Einmal Mandelblüte und zurück

mandelnEs gibt vieles, um das man die Bewohner Mallorcas beneiden kann. Da sind die fantastische Landschaft, das tolle Essen, die wunderbaren Strände und natürlich das milde Klima. Da ist aber auch etwas, das mir als in Kanada lebender Deutscher besonders wohltuend auffällt: die kurzen Entfernungen.

Wer in Kanada von der Atlantik- zur Pazifikküste reisen möchte, ist mit dem Auto tage-, vielleicht sogar wochenlang unterwegs. Zwischen Halifax im Osten und Vancouver im Westen des Landes liegen fünfeinhalbtausend Kilometer. Das entspricht Luftlinie der Strecke von Madrid nach Montevideo.

Auf Mallorca sind es von Nord nach Süd gerade mal 75 Kilometer und von Ost nach West 100. Kurz Kaffee trinken und wieder zurück.

Nehmen wir den heutigen Samstag. Wetter: Herrlich. Zeit: Jede Menge. Neugierfaktor: Hundert. Pläne: Keine. Was also liegt da näher als eine Kurzreise nach Bunyola. Warum gerade Bunyola? Weil es ein schöner Name ist und gerade ein Bus dorthin fährt. 35 Minuten dauert die Fahrt in Richtung Tramuntana-Gebirge.

Es geht über eine Ausfallstraße in Richtung Norden, vorbei an Einkaufszentren und einem Gefängnis, das im Verhältnis zur eher überschaubaren Größe Mallorcas geradezu riesig erscheint. Vermutlich setzten die Planer auf Wachstum – ein schlechtes Omen für so eine friedliche Insel.

Zur Belohnung: Mandelkuchen.

Mallorquinischer Mandelkuchen

Irgendwann verlässt der Bus die Hauptstraße nach Sóller, tuckert auf schmalen Pfaden durch Dörfer, deren Namen ich vergessen habe. Dort gedeihen Orangen- und Zitronenbäume in den Vorgärten und du kommst nicht umhin, kurz an die Lieben daheim zu denken, wo es in diesem Moment gerade mal zu Eisblumen am Küchenfenster reicht, wahrend dir blühende Mandelbäume ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Wiesen, auf denen sich zwar nicht Fuchs und Hase gute Nacht sagen, aber – genau so gesehen – ein Feldhase sich mit einem Huhn die Zeit vertreibt.

Kaum hat man es sich im Autobus gemütlich gemacht, kommt schon die Endstation: Bunyola, ein liebliches Bergdorf, das seinen echten Charme vermutlich erst im Sommer so richtig ausspielt. Oder auch im Winter, wie ich mir sagen lasse. Denn dort oben ist die Luft rauer und ab und zu fällt Schnee.

Eiineinhalb Stunden später sitzt du wieder in deiner Lieblingsbar mitten in Palma und lässt die Busfahrt noch einmal Revue passieren. Auch wenn diesmal der Weg das Ziel war, hat sich die Reise in jeder Hinsicht gelohnt. Wo sonst bekommst du für 3.60 Euro – hin und zurück – in so kurzer Zeit so viel Fototapete geboten?

Ein Grund mehr, sich in diese Insel zu verlieben.

Karneval unter Palmen

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Man muss kein Freund des Karnevals sein, um sich mit den Menschen von Palma freuen zu können. Ein liebevoll zusammengestellter Umzug lockte gestern und heute Tausende in die Straßen und Plätze der Innenstadt. Auch wenn nicht geschunkelt, getanzt und gegrölt wurde – es war ein heiteres Familienfest, das den sympathischen Menschen dieser wunderschönen Insel ganz offensichtlich Freude bereitete. Viele Fotos sind es nicht. Aber die paar, die ich gemacht habe, geben ein wenig von der Stimmung wieder, die hier heute Nachmittag beim Umzug und gestern Abend beim Kinderfest (siehe Bannerfoto) herrschte.

Die Mär vom Winter in Kanada

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Ein bisschen Wnter auf Mallorca.

Wenn es nach mir ginge, bräuchte ich keinen einzigen Tag Winter mehr. Mein Schnee-Soll ist nach 30 Jahren Kanada erfüllt. Die Minusgrade, die mir kanadische Winter in den vergangenen drei Jahrzehnten beschert haben, entsprechen zusammengerechnet ungefähr dem Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten. Und mit dem Streusalz, das sich während dieser Zeit an meinen Schuhsohlen angesammelt hat, könnte man leicht die Nordwestpassage zum Schmelzen bringen.

Der Mythos vom traumhaft schönen kanadischen Winter hält sich bei meinen deutschen Freunden hartnäckig. „Ihr habt wenigstens noch einen richtigen Winter“, höre ich oft, „nicht so ein Matschwetter wie wir“. Stimmt gar nicht. Häufig genug gibt es, zumindest auf dem Breitengrad, den ich mir zum Leben ausgesucht habe, plötzliche Wärmeeinbrüche. Die bringen, genau wie in Köln oder Kiel, Matschphasen mit sich, die nur entfernt an einen „knackigen Winter“ erinnern.

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Winter in Kanada.

Und auch das mit dem strahlend blauen Himmel zwischen November und April ist, zumindest in Montréal, eine Mär. Im Westen Kanadas, also Manitoba, Saskatchewan, Alberta, mag das anders sein. In unserem Teil des Landes finden Sonnenersatz-Lampen gegen Winterdepression reißenden Absatz.

Dabei ist es nicht einmal so sehr die Kälte, die mich am kanadischen Winter stört. Es ist die Länge. Im November geht die Klappe runter und mit etwas Glück Ende April wieder hoch. Dazwischen ist das Leben oft anstrengend und schwer.

