Abenteuer: „Into the Wahnsinn“

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Copyright: Spiegel-Online (Screenshot)

Spiegel-Online bringt heute eine Geschichte, die bei mir viele Erinnerungen weckt. Drei Deutsche, zwischen 19 und 21 Jahre alt, sind in Alaska vom Hochwasser eingekesselt worden. Eine Hubschrauberbesatzung musste sie schließlich retten. Die Touristen hatten die Stelle aufgesucht, an der in den 90er-Jahren ein Abenteurer namens Christopher McCandless tot aufgefunden worden war.

Die Location kenne ich gut. Ich habe sie besucht, als ich vor 21 Jahren eine Reportage für den PLAYBOY darüber geschrieben habe. Eine Art „Making Of“ gab’s in einem früheren Blogpost.

Ein Trapper hatte Christopher McCandless in einem ausrangierten Bus der Stadtbetriebe von Fairbanks entdeckt – irgendwo in der Wildnis. Wie jetzt die drei Deutschen, so war auch Christopher McCandless vom Hochwasser eingekesselt worden. Für ihn gab es keine Rettung.

Der Reportereinsatz von damals war der wohl spannendste meiner Korrespondentenzeit. Die Spurensuche für den “PLAYBOY” führte mich quer durch Amerika und endete im Bundesstaat Alaska.

Jahre später nahm sich Hollywood des Themas an. Daraus wurde der meiner Meinung nach grandiose Film “Into The Wild” von Sean Penn.

Hier geht’s zur Reportage: „Für den PLAYBOY in Alaska“

Tod eines Abenteurers

Faszinierende Geschichte in „eines tages“, der heutigen Ausgabe von SPIEGEL-Online: Es ist die Geschichte von Christopher McCandless. Ein Trapper hatte die Leiche des 24jährigen Aussteigers vor genau 20 Jahren im Busch von Alaska entdeckt  – in einem ausrangierten Stadtbus der Verkehrsbetriebe von Fairbanks.

Unmittelbar nachdem McCandless tot in Alaska aufgefunden worden war, ging ich als Reporter für den „Playboy“ auf eine mehrwöchige Spurensuche durch die USA. Es wurde eine der faszinierendsten Reisen meines Lebens. Eine Art „making of“ gab’s vor einigen Monaten in diesem Blogeintrag.

Jahre später schrieb Jon Krakauer ein Buch über Leben und Tod des Amerikaners, der sich „Alex“ (nach seinem Vorbild Alexander des Großen) nannte. Mit „Into The Wild“ ist Sean Penn  2007 ein großartiger Film gelungen.

Schlittenrennen für harte Hunde

Sie frieren? Trösten Sie sich, schlimmer geht immer. Beim, neben dem „Iditarot“, härtesten Schlittenhundrennen der Welt, dem „Yukon Quest“, gelten minus 25 Grad als geradezu ideal. So kalt war es jetzt beim Start. Auf der 1600 Kilometer langen Strecke zwischen Whitehorse (Yukon) und Fairbanks (Alaska) kann das Thermometer schon mal auf minus 50 Grad absacken.

Eis und Schnee und klirrende Kälte – so mögen es Schlittenhunde am liebsten. Ideale Bedingungen also beim diesjährigen “Yukon Quest“. Zwischen zehn und 16 Tage sind die 22 „Musher“ mit ihren Gespannen unterwegs. „Musher“, das sind die Schlittenhundführer, die am Wochenende in Whitehorse an den Start gingen.

Yukon Quest: 1600 Kilometer von Whitehorse nach Fairbanks.

Die beschwerliche Strecke führt durch Wälder, über Gebirgszüge und riesige, zugefrorene Seen. Für Hundeschlittenführer aus aller Welt ist der Yukon-Quest der Härtetest schlechthin.“Dog-Sledding” mag unter Tierschützern verrufen sein, im Norden Kanadas und Alaskas ist es für viele mehr als ein Hobby: Es ist ein Broterwerb.

Im Yukon habe ich in der Tagish Wilderness Lodge vor Jahren den Schweizer Beat Korner kennen gelernt. Er ist einer von denen, die den „Yukon Quest“ erfolgreich hinter sich gebracht haben. (Das Bannerfoto oben zeigt ihn am Ziel). Seine Huskys bedeuteten ihm alles. Jahraus, jahrein hat er sene Schlittenhunde trainiert, gehegt und gepflegt, um sie – und sich – für das große Event fit zu machen.

Beat Korner lebt übrigens nicht mehr im Yukon, sondern in British.Columbia. Seine Frau Jacqueline ist 2008 überraschend auf Maui (Hawaii) verstorben. Kurz darauf hat Beat seine wunderschöne Lodge verkauft. Vom Schnee hat er aufs Wasser umgesattelt. Heute arbeitet er weltweit als Tauchlehrer. Hier geht’s zu meiner Reportage über Beat Korner und andere Europäer, die es in den Yukon verschlagen hat.

Beat Korner mit Husky

Für den Sieger: Geld und eine Handvoll Gold

Das Schlittenhundrennen zwischen dem Yukon und Alaska hat Geschichte: Noch bis in die fünfziger Jahre hinein wurden Medikamente per Hundeschlitten in die abgelegenen Inuit-Siedlungen des Nordens transportiert – und zwar genau auf dem Pfad, den jetzt die Teilnehmer des “Yukon Quest” befahren. Doch anders als damals geht es heute auch um Geld: Der Gewinner des Rennens erhält 35-tausend Dollar. Und eine Handvoll Goldstaub.

Erinnerungen an die Exxon Valdez

Die Bilder von der „Costa Concordia“ erinnern mich an Alaska. Am 24. März 1989 war die „Exxon Valdez“ auf ein Riff geprallt. Auch damals gab es heftige Vorwürfe gegen den Kapitän. Er lag betrunken in seiner Koje, als sein Öltanker die bis dahin schlimmste Umweltkatastrophe der amerikanischen Geschichte verursachte. Jahre später habe ich den Unglücksort an der Küste von Valdez erneut besucht. Hier ist mein Bericht:

Für die Inupiat-Indianer von Alaska ist der 24. März 1989 “der Tag, an dem das Wasser starb”. Für den Rest der Welt ist und bleibt es der “schwarze Karfreitag”. Eine Katastrophe mit bis dahin fast unermesslichen Ausmaßen hatte sich vor der Küste von Alaska ereignet: Kurz nach dem Verlassen des Hafens war der Suptertanker “Exxon Valdez” mit voller Kraft auf ein Riff geprallt. 42 Millionen Tonnen Rohöl flossen ins Wasser. Die Folge: 250-tausend Seevögel, rund dreitausend Seeotter, 300 Seehunde und 250 Adler verendeten nach der Umweltkatastrophe.

Tonnenweise ölhaltiger Fels musste abgetragen werden

Küste von Valdez – Foto: noaafisheries

Auf den ersten Blick könnte man glauben, der Schwarze Karfreitag vom März 1989 sei spurlos an der Küste von Alaska vorbeigegangen. Die Häuser rund um die Bucht von Valdez wurden frisch getüncht. Und auch an den felsigen Stränden erinnert kaum noch etwas an die Tankerkatastrophe. Da mal eine verklebte Vogelfeder, dort ein öl-verkrusteter Stein – die Säuberungstrupps haben gute Arbeit geleistet. Tausende von Menschen waren damit beschäftigt, die Spuren der Ölpest zu verwischen. Stein für Stein musste damals vom Boden aufgehoben und mit Putzlappen abgerieben werden. Tonnenweise ölhaltiger Felsen wurde von der Küste abgetragen. Der Exxon-Konzern hat sich die Säuberung damals mehr als zwei Milliarden Dollar kosten lassen.

Lachse mit Tumoren, so groß wie eine Zitrone

Bis heute steht nicht eindeutig fest, ob nicht die eigentlichen Aufräumarbeiten schwerere Langzeitschäden angerichtet haben als das ausgelaufene Rohöl. Heißwasser-Duschen zerstörten empfindliche Organismen in bis zu dreißig Meter Tiefe. Nach der Havarie waren 250-tausend Seevögel, dreitausend Seeottern, dreihundert Robben und 250 Adler verendet. Zwar hat sich der Tierbestand inzwischen rein zahlenmäßig wieder erholt. Aber, so behaupten Meeresbiologen, viele der Lachse, die im Prinz-William-Sund gefangen werden, weisen noch heute zitronengroße Tumore auf.

