Mit amerikanischen Talkshows sind wir hier gut eingedeckt: Jimmy Fallon, Craig Ferguson, Jimmy Kimmel, Bill Maher, Piers Morgan, Oprah Winfrey und natürlich die Großen: Jay Leno und David Letterman. Was aber guckt ein emigrierter Schwabo-Kanadier, wenn er gerne mal auf Deutsch lachen möchte? Die ZDF-heute-show. Im Internet.
Es wird hier zwar keinen so richtig interessieren, aber ich finde Harald Schmidt höchst überbewertet. „Highly overrated“, würde er wohl selbst sagen, denn er kopiert ja auch sonst so ziemlich alles, was nach Amerika klingt. Das Original heißt David Letterman und damit basta.
Das Original: David Letterman
Dass das SAT1-Studio der CBS-Deko im New Yorker Ed Sullivan Theatre bis aufs i-Tüpfelchen ähnelt, ist peinlich genug. Dass der Kölner Latenight-Talker jedoch Handbewegungen, Grimassen und selbst die ständige Korrektur des Brillengestells eins zu eins beim New-Yorker Meister Letterman abgekupfert hat, ist einfach nur fantasielos. Wenn Letterman das Twittern übt, kommt Schmidt ein paar Sendungen später auch auf die Idee. Bibbert Dave vor einem Millionenpublikum in der New-Yorker Studiokälte, muss sich kurz darauf auch Schmidts Bandleader Helmut Zerlett warm anzhiehen. So plump schmeißt sich der Kasper aus Köln an das Original heran, dass man selbst vor dem Blaupausen-Künstler Guttenberg noch Respekt haben muss. Jeder fliegende Händler, der mir am Times Square eine Rolex andrehen will, macht einen besseren Job als Harald Schmidt beim Kopieren von David Letterman.
Mein Meister: Oliver Welke
Wie erfrischend originell ist dagegen Oliver Welke! Dass seine heute-show im Internet abzurufen ist, empfinde ich als mein ganz persönliches ZDF-Geschenk. Wer mit so viel Charme, Esprit und Intelligenz das tagesaktuelle Polit-Geschehen auf die Hörner nimmt, darf gerne in mein Haus kommen. Und seinen Sidekick, den genial-schrägen Betroffenheits-Lyriker Olaf Schubert, kann er gleich mitbringen. Kann man das griechische Spendierhosen-Schlamassel mit einem einzigen Satz besser auf den Punkt bringen, als Olaf Schubert das im Gespräch mit Oliver Welke tat? „Ich trinke Ouzo, was machst Du so?“
Auch nicht ganz taufrisch. Aber: wenigstens tut bei Welke keiner so, als hätte er den Spruch noch nie vorher gehört.
Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen zu Hause ist. Aber mein Tag könnte 25 Stunden haben und trotzdem hätte ich das Gefühl, nicht einen Bruchteil dessen gesehen und gelesen zu haben, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte. Dass mein Leben so aufregend verläuft, hat vor allem mit dem Internet zu tun. Kein Sendeschluss. Kein Programmbeginn. Und immer was zu gucken. Mit dem Testbild im Fernsehen hatte alles angefangen.
Als ich ein Kind war, bin ich oft ins Haus der Geschwister Klasen gegangen, die in meiner Straße wohnten. Zwei ältere Damen, nie verheiratet, sehr kultiviert und auch nicht ganz arm. Sie hatten etwas, was die meisten in Ummendorf zu jener Zeit noch nicht hatten: einen Fernseher. Einen sperrigen Kasten mit einer düsteren Glasscheibe, die sich leicht konisch und etwas bedrohlich in Richtung Wohnzimmer wölbte. Das war der Bildschirm.
Meistens war es Antonie Klasen, die Ältere der Beiden, die es sich mit mir im Wohnzimmer nett machte. Sie setzte sich neben mich aufs Sofa und strickte oder las ein Buch. Vor uns standen ein Teller Kekse und eine Tasse mit Kakao. Dann machte Fräulein Klasen feierlich den Fernseher an. Bis sich die Röhre erwärmt hatte und der Fernseher sendebereit war, verging manchmal eine Minute oder mehr. Erhellte sich der Bildschirm dann endlich, war der Nachmittag gerettet.
Dabei gab es zu jener Zeit noch kein Nachmittagsprogramm. Erst Punkt 17 Uhr verkündete die Fernsehansagerin mit der hochgesteckten Frisur, was der Abend so bringen würde. Doof nur, dass ich um 17 Uhr zu Hause sein musste. Nur manchmal, ganz selten, schaffte ich es, bis 17:05 zu bleiben. Länger ging nicht, sonst hätte es Ärger gegeben. Aber auch vor 17 Uhr war es ein erhebendes Gefühl, im Kreise kultivierter Damen fernsehen zu dürfen. Es war nämlich nicht so, dass der Schwarz-Weiß-Bildschirm bis zum Auftritt der blonden Ansagerin schwarz geblieben wäre. Es gab ja schließlich das Testbild. Viele Striche in allen Schattierungen, ein paar kleine Kreise und ein großer um das Ganze herum. Und viele Buchstaben und Zahlen, die ich nicht entziffern konnte. Sah ein bisschen aus wie die QR-Codes für Smartphones.
Mein Nachmittags-Vergnügen: Testbild live vom Übelhorn
So saßen wir manchmal stundenlang, die Fräuleins und ich. Sie strickten. Ich kuckte das Testbild des Bayerischen Rundfunks. Es kam vom Sender Grünten, auf dem Gipfel des Übelhorns. Wo das Übelhorn liegt und warum der Sender Grünten hieß, war mir wurscht. Was zählte, war: Über diese Holzkiste mit der Glasscheibe hatte ich Kontakt zu einer Welt, die mir bis dahin verschlossen war.
Als ich längst in Kanada lebte und schon sehr früh das Internet in unser Haus holte, gab es ein Déjà-vu. Auch jetzt konnte ich stundenlang vor dem unförmigen Schwarzweiß-Monitor sitzen und mir Bilder auf einigen spärlich bestückten Seiten anschauen.
Im Schneckentempo über die Datenautobahn
Auf der „Datenautobahn“ gab es damals noch eine ziemlich fiese Geschwindigkeitsbegrenzung. Die lag bei 56 kbit/s. So viel schaffte das Schneckenmodem gerade noch. Eine Verbindung war nur über Telefon möglich. Bis sich eine Seite aufgebaut hatte, verging, wie damals beim Schwarzweiß-Fernseher der Fräuleins Klasen, eine Minute und mehr. Auch wenn im Internet die Langsamkeit neu erfunden wurde, war auch jetzt wieder dieses prickelnde Gefühl da, einen Draht zur Welt da draußen gelegt zu haben.
Die Faszination des Internets ist geblieben. Auch heute noch kann ich mich stundenlang auf Seiten verlieren, die ich zufällig angeklickt habe. Neulich bin ich auf der Homepage eines afrikanischen Fernsehsenders gelandet. Ehe die Sicht auf den Seiteninhalt frei wurde, ritt erst einmal ein Prinz auf einem Elefanten seelenruhig von rechts nach links über den Monitor. Und anschließend noch einmal von links nach rechts. Dann öffnete sich ein virtueller Vorhang. Das nenne ich Stil. Oder eine karibische Homepage, auf der lustige Affen einen richtigen Zirkus veranstalten, ehe es zum Radioprogramm geht. Total exotisch auch die Homepage des nordkoreanischen Staatsrundfunks. Ich liebe solche Seiten.
Sie kennen doch bestimmt auch jede Menge davon. Schicken Sie mir den Link? Danke. Ich klicke mich derweil durch die neue Homepage der sozialistisch-sandinistischen Minderheitsimmigranten in Antarktika.
Es gibt Menschen, die blitzen nur ganz kurz in deinem Leben auf. Dann tauchen sie wieder ab und du hörst nie wieder von ihnen. Trotzdem hinterlassen sie einen Lichtschweif, der nie mehr ganz erlischt. So ein Mensch ist Alain. Ich habe ihn vor etwa 15 Jahren in einer Montréaler Suppenküche getroffen. Er hatte dort einen Obdachlosen-Chor gegründet.
In Paris hatte Alain als Zahntechnikermeister gearbeitet. Dort lernte er eine Montréalerin kennen. Als die junge Frau wieder nach Kanada zurück ging, war es schon zu spät: Alain hatte sich hoffnungslos in sie verliebt.
Er kündigte seinen Job und flog nach Montréal. Dort war er fest entschlossen, ein neues Leben zu beginnen. Doch wie das Leben manchmal so spielt: Die Liebe kam und ging. Und irgendwann stand Alain alleine da. In einer fremden Stadt. Ohne die Liebe seines Lebens. Nach Frankreich wollte er nicht mehr zurück. Was würden denn die Freunde sagen?
Der Pariser Zahntechnikermeister in der Montréaler Suppenküche
Also blieb er in Montréal, jobbte mal hier, mal da. Und fand irgendwo nicht mehr so richtig seine Mitte. Bis er eines Tages in der Suppenküche auftauchte, drunten am alten Hafen. Dort gründete der Franzose einen Obdachlosenchor. Über die Geschichte von Alain und seine neuen Freunde in der Suppenküche habe ich damals einen Film fürs deutsche Fernsehen gemacht. Den Film möchte ich aus Gründen der Diskretion hier nicht einstellen. Die Namen habe ich geändert. Nicht jeder, der damals auf der Straße lebte, hätte heute seine Freude daran, sich Jahre später im Internet wieder zu finden. Deshalb gibt’s eben nur den Film-Text:
Noch vor zweieinhalb Jahren war Jeannot ein Wohnsitzloser – einer von gut fünftausend, die es in Montréal gibt. Und wie die meisten Penner, streunte auch er tagsüber bettelnd durch die Dreieinhalb-Millionenstadt. Nachts schlief er auf Parkbänken oder überm U-Bahn-Schacht. Im harten kanadischen Winter schaufelte er sich oft eine Kuhle in den Schnee und deckte sich zu: mit Schnee – wie ein Bär, der Schutz vor Wind und Wetter sucht. Doch dann, kurz vor Weihnachten 1996, veränderte sich das Leben des Mannes, den seine Freunde “Nota” nennen. Jeannot fing an, im Montréaler Obdachlosenchor zu singen.
Zwei Dutzend Männer – der jüngste 26, der älteste 67 – tingeln seither durch Montréal. Zu verdanken haben die Mitglieder des Obdachlosenchors ihr neues Leben diesem Mann: Alain, 32 Jahre alt, gebürtiger Franzose. Er war von Paris nach Montréal gekommen, um die Liebe seines Lebens zu besuchen. Doch die Liebe hielt nicht lange. Alain, ein tief religiöser Mann, suchte Zerstreuung, wollte Gutes tun.
30 Männer Meldeten sich zur Chorprobe an. Einer ist gekommen.
In der Suppenküche konnte man so einen wie ihn gebrauchen. Zunächst verteilte er Essen an die Hungernden. Irgendwann kam ihm der Gedanke, einen Gesangverein zu gründen. Chor-Erfahrung hatte er bereits in Paris gesammelt. Alain erinnert sich: “Zur ersten Probe hatten sich dreißig Männer angemeldet. Gekommen ist dann einer. Beim zweiten Mal waren es schon vier. Beim dritten Treffen hatten wir schon einen richtig kleinen Chor beinander.”
Geprobt wird in einem Übungsraum über der Suppenküche. Mit Obdachlosen zusammenzuarbeiten, kann eine Herausforderung sein. Die Bedingungen, die Alain an seine Sänger stellt, sind immer die gleichen: “Pünktlichkeit. Nüchtern sein. Sauberes Auftreten: Weißes Hemd, schwarze Hose.” Klamotten gibt’s bei der Heilsarmee.
Auch Antoine war eine Zeitlang Mitglied im Chor. Doch Alkohol und Drogen machten seine Sängerkarriere zunichte. Er konnte sich der Disziplin des Chorleiters nicht unterordnen, sagt er: Heute bestreitet Antoine das, was er “eine Solokarriere” nennt.
Nicht so Jeannot. Er ist dabeigeblieben. Sein Leben hat sich durch den Chor grundlegend geändert. Sein Wiedererkennungswert im Stadtbild von Montréal ist hoch. Fast gönnerhaft lässt er mal hier, mal dort einen Quarter springen. Payback-Time für einen, mit dem es das Schicksal gut gemeint hat. Seit kurzem bewohnt Jeannot sein eigenes Apartment. 175 Dollar kostet es pro Monat. Knapp hundert bleiben ihm von seinen Auftritten. Der Rest kommt von der Sozialhilfe. Gegessen wird noch immer in der Suppenküche – nicht mehr, wie früher, an einem Tisch mit dem „hungrigen Volk“, wie er sagt.
Michel singt „fast wie Pavarotti“. Fehlt nur noch der Schal.
Wer im Chor singt, hat es in der Penner-Hierarchie zu etwas gebracht. Über die kleinen Starallüren darf geschmunzelt werden: “Die Stimme von Pavarotti hatte ich schon”, sagt Michel, “was noch fehlte, war der dazugehörige Schal.” Den schenkte ihm ein weiblicher Fan.
Der Chor kann sich schon bald vor Engagements kaum noch retten. Die Männer singen bei Wohltätigkeitsveranstaltungen und Weihnachtsfeiern. Im Hochsicherheitsgefängnis eines Zuchthauses traten sie vor Lebenslänglichen auf. In Waisenheimen und Krankenhäusern erfreuen sie Junge und Alte. Doch ihr Heimspiel geben sie immer wieder in der Montréaler Métro.
