Old Man Winter ist hier

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Diesmal kam er auf leisen Sohlen. Gestern noch hatte es lediglich nach ein wenig Puderzuckerstaub ausgesehen. Heute früh dann eine Handvoll Schneeflocken. Und am Abend dann das volle Programm: Eis. Schnee. Kälte. Und kein Ende abzusehen. Kanada eben.

„Es gibt zwei Jahreszeiten in Kanada“, sagen die, die es wissen müssen: die Kanadier, „Winter und Baustellen“. Dieses Jahr kommt alles zusammen: Die Innenstadt gleicht mit Tausenden von Baustellenzylindern einem Fahrschulparcours. Und jetzt noch Eis und Schnee. Letzter Stand: Um die 30 cm. Gute Nachrichten für Abschleppunternehmen. Schlechte für den Rest von uns.

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Dass ausgerechnet heute der legendäre Jean Béliveau zu Grabe getragen wurde, passt. Nur Eishockey sorgt in Kanada für mehr Gesprächsstoff als das Wetter.

Und hier noch etwas zum Schmunzeln: Der kanadische Wetterdienst hat ein kurzes Video auf YouTube gestellt:

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Der ultimative Schnäppchentag

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Wenn es um Kohle und Kommerz geht, stehen Kanadier ihren Nachbarn südlich der Grenze um nichts mehr nach. Noch bis vor kurzem stieß man hier allenfalls beim Zappen durch die US-Kanäle auf den Begriff „Black Friday“. Jetzt führt auch in Kanada kein Weg mehr daran vorbei: Der heutige „Black Friday“ gilt als der ultimative Schnäppchentag schlechthin.

Warum der Freitag nach dem amerikanischen Thanksgiving Day „Black Friday“ heißt, ist nicht ganz klar. Angeblich, weil Menschen an diesem Brückentag massenweise krank feiern und die Arbeitgeber damit zur Verzweiflung treiben.

Eine Million Kanadier bleiben heute ihrer Arbeit fern, lese ich eben in einer Umfrage der IPG Media. Mehr als 80 Prozent davon haben sich vorgenommen, ein Schnäppchen zu ergattern. Und sei es das zweite Auto, das ein Montrealer Pkw-Händler beim Kauf des Erstwagens kostenlos dazu gibt. Two-for-One beim Autokauf – so einen Deal habe ich in mehr als 30 Jahren Kanada noch nirgends gesehen.

Vor allem Jugendliche laufen den „Black Friday“-Schnäppchen scharenweise hinterher. Wenn ein Elektronikladen seine Preise für fast alle Gadgets halbiert, dann ist zu erwarten, dass Schnäppchenjäger vor den Läden im Schlafsack übernachten, um am Morgen einen der so genannten „door crashers“ zu ergattern. Das sind jene Artikel, die fast zum Nulltarif verschleudert werden, nur um potenzielle Käufer an die Ladentür zu locken.

Der „Black Friday“ sei der neue „Boxing Day“, erzählte mir vorhin der junge Baguette-Verkäufer am Boulevard St. Laurent. Dabei dachte ich immer, zum verkaufsoffenen 2. Weihnachtstag gebe es keine Steigerungsmöglichkeiten mehr. Da kann es nämlich schon mal passieren, dass dir bei der heißen Schlacht am Kassenbüffet kurz vor dem Ziel die um 60 Prozent reduzierte Digicam aus der Hand gerissen wird.

Wie gesagt: Warum der verrückteste aller Einkaufstage „Black Friday“ heißt, ist nicht genau zu eruieren. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise, die am „Schwarzen Freitag“ im Oktober 1929 ihren Lauf nahm, soll der Schnäppchentag jedenfalls nichts zu tun haben.

Wäre ja auch etwas bizarr. Schließlich ging es damals rapide abwärts, als die Wertpapierkurse an der New Yorker Börse zusammenbrachen. Heute werden an diesem Tag dagegen Milliardenumsätze gemacht. Tendenz steigend.

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Nachtrag: „Von wegen Kanada und USA!“, meldet sich eben ein Freund aus Köln. Auch dort locken inzwischen Geschäfte mit „Black Friday“-Deals. Ganz so spektakulär wie hier scheinen die Schnäppchen in Deutschland allerdings nicht auszufallen. Der Kölner Kumpel schickt eine Anzeige, in der es auf „20 ausgewählte Produkte“ gerade mal 20 Prozent Rabatt gibt. Da ist noch Luft nach oben, würde der Kanadier zu solchen Mini-Schnäppchenpreisen sagen. Oder eher: „The sky is the limit“.

Hochzeit mit Schottenrock und Pasta

coupleWillkommen zu einer Hochzeit made in Canada: Eine Mischung aus Hollywood, Next-Supermodel und Freunde-was-kostet-die-Welt. Ein wunderschönes Fest mit Glamourfaktor hundert.

Katina, die Braut: Eine kluge junge Frau aus der ehemaligen Nachbarschaft. Man kennt sich seit ihrer Kindheit. Sean, der Bräutigam: Ein netter Kerl, von dem bisher nur bekannt ist, dass es Liebe auf den ersten Klick war. Das Internet kann vieles, auch Herzen erobern.

Die Braut hat italienische Vorfahren, der Bräutigam schottische. Pasta und Dudelsack unter einen Hut zu bringen, ist gar nicht schwer. Man nehme nur, naja, Pasta und Dudelsack eben. Die Pasta gibt’s als Vorspeise beim Dinner. Den Dudelsack als Entrée in der Kirche.

Wenn Kanadier heiraten, lassen sie es krachen. Da darf die Hochzeitskutsche schon mal ein antiker Bentley sein und das Gefährt für die Eltern eine Stretch-Limousine mit Bar und eingebautem Fernseher. Dabei sind die Eltern der Braut weder richtig reich und gleich gar nicht berühmt. Sie meinen es einfach nur gut mit dem Töchterlein – und zeigen dies auf ihre Art.

Wen in Kanada sich zwei trauen, lassen sie sich dabei gerne zugucken. 120 bis 200 Gäste kommenbljumen ganz schnell zusammen. Das läuft ins Geld. 30.000 Dollar für so eine Sause sind keine Seltenheit. Es gibt Familien, die legen bei der Geburt ihrer Kinder einen Fundus an, der bis zur Hochzeitsreife so weit gediehen ist, dass davon ein Großteil der Unkosten abgedeckt werden kann.

Die Braut schreitet am Arm des Vaters in Richtung Traualtar. Papa übergibt Kind zeremonienreich dem Bräutigam. Dazu gibt’s ein Ave Maria mit kleinem Kammerorchester. Wer sich jetzt noch nicht mit Papiertaschentüchern eingedeckt hat, ist selbst Schuld.

Schleier und Kilt – Strumpfdolch inklusive

Die Kleiderordnung ist von allergrösster Bedeutung. Was Braut und Bräutigam tragen, wird erst unmittelbar vor dem Kirchgang publik. Das nennt sich dann „revealing“. Die Braut zeigt sich in einem ausladenden Kleid mit imposantem Schleier. Der Bräutigam im schottischen Kilt, inklusive Strumpfdolch.

Das Ja-Wort wird am Altar im Beisein des Geistlichen mit einem innigen Kuss besiegelt. Der liebe Gott drückt heute mal ein Auge zu.

Hochzeit, zweiter Teil: Ein Hotel, ein sehr feines. Erst „reception“ mit Fingerfood, Cocktails und Pub-Musik. Jeder Gast hinterlässt seinen Fingerabdruck auf einem Lebensbaum, der als Poster im Eingang aufliegt.

Hochzeit, dritter Teil: Ballsaal. Braut-Papa erzählt aus dem Leben der Tochter, auf die der Kerl mit den schottischen Vorfahren verdammt noch mal aufpassen soll. Im Hintergrund eine Diashow mit Kinderbildern. Sehr rührend, sehr liebevoll.

Die Rechnung zahlt fast immer der Vater der Braut

Viele Freunde halten viele Reden – so schön, als hätten sie in ihrem Leben nie etwas anderes gemacht als richtig gute Reden gehalten. Tanz. Mehrgängiges Menü. Getränke von der „open bar“, was so viel heißt wie: Papa zahlt die Rechnung. Bestenfalls teilt er sie mit dem Schwiegerpapa. Aber in der Regel wird in Kanada der Brautvater allein zur Kasse gebeten.

Die Tischnachbarn sind mit Bedacht ausgesucht. Im Einwandererland Kanada ist die multikulturelle Vielfalt immer ein Thema. Von den fünf Paaren, die an unserem Tisch saßen, kam gerade mal eine Frau in Kanada zur Welt. Die anderen stammen aus Indien, Santa Lucia, Ägypten, Spanien und Deutschland. Hat da irgendjemand Prost gesagt?

Zwischen den Gängen, der Musik, den Reden gibt’s immer wieder Klingeltöne – nein, nicht aus dem Handy, sondern vom Glöckchen, das zum Tischgedeck gehört. Kanadische Hochzeitsgäste kennen das Spiel: Wenn’s bimmelt, müssen sich Mister and Misses Newlywed küssen. Das machen sie gerne und oft.

Schenken leicht gemacht: Die Wunschliste gibt’s online

Beim Abschied dann noch der Gang zum „sweet buffet“. Dort stapeln sich Dutzende von Tellern mit Cookies und selbstgemachten Schokohäppchen – gespendet von den Hochzeitsgästen. Das sind die kleinen Gesten. Für die großen Geschenke hat das Brautpaar schon Wochen vor dem Fest im Traditionskaufhaus „Hudson’s Bay Company“ eine Wunschliste auslegen lassen. Diese ist auch über die eigens freigeschaltete Internetseite einzusehen. Doppelungen beim Einkauf sind so gut wie ausgeschlossen: Was gekauft wurde, taucht enfach nicht mehr in der Liste auf.

Ein richtig schönes Fest also, bei dem Papa und Mama schon mal den Ernstfall üben konnten. Es gibt da nämlich noch zwei weitere Töchter. Auch die möchten irgendwann mal aus dem Bentley steigen.

Montréal: Herbst in der City

titelHeute in Montréal: Ein Herbsttag wie aus dem Fotoblog – perfekt für eine 25 Kilometer lange Stadtwanderung. Einfach durchklicken, mitwandern und staunen, was die Stadt meines Herzens um diese Jahreszeit so alles zu bieten hat.                                                                                                            Fotos: © Bopp

Indian Summer – mehr geht nicht

bannerDas perfekte Wochenende: Über Nacht ist der Indian Summer am Lac Dufresne angekommen. Drei, vier Tage – höchstens eine Woche – wird die bunte Pracht noch anhalten, dann beginnt das große Blättersterben.                                          Fotos © Bopp

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