Exxon drückte sich jahrelang vor der Verantwortung

Mancher der Fischer, die nach der Katastrophe arbeitslos geworden waren, hat sich eine goldene Nase verdient. Es gibt Leute, die für ihre Boote damals 5000 Dollar Miete pro Tag verlangten – und der Exxon-Konzern, immer um gute Public-Relations bemüht, zahlte willig – aber nur wenn es um die kleinen Brocken ging. Als dann die Milliardenklagen kamen, drückten sich die Texaner vor der Verantwortung. Dabei machten sie immer noch Geld wie Heu. Nach der Katastrophe hatten Insider damit gerechnet, dass das Public-Relations-Desaster dem Konzern enorme Schäden zufügen könnte. Dem war aber nicht so, im Gegenteil: Bereits ein Jahr nach der Havarie in Alaska machte der Exxon-Konzern einen Reingewinn von mehr als fünf Milliarden Dollar.

Hazelwood in TIME

Ein US-Bundesgericht hatte den Konzern zu einem Bußgeld von fünf Milliarden Dollar verurteilt. Dieses Geld sollte an die 35-tausend Betroffenen der Katastrophe ausgezahlt werden – Fischer, Hotelbesitzer, Privatleute. Aber zur vollständigen Auszahlung ist es nie gekommen. Exxon argumentierte, die Höhe der Zahlung sei unangemessen. Schließlich habe man bereits 2.2 Milliarden Dollar für die Reinigungsarbeiten ausgegeben. Außerdem seien Zahlungen in Höhe von einer Milliarde für Gerichtskosten und 300 Millionen für Verdienstausfälle erfolgt. Das müsse reichen, sagt Exxon – und legte vor einem Gericht in Seattle Berufung ein. Auch dass verschiedene andere Versprechungen nicht eingehalten wurden, wurde dem Exxon-Konzern übel genommen. So sollte entlang des Prinz-William-Sund ein Naturpark angelegt werden. Doch der besteht bislang nur auf dem Reißbrett.

Ganz ohne Folgen ist die Katastrophe auch fuer die Schiffahrts-Industrie nicht geblieben: Seit 1992 duerfen Öl-Tanker nur noch mit doppelter Aussenhaut ausgeliefert werden. Fuer alte Tankschiffe gilt eine Schonfrist bis zum Jahre 2026.

Der Kapitän wurde zum Papierkorb leeren beordert

Der Mann, der eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der Geschichte zu verantworten hat, musste die Kommandobruecke gegen einen Schreibtisch in eintauschen: Der zur Zeit der Havarie betrunkene Kapitaen Joseph Hazelwood verrichtet heute in New-York einen Buerojob. Ein Gericht hatte ihn – neben einer Geldstrafe von 5000 Dollar – dazu verurteilt, eintausend Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten. Hazelwoods Job: Entlang des Prinz-William-Sund sah man den ehemaligen Tankerkapitän Papierkörbe leeren.

Als „Playboy“-Reporter in Alaska

Hinter kleinen Meldungen stecken oft große Geschichten. Ein Trapper habe die Leiche eines jungen Mannes entdeckt, hieß es im Nachrichtenticker, irgendwo im Busch von Alaska. Bei dem Toten handle es sich um einen 24jährigen Aussteiger. Aus diesen dürren Worten ist die wohl spannendste Reportage meiner Korrespondenten-Zeit entstanden. Die Spurensuche für den „Playboy“ führte mich quer durch Amerika und endete in Alaska. Jahre später nahm sich Hollywood des Themas an. Daraus wurde „Into The Wild“ von Sean Penn.

Es war im Spätsommer 1992, als die Agenturmeldung über den Ticker kam. Tragisch zwar, wie viele guten Geschichten. Aber in der nachrichten-armen Zeit bestens geeignet für einen kurzen Radiobeitrag. Telefon-Recherche beim Sheriff in Fairbanks/Alaska – und fertig war das Stück. Am nächsten Tag berichtete ich für mehrere ARD-Sender über das tragische Schicksal des Christopher McCandless, der Tausende Kilometer von Zuhause tot aufgefunden worden war. Bis dahin: Reporter-Routine.