Manuela ist das, was man Groupie nennt. “Vor zwei Jahren”, sagt die Frau, „stand ich genau an dieser Stelle und hörte dem Chor zu.” Heute ist sie mit Carlos, dem Bongospieler, verheiratet. “Früher hatte ich immer Männer, die Geld hatten, aber sonst nichts.” “Heute”, sagt Manuela, “heute hab’ ich einen, der kein Geld hat – dafür aber ein großes Herz.”
„Sie sind fröhlich. Und vor allem: Sie singen!“
Der Mann mit dem wohl größten Herz ist jedoch Alain. Seinem Job als Zahntechniker geht er nur noch stundenweise nach. Der Chor vereinnahmt ihn total: Eine ehrenamtliche Sekretärin hilft ihm bei der Terminplanung. Im vorigen Jahr reiste der Chor auf Einladung einer Airline nach Paris. Die Montréaler Sänger wurden als Stars gefeiert. Und keiner freut sich mehr über den Erfolg als Alain. “Alle sind sehr glücklich im Chor. Sie sind nicht schmutzig. Sie sind sauber. Sie sind nicht betrunken, sondern nüchtern. Sie sind nicht gewalttätig, nicht traurig. Sie sind fröhlich -– und vor allem: Sie singen!”
Nachtrag: Der Montréaler Obdachlosenchor hat sich inzwischen aufgelöst. Wo Alain heute lebt und was er macht, weiß ich nicht. In der Suppenküche kann sich kaum noch jemand an den Franzosen und seinen Chor erinnern. Ein Jammer.
Telefonieren Sie noch, oder skypen Sie schon? Ich finde, Skype ist ein Segen für alle, die weit weg wohnen. Man sieht sich, hört sich und nimmt auch mal den Hund auf den Schoß oder das Baby. Dass das Baby meistens zum falschen Moment kräht und der Hund ausgerechnet Gassi gehen will, wenn Showtime ist, liegt in der Natur der Sendung. Skype ist wie Live-TV, nur schöner. Dein ganz privater Fernsehkanal mit den Hauptdarstellern deiner Wahl.
Vor gut 20 Jahren war ich zu Besuch bei RTL. Auf einem Chef-Schreibtisch stand ein Videotelefon. So einen Apparat hatte ich bis dahin nur bei CNN-Korrespondenten gesehen. Auf meine Frage, was das Gerät denn so alles könne, meinte der Kollege: „Vor allem Geld schlucken und schlechte Bilder liefern“.
Erst Netmeeting, dann Skype: Text, Bild, Ton – und alles für lau
Bill Gates muss unser Gespräch mitgehört haben. Denn bald kam Netmeeting auf den Markt. Ein schreckliches Programm. Aber immerhin konnte man damit theoretisch per Video chatten. Es dauerte eine Zeitlang, bis die richtig coole Lösung kam. Und die hieß Skype. Ein geschmeidiges Chat-Tool, das Bild und Ton liefert. Und keinen Cent kostet.
Damit fing alles an: Videotelefon
Es gibt genau fünf Freunde, mit denen ich regelmäßig skype. Meistens klappt die Verbindung wie am Schnürchen. Hin und wieder schwächelt sie. Dann verbringt man die meiste Zeit damit, darüber zu rätseln, warum das Skypen diesmal nicht funktioniert.
Miese Qualität? Schuld sind immer die andern
Und weil Skype aus dem richtigen Leben kommt, sucht man die Fehler natürlich immer zuerst beim andern. „Du musst die Kamera-Konfiguration überprüfen!“ Oder: „Du solltest endlich mal den Ton richtig aussteuern!“ Oder, etwas energischer: „Hast du mir eigentlich zugehört, als ich dir neulich sagte, du sollst verdammt noch mal endlich einen neuen Treiber runterladen?!!!!!“
Seitdem mein Freund Peter seinen neuen Tablet-PC benützt, verbringen wir wieder mehr Zeit am Telefon. Oder aber Skype wird zur Einbahnstraße. Gut, dass Peter eine schöne Stimme hat. Der höre ich zwar gerne zu. Aber das Gesicht zur Stimme wäre auch nicht schlecht. Schließlich hat der liebe Gott Skype erfinden lassen, damit wir Stimmen UND Gesichter gleichzeitig auf dem Bildschirm hören und sehen können.
