danke, Frank. Inzwischen rast die Achterbahn der Gefühle unvermindert weiter. In eine wunderbare Zukunft. Hoffe ich.

Mit dem Auto über den See

Bibberkälte sagen Sie? Minus 25 Grad gelten zwar auch in Kanada nicht gerade als T-Shirt-Wetter. Aber so richtig Gesprächsstoff würden Temperaturen, wie sie in Deutschland zurzeit herrschen, bei uns nicht bieten. Winter ist hier eben doch mehr als eine Jahreszeit. Es ist ein Lebensgefühl, aus dem jeder das Beste macht. Und wenn es dem Kanadier zu wohl wird, dann geht er eben aufs Eis.

Das Dorf, in dem ich wohne, liegt am Lac des deux Montagnes. Dreimal so groß wie der Starnberger See, etwa 43 Kilometer lang und bis zu zehn Kilometer breit. An der tiefsten Stelle geht’s 40 Meter runter. Im Sommer tuckert eine Fähre über den See von Hudson nach Oka. Im Winter gibt’s eine Eisstraße. Wer auf der anderen Seite des Lake of Two Mountains arbeitet oder seinem Freizeitvergnügen nachgeht, spart ein bis zwei Stunden ein, wenn er statt dem Highway den Wasserweg oder die Eisstraße nimmt. Die Ice Road ist in privater Hand und wird von der gleichen Familie betrieben, die im Sommer auch den Fährverkehr organisiert. Eine Überquerung kostet sechs Dollar. Nervenkitzel inklusive.

Eishütte auf dem Lac des deux Montagnes

Meine erste Fahrt über den zugefrorenen Lake of Two Mountains war gespenstisch. Der Wind hatte den Schnee auf dem See durcheinander gewirbelt. Ich hatte Mühe, den Wagen zwischen den aufgesteckten Tännchen zu manövrieren, die als Orientierung dienen. An manchen Stellen herrschte pures Glatteis. Ein paar Meter weiter hatten sich Schneewehen aufgebaut. Das ist nicht gut. Der Schnee isoliert. Das kann dazu führen, dass das Eis selbst bei arktischen Temperaturen brüchig wird. Je weniger Schnee auf dem Eis liegt, desto härter die Eisschicht.

300 Fahrzeuge legen täglich die zwei Kilometer lange Eisbahn von Hudson nach Oka zurück: Pkw, Motorschlitten, sogar tonnenschwere Lastwagen. Solange die Eisschicht mindestens 35 Zentimeter dick ist und seit Tagen kein Tauwetter herrschte, gilt der Verkehr auf dem zugefrorenen See als sicher. Kein Problem: Mitten im tiefsten Winter wächst die Eisschicht auf einen Meter an und mehr.

Fischerdorf auf dem Eis. (Sainte-Anne-de-la-Parade/Québec)

An einer anderen Bucht des Lake of Two Mountains ein völlig anderes Szenario. Dort hat sich ein kleines Dorf gebildet, bestehend aus kleinen Holzhütten. Darin verbringen Eisfischer den Tag, die Nacht oder auch das Wochenende. In der Hütte stehen Tisch, Stuhl und manchmal auch Bett. Vor allem aber steht dort ein Holzofen, damit es die Fischer gemütlich haben. Vor dem Häuschen hat der Fischer Löcher durchs Eis gebohrt. In jedem Loch hängt eine Angelschnur, die mit einer galgenartigen Holzkonstruktion verbunden ist. Hat ein Fisch angebissen, senkt sich der Galgen nach unten. Jetzt bequemt sich der Fischer, der das Schauspiel von seiner Hütte aus beobachtet hat, nach draußen und nimmt den Fisch von der Leine.

Eisfischer, die etwas auf sich halten, servieren den fangfrischen Fisch in der Bratpfanne überm Holzofen. Dazu gibt’s Baguette. Und viel Bier.