Der Traum vom großen Abenteuer

Hand aufs Herz: Bestimmt haben Sie auch schon mal davon geträumt, alles stehen und liegen zu lassen und einen Neuanfang zu wagen: Neue Stadt. Neue Wohnung. Neuer Job. Neues Land. Träume sollte man sich erfüllen, ehe es zu spät ist. Genau das hat der Montréaler Jean Beliveau getan. In elf Jahren hat er 64 Länder durchwandert und dabei 75 000 Kilometer zurückgelegt.

Dass der Blogpost vom 18. Oktober 2011 von all meinen Geschichten bisher am häufigsten angeklickt wurde, ist kein Zufall. An diesem Tag war hier von Jean Beliveau die Rede. Von einem Mann, der sich einen Traum erfüllt hat.

Träume sind relativ. Ein befreundeter Kollege, dem ich von unserem Mallorca-im-Februar-Traum erzählt hatte, mailt mir eben zurück: „Palma klingt reizvoll … aber im Winter?“ Er  hat auch gleich die Antwort auf seine Frage: „Na gut, ich weiß nur zu genau, wie verschieden Interessen und Vorlieben sind!“ Der Kollege weiß es wirklich. Er stammt aus Nürnberg und lebt seit vielen Jahren auf Gomera. Diesen Traum hat er sich irgendwann erfüllt. Was er nicht weiß, ist, wie sich Kanada im Winter anfühlt. Dagegen ist Februar in Palma wie Hochsommer. Für uns ein Traum.

Auch in Honolulu gibt es Alltag

Der eine träumt davon, als 65-Jähriger mit Rockerbraut und Harley durchzustarten. Die andere wünscht sich nach einem hektischen Stadtleben endlich Ruhe und Geborgenheit auf dem Bauernhof. Mein eigener Traum war es schon immer, als Reporter im Ausland zu arbeiten, zu reisen und Abenteuer zu erleben. Diesen Traum habe ich mir vor 30 Jahren erfüllt. Und bin damit glücklich. Hätte ich den Sprung nicht gewagt, müsste ich womöglich das Schicksal Vieler teilen und einer verpassten Gelegenheit nachtrauern. Und trotzdem: Irgendwann holt einen der Alltag wieder ein. Auch in Honolulu, Timbuktu oder Montréal.

Der Steuerberater tingelt als Stepptänzer um die Welt

Vor Jahren habe ich in einer Kneipe in San Francisco einen nicht mehr ganz jungen Schweden kennengelernt. Er hatte sich auf seine Art einen Traum erfüllt. Er reiste gerne, mochte Musik und liebte es, unter Menschen zu sein. Also bastelte er sich ein Holzbrett, kaum großer als ein Quadratmeter, ließ seine Stiefel mit Schuheisen behämmern und zog als Stepptänzer von einer Kneipe zur anderen, von einem Land ins andere, von einem Kontinent zum nächsten. Ehe er vor vielen Jahren auf Tour ging, sagte er mir, sei er Steuerberater gewesen.

Menschen, die ein Leben lang ihren Träumen nachhängen, schieben als Entschuldigung oft familiäre Umstände vor. Zu Unrecht, wie ich finde. Bei entsprechender Planung ist vieles auch als Familie möglich.

Exotik mit Eigenheim und Kindern

Deutsche Freunde von uns leben in Alaska. Auf den ersten Blick ganz bürgerlich. Mann: Ingenieur. Frau: Uni-Professorin. Zwei Kinder, Eigenheim. Und doch kenne ich kaum Menschen, die – in meinen Augen – ein exotischeres Leben führen als Silke, Felix und die Kleinen. Sind sie nicht in Alaska, segeln sie um die halbe Welt. Oder wohnen monatelang bei kubanischen Familien und helfen in der Landwirtschaft mit. Oder bauen in der Tundra Blockhütten als erschwingliche Behausungen für Wohnungssuchende. Auf mich machen sie einen überaus glücklichen Eindruck. Ich bin fast sicher, sie leben ihren Traum.

Und Sie?

Der Mann mit zwei Traumjobs: Flugkapitän und Journalist

Journalist wollte ich schon immer werden. Hätte ich mir diesen Lebenstraum nicht erfüllt, wäre ich auf Plan P umgestiegen: Pilot. Ein Freund von mir hat sich beide Träume erfüllt. Er war „Stern“-Reporter und SWF3-Moderator. Jetzt ist er Airbus-Kapitän bei der Lufthansa. Heute treffen wir uns mal wieder in Montréal.

Vor ein paar Stunden saß er mir noch beim Thailänder gegenüber. Eben dann die SMS: Er hat inzwischen Platz im Cockpit genommen. LH 475. Rückflug nach München. In Montréal war er nur eine Nacht. Wieder einmal. Die Stadt meines Herzens fliegt er häufig an. Joerg liebt Montréal. Er würde gut hierher passen. Ein Kerl, knorrig wie ein kanadischer Ahornbaum. Warum sehen Piloten eigentlich immer aus, wie sich Hänschen Piloten vorstellt? Ein Gesicht voll gelebtes Leben. Es gibt Frauen, die träumen von solchen Männern. Ich träume von der Karriere, die dieser Mann hingelegt hat.

Einsatz in Harlem: Als 24jähriger Reporter unterwegs mit der Feuerwehr

Mit gerade mal 24 ging er für den „Stern“ nach New York. Für eine Reportage über Feuerwehreinsätze in Harlem. Es war die Zeit, als dort viel „heiß saniert“ wurde. Die Firefighters kamen nicht zur Ruhe. Tag und Nacht im Einsatz. Genau wie Joerg, der rasende Reporter.