Nervig: Bildstörung
Einige meiner Freunde verdienen ihr Geld beim Fernsehen. Da müsste man eigentlich denken, alles verlaufe hochprofessionell. Von der Bildeinstellung über die richtige Ausleuchtung bis hin zur Windrichtung des Zimmer-Ventilators. Bei einem meiner TV-Kumpels klappt das auch ganz gut. Beim anderen sieht mein Monitor oft aus wie früher das Testbild im Schwarzweiß-Fernseher meiner Eltern. Und natürlich ist es alles meine Schuld. Ganz stressfrei ist skypen also nicht. Aber zum Glück gibt es ja noch Facetime. Das funktioniert allerdings nur, wenn beide Teilnehmer ein iPhone 4 haben. Kings of Gadgets unter sich.
Handy-TV: Kein Ruckeln und Zuckeln
Neulich warf Frank sein Handy an, als Mama bei ihm zu Besuch war. Das war Fernsehen vom Feinsten. Kein Ruckeln und Zuckeln und nicht die Spur einer Tonstörung. Bei ihrer ersten Live-Show bewegte sich die 82jährige Dame dermaßen souverän vor der Kamera, dass der Sohn vom Fernsehen später neidlos anerkennen musste: „Als hätte sie ihr Leben als ARD-Korrespondentin in Washington verbracht.“
Es gibt immer noch Freunde, die überraschen mich. Andreas ist einer von ihnen. Wir kennen uns noch aus SWF3-Zeiten. Er: Der begnadete Moderator mit der Bärenstimme. Ich: Der Bären-Korrespondent aus einem begnadeten Land. Vom Mikrofon hat sich Andreas längst verabschiedet. Heute macht er Straßenbahn-Filme. Wir treffen uns in einem Wirtshaus in Köln.
„Tram-TV“ wurde von ein paar Jungs und Mädels gegründet, die viel Zeit und viel Talent haben. Und auch ein klein bisschen verrückt sind. Nach Straßenbahnen. Motto: „Wir sind Profis und engagierte Amateure. Und genau das ist der Trick.“
Im „3-Wagen-Tatra-Zug“ von der Haltestelle Beesen zur Soltauer Straße
Die erste elektrische Straßenbahn der Welt fuhr ab 1881 in Lichterfelde bei Berlin. Gebaut wurde sie von Siemens.
Manche Menschen bekommen glänzende Augen, wenn sie einen Lamborghini sehen, oder ein Rennpferd. Andreas gerät ins Schwärmen, wenn er von einem 3-Wagen-Tatra-Zug in Halle an der Saale erzählt. Zwischen den Haltestellen Beesen und Soltauer Straße haben er und seine Tramtruppe eine „Führerstandmitfahrt“ gedreht. So heißt das in Strassenbahnfilmemachersprech, wenn eine Digicam mit Saugnäpfen an die Windschutzscheibe einer Tram geklebt wird und drauf los filmt.
Die Führerstandmitfahrt-Filme sind im Online-Shop von Tram-TV zu haben. Oder auch im Buchladen des Kölner Hauptbahnhofs. Gedreht haben die Trammer schon in ganz Europa. In Blackpool und in Nizza, in Paris und auch in Wien. Und auch in Naumburg im wilden Osten. Sachsen-Anhalt.
Abenteuer auf Schienen: Von Weichen und Leidenschaften
Immer der Schiene nach: Tram-TV
Und immer geht es um Straßenbahnen, um Weichen, um Schienen und auch um Leidenschaften.
Andreas war erst ein leidenschaftlicher Radiomann und dann ein leidenschaftlicher Fernsehmoderator. Für die größten Sender Deutschlands hat er einem Millionenpublikum die Welt erklärt. Heute ist er leidenschaftlich gerne Rentner. Und erklärt Menschen, wie abenteuerlich eine Fahrt von Bochum nach Heven sein kann.
Borat wäre stolz auf das Team von Tram-TV: Zwar nicht in Kasachstan, dafür aber auf dem internationalen Dokumentarfilmfestival von Aserbaidschan gewannen die Kölner im Frühjahr die „Goldene Kurbel“.
Und der Kumpel aus Kanada hatte keine Ahnung
Andreas erzählt das alles zwischen Kölsch und Magenbitter und Kölsch und Linsensuppe. So, als wäre es das natürlichste der Welt, wenn ein bekannter Moderator das Fernsehstudio gegen den Führerstand einer Vorstadt-Tram eintauscht. Und freut sich dabei wie ein Schneekönig, dem Kumpel aus Kanada etwas verraten zu haben, von dem der bislang keine Ahnung hatte.
Vielleicht sollte man alten Freunden einfach öfter mal Fragen stellen. Dann bekommt man auch die Antworten dazu.