Wie leicht der Alltag ohne Eis und Schnee sein kann, erleben wir zurzeit auf Mallorca. Hier heißt es vor dem Ausgehen nicht: Parka? Mütze? Schal? Handschuhe? Alles zusammen? Hier stellt dich das Wetter allenfalls vor die Entscheidung: Hemd oder Jacke? Mit so einem Winter kann ich leben.

Dabei herrscht auch hier noch Winter, im Tramatura-Gebirge hat es sogar geschneit. Aber im Großen und Ganzen ist das Klima lieblich und irgend etwas blüht immer (zurzeit sind es die Mandelbäume). Das Leben spielt sich auch während der so genannten „kalten“ Jahreszeit weitgehend im Freien ab. Noch nicht ein einziges Mal haben wir seit unserer Ankunft im Inneren eines Restaurants gegessen.

Meine kanadischen Freunde spielen Eishockey, um dem Winter etwas abzugewinnen. Oder fahren Langlaufski. Oder gehen Eisfischen. Oder jagen mit dem Snowmobil über zugefrorene Flüsse und Seen. Aber für mich hält sich der Spaßfaktor in Grenzen, wenn das Thermometer auf minus 25 Grad sinkt und sibirische Winde dir das Hirn wegblasen.

Mon pays ce n’est pas un pays, c’est l’hiver“, heißt es in einem Lied, das jeder Québecer kennt. „Mein Land ist kein Land, es ist der Winter“. Ich lebe gerne in Kanada und Montréal ist die Stadt meines Herzens. Und ich liebe die Menschen, die dort wohnen, ihre sympathische Lebensart, dieses unvergleichliche joie de vivre der Québecer.

Aber der kanadische Winter? Nein danke!

Bienvenido en Mallorca!

palmaEisregen, Schnee und stürmische Böen beim Abflug in Montreal. Fünfzehn Stunden später dann das Kontrastprogramm: Vom Mittelmeer her weht eine leichte Brise, der Himmel ist blau. Sonnenschein und 20 Grad. Auch wenn heute, Tag 1 nach der Ankunft in Palma de Mallorca, nur ab und zu mal ein paar Strahlen durch den wolkenverhangenen Himmel dringen: Life is beautiful!

Spätestens als Alfonso von der Stammbar nebenan alles stehen und liegen lässt, um uns schmatzend zu begrüßen, wissen wir: Alles ist gut. Wer seit 30 Jahren in einem der kältesten Länder der Erde wohnt und den Februar, März und April im lieblichen Mittelmeer-Klima verbringen darf, schwebt auf Wolke sieben. Und während ich diesen Satz tippe, schiebt sich die Wolke mit der Nummer 7 als Dank für die Erwähnung mal kurz neben die Sonne. Die strahlt jetzt durchs Fenster und macht den Blick frei auf die Kathedrale, den Königspalast und den wohl schönsten Platz in Palma, die Plaza de la Reina.

Schinken, Salami und frische Blumen vom Markt

Alles kommt uns sehr vertraut vor hier. Die Kellner im Café Bosch sind noch immer dieselben wie bei unserem ersten Besuch vor fünf Jahren. Auf dem Marktplatz besorgen wir uns Schinken, Käse, Salami und frische Blumen. Dem Schmalzgebäck in der Tüte, das uns die resolute Verkäuferin am Vorbeigehen reicht, konnten wir einfach nicht widerstehen. Macht 2 Euro und 2000 Kalorien. Aber was soll’s: Die langen Spaziergänge am Meer, die uns bevorstehen – oft 15 Kilometer am Tag – werden es den Kalorien schon besorgen. Wer glaubt, wird selig.

Im Flieger mit Peter Maffay

Von der Wirtschaftskrise, die in Spanien mit voller Wucht zugeschlagen hat, haben wir bisher nichts mitbekommen. Eine deutsche Häusermaklerin, die seit Jahren auf der Insel lebt, erzählt uns, 2012 sei sogar ein ausgesprochen gutes Jahr für Immobilien gewesen. Vor allem deutsche Anleger seien mehr denn bereit, in Betongold zu investieren. Dabei bekommen sie wegen der sinkenden Preise auf Mallorca sogar noch das Gefühl, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Tausende von Deutschen, die hier leben, können nicht irren: Mallorca ist für viele noch immer die Trauminsel. So denkt wohl auch Peter Maffay, der mit uns im Flieger von München nach Palma saß. Hier lebt er auf einer Finca, und das schon seit Jahren.

Die Straßenreiniger putzen um die Wette

Der kleine Park gegenüber unserer Wohnung ist frisch mit Alpenveilchen und Stiefmütterchen angelegt, die Straßenreiniger putzen schon seit dem Morgengrauen um die Wette. Dass die öffentlichen Müllschlucker nicht mehr funktionieren, hat nicht die Eurokrise zu verantworten. Das System, das jahrelang tonnenweise Abfall im Druck-und Saugverfahren über riesige Rohre durch die Innenstadt gespült hat, musste aus Altersgründen schließen.

Der Auftakt in unserem Home-away-from-Home könnte also nicht schöner sein. Mehr Fotos gibt’s demnächst. Dann hoffentlich auch von der Mandelblüte. Die konnten wir bisher nur beim Anflug auf die Insel bestaunen.

Frühlingsempfang in Montréal

Rrrrummmsss! Die Landung auf dem Montrealer Flughafen war diesmal besonders hart. Dabei hat die Stadt meines Herzens eigens für unsere Rückkehr aus Mallorca und Deutschland ihr feinstes Frühlingskleid angezogen – wie es sich gehört nach einer fast zweimonatigen Trennungsphase. