Jeder hat ja so seine Bucket List. Also Dinge, die man unbedingt noch tun möchte, ehe es zu spät ist. Ein Elefantenritt über die Serengeti. Im Maserati durch den Tunnel von Monte Carlo. Dinner mit Scarlett Johansson. Audienz beim Papst. Simple Dinge, die am Ende des Tages (oder Lebens) im Gedächtnis hängen bleiben. Mein Wunsch: Einmal über den See an der Blockhütte rudern und dabei nach Herzenslust surfen. Im Internet.
Ich hab’s getan! Im Ruderboot das Wetter auf Mallorca gecheckt, kurz bei wdr.devorbeigeschaut und sogar die Mail von Maggy gelesen: Grillparty am Mittwochabend geht klar.
Die Voraussetzungen für eine Runde surfen sind heute perfekt: 26 Grad und Sonne. Null Bootsverkehr auf dem See. Und eine Frau, die das Ruder auch dann in die Hand nimmt, wenn’s dem Mann an ihrer Seite um nichts anderes geht als um Fun, Fun, Fun. (Danke, Beach Boys!)
Damit der Mac auf dem Boot auch ja keinen Macken bekommt, wird er zärtlich in ein Handtuch gewickelt. Das Ganze kommt in den Korb. Wasserdicht ist anders. Aber bei so viel Spaß bleibt immer ein Restrisiko.
Noch vor zwei Jahren war an eine Internetverbindung in unserer Blockhütte, zwei Stunden nördlich von Montréal, nicht zu denken. Doch plötzlich hatte BELL, der Provider meines Herzens, ein Einsehen mit uns Junkies in der Wildnis. Und dockte an einem Satellitenmast an, der wie ein wunder Finger aus den Wäldern rund um den Lac Dufresne ragt. Ein kleiner Preis für so viel Vergnügen.
Bilanz eines Selbstversuchs.. Der Empfang: Fünf Punkte auf der Signalskala – mehr geht nicht. Das Feeling: King of Computer! Peinlichkeitsfaktor: 100. Denn irgendwo blickt immer irgendjemand aus irgendeinem Hüttenfenster, um den See zu inspizieren.
Wenn dann just in diesem Moment zwei Crazy Germans mit Ruderboot und im bunt gestreiften Handtuch eingewickelten Laptop unterwegs sind, um das WorldWideWeb in die Wildnis zu holen, könnte das beim nächsten Treffen der Cottagebesitzer durchaus für Gesprächsstoff sorgen.
Ein bisschen Tradition muss sein. Also gehen wir heute, wie fast jedes Jahr, zum Muttertags-Brunch ins Château Montebello, angeblich das größte Blockhaus der Welt. Es liegt zwischen Montréal und Ottawa, direkt am Ottawa-River.
Genau genommen ist es kein Blockhaus, sondern eine richtige Blockhaus-Anlage. Mit Hotel, Hallenschwimmbad, Freibad, Bootsanlegestellen und einer eigenen Kapelle ohne Gottesdienst. Mehr als 10 000 Baumstämme wurden in den Bau verarbeitet, der 1930 eingeweiht wurde.
Das Château Montebello gehörte ursprünglich der kanadischen Eisenbahn und diente betuchten Sommerfrischlern aus der Umgebung als Rückzugsort. Heute ist es ein Konferenzhotel mit gepflegtem rustikalen Ambiente. Im Winter quartieren sich dort viele Sportler ein, denn in unmittelbarer Umgebung gibt es Eishockey-Arenen, Skitrails und Rennpisten für Hundeschlitten und Snowmobiles.
Im Sommer gleicht das Château einem Sanatorium. Auch ein Weltwirtschaftsgipfel hat dort schon stattgefunden. Ein befreundeter Kollege berichtete mir glaubhaft, wie er einmal neben Helmut Schmidt vor dem Urinal des Château Montebello stand.
Uns ist das Schlösschen am Ottawa River vor allem wegen seines vorzüglichen Brunch-Buffets ans Herz gewachsen. Serviert werden Köstlichkeiten vom Wald, vom Fluss und aus den fruchtbaren Gärten der Gegend. Allein schon wegen des mehrstöckigen Nachtischbuffets lohnt sich die zweistündige Anfahrt.
Ein bisschen verbinde ich mit dem Besuch des Château Montebello auch heimatliche Gefühle. Vor vielen Jahren, kurz nach meiner Ankunft in Québec, wurde die Hotelanlage von einem Mann aus Biberach geleitet. Erst viel später habe ich erfahren, dass es sich dabei um den Sohn der Wirtin einer bekannten Kneipe in meiner (Fast-)Heimatstadt handelte.
„Tethering“ ist eine feine Sache. Du sitzt irgendwo im Café, am Strand oder, wie ich im Moment, in der Blockhütte am Lac Dufresne und kommunizierst per Internet mit der Welt da draußen. Beim Tethering (to tether = anbinden) wird der Laptop ans Handy angeschlossen. Das Mobiltelefon übernimmt dann – drahtlos per Bluetooth, oder aber über eine Kabelverbindung – die Funktion des Modems.
Voraussetzung ist natürlich, dass das Handysignal kräftig genug ist, um auch Daten übermitteln zu können. Und dass das Smartphone in der Lage ist, die Brückenfunktion zwischen Handy und Rechner zu übernehmen.
Aber, Achtung: Wer keinen vernünftigen Datenplan hat, sollte vom Tethering lieber die Finger lassen. Das Surfen im Netz könnte sonst zum finanziellen Fiasko werden.
Vorsicht bei Audios und Videos!
Was ist ein vernünftiges Datenkontigent? Wer lediglich ein paar schlanke Mails schreibt oder Seiten im Internet abruft, die nicht mit Videos und Audios vollgepflastert sind, kommt mit 100 Megabytes pro Woche aus. Wer aber auch im Busch auf Skype nicht verzichten möchte oder glaubt, ohne YouTube nicht überleben zu können, sollte schon einige Gigabytes zur Verfügung haben. Bei mir sind es beispielsweise sechs GB. Damit komme ich für unter 80 Dollar im Monat, Handynutzung inklusive, wunderbar klar.
Datenpakete zum Surfen im Netz werden, zumindest hier in Kanada, meistens in Verbindung mit der Handynutzung zum Telefonieren angeboten. In Deutschland dürfte das nicht anders sein. Das heißt, als Nutzer sollte man nicht davon ausgehen, dass der Mobilfunkprovider nur das Beste im Sinn hat und dem User auch den bestmöglichen Datendeal eingerichtet hat. Mit einem Anruf beim Anbieter vor dem ersten Tethering sollte auf jeden Fall die Preisfrage geklärt werden.
Endloses Surfen kann zum finanziellen Fiasko werden
Aber selbst bei einem großzügig eingerichteten Datenplan sollte man beim Tethering nicht unbegrenzt online bleiben. Auch dann nicht, wenn gerade nicht gesurft oder keine Mails geschrieben werden. Da sich die meisten Internetseiten von Zeit zu Zeit automatisch aktualisieren, entsteht jedes Mal ein Datenverschleiß. Und der kann bei Dutzenden von Aktualisierungen am Tag kostspielig werden. Dies trifft vor allem auf tagesaktuelle Nachrichtenportale wie Spiegel-Online, tagesschau.de oder sonstige Anbieter zu.
Wer vernünftig mit seinem Datenplan umgeht und seine Surfwut im Griff hat, für den kann Tethering eine echte Bereicherung sein. Wer aber glaubt, er müsse auch auf dem Campinglatz, im Auto oder von mir aus auch im Busch ans Netz, sollte sich zügeln. Oder sich aber auf eine richtig fette Rechnung gefasst machen.
Bloggen ohne Reue – fast für lau
Nur mal so: Sämtliche Texte und Bilder, die ich im Laufe des letzten Jahres in meinen Blog eingestellt habe, machen zusammen gerade mal 60 Megabytes aus. Das heißt, um mein monatliches Datenkontingent von sechs Gigabytes auszuschöpfen, könnte ich jeden Monat 100 Blogs – nicht Artikel, ganze Blogs! – ins Netz stellen.
Aber warum sollte ich? Es ist doch alles gesagt. Zumindest für heute.
Wer in den vergangenen drei Tagen versucht hat, uns anzurufen, anzumailen oder gar in unserem Haus zu besuchen, hat Pech gehabt. Wir waren im Busch. Vor 15 Jahren haben wir uns einen Uralt-Kanadatraum erfüllt: Ein eigenes Blockhaus, direkt am See. Es liegt ca. zwei Autostunden nördlich von Montréal, in den Bergen der Laurentians.
Genau genommen ist es kein richtiges Blockhaus. „Log cabins“ sind mit vollständigen, runden Stämmen gemacht. Unser Häuschen gilt bei Kanadiern als „Half log„, das heißt, es sind zum Bau nur jeweils die oberen und unteren Bretter eines Stammes verwendet worden. Das Häuschen hat eine Küche, zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und eine Art überdachte Terrasse, die den Blick direkt auf den Lac Dufresne freigibt. Hier verbringen wir viele Wochenenden, aber auch ganze Wochen, wenn es die Zeit erlaubt.