Einsatz bei SWF 3: Toller Journalist mit geiler Stimme

Vorher schon hatte er beim Südwestfunk angedockt. SWF3 war damals die erste Radio-Adresse für die meisten Jugendlichen in Deutschland. Mit diesem Sender bin ich groß geworden. Und mein Kumpel Joerg hinterm Mikro. Wahnsinn. Mehr geht nicht, wenn du jung bist, eine geile Stimme hast und reden kannst wie ein Weltmeister. Wir hatten damals viel miteinander zu tun. Ich lieferte für Joerg die Korrespondenten-Beiträge aus Kanada und Alaska. Er moderierte sie an.

Einsatz Cockpit: Seine Bordansagen klingen noch immer wie damals beim Radio

Toll reden kann Joerg noch immer. Aber er sitzt jetzt nicht mehr im Rundfunkstudio, sondern im Cockpit. Von dort aus macht er die Bordansagen. Er ist Kapitän geworden. Bei der Lufthansa. Im Airbus A 340. Ein Kollege war zufällig mal auf einer Maschine, als Joerg das Kommando im Cockpit hatte: „Seine Bordansagen klingen noch immer wie damals bei SWF3“. Nur: Jetzt interviewt Joerg nicht mehr Popstars und Politiker. Er kündigt Sonnenuntergänge und Windgeschwindigkeiten an. Lebt immer noch sein pralles Leben.

Einsatz weltweit: Schanghai, Rio, Alaska, Montréal …

Joerg fliegt nur noch Langstrecken. China. Indien. Südamerika. Kanada. Neulich hat er seinen Sohn mit nach Alaska genommen. Zum Fischen. Zwei Brummer von Lachsen hat der Kleine aus dem Fluss gezogen. Da strahlt der Papa.

Tolles Leben? Schon. Jetlag? Klar. Aber da muss ein Käpt’n durch. Noch Träume? Ja. Weniger fliegen. Mehr Zeit für den Sohn. Und regelmäßiger Schlaf.

Mein Mitleid für meinen Kumpel hält sich in Grenzen. Zwei Traumjobs in einem Leben – wer hat das schon? Und ich dachte, ich hätte den Sechser im Lotto gezogen. Merke: Steigerungsmöglichkeiten gibt es immer.

Die schönste Sache der Welt

Nein, nicht das. Und auch nicht Fußball. Radio. Ich liebe Radio! Das mag aus der Tastatur eines Internet-Junkies seltsam klingen. Aber es ist so. Keiner versteht es besser, den Duft der großen, weiten Welt appetitlicher zu verströmen als der gute, alte Rundfunk. Die schönsten 25 Jahre meines Journalisten-Lebens habe ich als Hörfunk-Korrespondent verbracht.

Reporter Zimmermann

Angefangen hatte alles am 4. Juli 1954. Vater, Mutter, Brüder, Schwester saßen um ein Stehlampen-Tischchen herum, das mit Schachbrett-Intarsien eingelegt war. Darauf ein Röhrenradio der Marke Loewe-Opta. Als der legendäre Sportreporter Herbert Zimmermann „Das Spiel ist aus!!“ schrie, war Deutschland Weltmeister, meine Familie aus dem Häuschen und ich ein Radiofan. Von diesem Moment an spielte der Rundfunk eine große Rolle in meinem kleinen Leben. Wer mit seiner Stimme so viel Stimmung erzeugen kann, muss entweder Magier oder Rundfunkreporter sein. Über das Zaubern reden wir später. Heute ist das Radio dran.

Mit vierzehn rief ich bei der Sendung „BeatClub“ an und bat den Moderator, einer Mitschülerin meine Liebeserklärung ins Mikrofon zu säuseln. Eigentlich eine überschaubare Herausforderung. Trotzdem machte er seine Sache nicht besonders gut. Eine Antwort kam nie. Schlimmer noch: Am nächsten Tag sah ich Carla händchenhaltend mit Otto im Biberacher Stadtgarten.

Eigentlich hätte mir der Rundfunk von da an gestohlen bleiben können.

Manchmal schwieg bei uns das Radio. Karfreitag war so ein Tag. Da blieb der Loewe-Opta stumm. Oder wenn mal ein Papst gestorben war. Da herrschte in unserem Haus Musikverbot.

Lichtjahre später dann mein erster Auftritt im Radio. Mein Freund Frank aus Köln war es, der mir eine Tür zum schönsten Medium der Welt geöffnet hatte. „Wer schreiben kann, der kann auch reden“, war Franks Devise. Als Moderator bei SWF3 hatte er gut reden. Ich hatte bisher nur für Zeitungen aus Kanada berichtet. Livebeiträge im Radio? Unvorstellbar. Aber es passte.

Beim ersten Mal noch scheu und mit nassen Händen. Beim zweiten Mal bereits mit beherzter Stimme. Beim dritten Live-Gespräch ging es dann auch schon richtig zur Sache. Sehr gut gefiel mir beim Radio immer die Absage des Moderators: „Live aus Kanada unser Korrespondent Herbert Bopp“. Hoffentlich hört Vater zu. Oder das Mädel vom Biberacher Stadtgarten. Am besten beide.

Dass die Arbeit beim Radio uneitel macht, behauptet keiner.

In der Zwischenzeit sind mehr als zehntausend Hörfunkbeiträge zusammen gekommen. Wenn ich demnächst für einige Zeit unterwegs sein werde und der Blogger Pause macht, darf meine Radiozeit noch einmal hochleben. Einige meiner Korrespondenten-Themen können Sie dann im Blog nachlesen. Zunächst gibt’s nur den Text. Irgendwann vielleicht auch die Audioversion. Und damit zurück ins Studio.

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