Abenteuer, Freiheit, Reisen, Frauen: Perfekt für eine „Playboy“-Reportage

Playboy-Ausgabe 11/1992

Dann passierte etwas Überraschendes: Ein Redakteur des Männermagazins „Playboy“ rief bei mir an. Er hatte den Beitrag auf (damals) SWF3 gehört. Der Kollege meinte, die Story enthalte sämtliche Elemente, die Playboy-Leser ansprechen: Abenteuer, Freiheit, Reisen. Und, wie sich später herausstellte, auch Frauen. Denn Christopher McCandless, der sich „Alex“ nannte, war ein Schwerenöter, den die Frauen liebten. Ob ich Lust hätte, fragte der Kollege aus München, für den Playboy zu recherchieren, wie aus dem Sohn einer wohlhabenden amerikanischen Familie ein Aussteiger geworden ist, der in Alaska, in the middle of nowhere, elendig zu Tode gekommen war.

Ein paar Tage später war ich on the road. Von Montréal aus führte mich die Reporterreise durch den amerikanischen Getreidegürtel nach South Dakota, Montana, Wyoming, später nach Seattle und von dort aus nach Alaska. In South Dakota verbrachte ich einige Tage mit dem Erntehelfer Wayne Westerberg, einem Navajo-Indianer, der von dänischen Eltern adoptiert worden war. Wayne war für Alex so etwas wie Vater-Ersatz. Alex, der kluge Kopf von der Ostküste. Wayne, der schlaue Fuchs aus South Dakota.

Mit Jack Daniels im Pickup-Truck durch die Prärie

Die Geschichte hinter der Geschichte habe ich den oft nächtelangen Gesprächen mit Wayne Westerberg zu verdanken. Zusammen fuhren wir in einem verbeulten Pickup-Truck durch die Prärie. In der linken Hand eine Flasche Jack Daniels, in der rechten das Lenkrad – so tuckerte ich mit diesem ungewöhnlichen Mann durch den mittleren Westen Amerikas.

Letzte Station meiner Reporter-Reise war Fairbanks/Alaska. Aufgrund der Tagebuch-Aufzeichnungen des jungen Aussteigers wusste ich, wer für mich als Zeitzeuge von Interesse sein könnte. Einer davon war Butch Killian, ein Fallensteller. Er war es, der den toten Alex in einem ausrangierten Stadtbus gefunden hatte – mitten im Busch.

Blockhüttenzauber beim Fallensteller in Alaska

Trapper Butch in Alaska

Fallensteller sind Nomaden ohne festen Wohnsitz. Den Trapper  Butch Killian in der Wildnis von Alaska zu finden, war eine der größten Herausforderungen meines Journalisten-Lebens. Eine zahnlose Indianerin hatte mir den Tipp in einem Coffee Shop am Highway #3 gegeben. Butch Killian lebte in einer Blockhütte im Wald.

Einsam, aber glücklich im Blockhaus

Als ich ihn antraf, tat er das, was Fallensteller so tun, wenn sie von der Trapline zurück kommen: Er häutete die Tiere, die er kurz zuvor gefangen hatte – kein schöner Anblick. Aber das stundenlange Gespräch mit diesem Naturburschen im Schein der Petroleumlampe machte mir einmal mehr deutlich: Es gibt mehr als eine Art zu leben. Butch Killian hatte ein einsames Leben gewählt. Aber, wie mir schien, ein glückliches.

Hier geht’s zur kompletten Playboy-Reportage:

Die komplette Playboy-Reportage finden Sie hier. Ich habe oft daran gedacht, die Erlebnisse meiner Reise zu einem Buch zu verarbeiten. Aber als freier Reporter kannst du dich nicht einfach monatelang vom tagesaktuellen Journalismus ausklinken. Und weil solche Geschichten einfach erzählt werden müssen, hat sich viel später erst ein weltbekannter Schriftsteller des Themas angenommen. Jon Krakauer schrieb den Abenteuerroman „Into The Wild“. Ich fand ihn mäßig gut recherchiert und alles in allem nicht sehr authentisch.

Großes Kino: Sean Penn verfilmte die Geschichte von Alex McCandless

Anders der Film, den viele Jahre später Sean Penn als Regisseur für Hollywood drehte. Eine filmisch brillante Umsetzung der Story. Eine Erzählung, die den Aussteiger Alex McCandless als das schilderte, was er war: Ein Abenteurer, der erst sein blitzgefährliches Schicksal heraufbeschworen hatte, um ihm anschließend in den Hintern zu treten.