Das Leben in der Hütte unterschiedet sich in vielen Dingen von dem zu Hause. Es gibt keine Autozufahrt zur cabin. Die letzte Strecke vom Auto zum Haus legen wir zu Fuß durch einen steilen und felsigen Bergwald zurück. Freunde von uns, die auf der anderen Seeseite eine Hütte haben, wählen den etwas bequemeren Weg. Sie stellen ihren Wagen am Ufer ab und paddeln mit dem Kanu über den See. Unser Blockhaus verfügt zwar über Strom. Aber es gibt kein fließendes Wasser, kein Telefon, kein Fernsehen und auch kein Internet. (UPDATE: Das hat sich inzwischen geändert. Neuerdings geht’s übers Handy ans Netz). Für einen Webjunkie nicht ganz einfach. Natürlich gibt es keine Dusche und auch kein WC. Dafür ein schnuckeliges „Outhouse„, ein Plumpsklo also.
Hier werden Sitzungen abgehalten
Motorboote werden von den Anwohnern nicht gerne gesehen. Die meisten Hüttenbewohner verzichten deshalb darauf und bewegen sich im Kanu, im Ruder- oder im Tretboot voran. Immer häufiger sind jetzt auch umweltfreundliche und absolut geräuschlose Elektromotoren zu sehen. Ein Hüttenbewohner strampelt manchmal mit einem Wasserfahrrad über den See. Es sieht aus wie ein herkömmliches Rad, hat aber zwei pontonartige Kufen, auf denen dieses seltsam anmutende Gerät schwimmt. Wenn ich daran denke, dass ein gewisser Mr. Geary die Hütte damals mit eigenen Händen gebaut hat, wird mein Respekt für diesen Kanadier grenzenlos. Jede Schraube, jeden Nagel, jedes Kilo Teer musste dieser inzwischen leider verstorbene Mann über den See rudern. Wir haben die Cottage damals von Mr. Gearys Familie gekauft, weil ihnen der Weg dorthin zu beschwerlich geworden war. Außerdem hatten die Geary-Kinder einfach kein Interesse mehr an der Hütte, weil sie in den Westen Kanadas gezogen sind.
August im Norden Kanadas: Es riecht nach Herbst
Der nächste Tante-Emma-Laden ist zwölf Kilometer entfernt. Lebensmittel und Trinkwasser bringen wir mit. Kochwasser entnehmen wir dem See. Brot wird selbst gebacken. Den Müll schleppen wir im Rucksack wieder zum Auto zurück. Alles sehr anstrengend, aber auch sehr befriedigend. Um diese Jahreszeit sind die Nächte im Norden schon ganz schön kühl. Tagsüber steigt das Thermometer aber noch bis in die 20er-Zone. An einem Abend kamen kanadische Freunde vom anderen Seeufer im Kanu angepaddelt. Wir haben zusammen gegessen und getrunken. Und weil plötzlich ein frischer Wind aufzog, haben wir zum ersten Mal seit dem vorigen Winter den Holzofen angemacht. Ein Glück, dass ich nachmittags schon Holz gehackt hatte – übrigens eine herrliche Art, sich körperlich zu betätigen. So schön dies alles klingen mag, so traurig ist es auch. Old Man Winter droht uns auf Schritt und Tritt mit seinem baldigen Besuch.
Kolibris: Tropische Vögel in der kanadischen Wildnis
Ein Seenachbar, der ständig am Lac Dufresne wohnt, erzählte uns, er habe noch nie so viele Bären gesehen wie in diesem Jahr. Das hat kurioserweise damit zu tun, dass es so viele Beeren gibt wie schon lange nicht mehr. Bären lieben Beeren. Und wenn der Bär hungrig ist und langsam schon mal für den Winterschlaf vorfuttert, verliert er seine Scheu und kommt, wenn es sein muss, auch ganz nahe an die bewohnten Hütten heran. Wir haben bisher noch keinen Bären zu Gesicht bekommen, dafür aber ein aufgeregtes, wildes Huhn, ein Häschen, eine Entenfamilie, einen Nerz, jede Menge Fische (die wir aber nicht fangen) und drei „Loons“. Das sind kanadische Seetaucher, deren unvergleichlichen Lock- und Angstruf jeder kennt, der schon mal in der kanadischen Wildnis unterwegs war. Dass es bei uns sogar Kolibris gibt – siehe Video weiter unten -, fasziniert mich jedes Jahr aufs Neue. Ich dachte immer, diese Vögel seien nur in den Tropen anzutreffen.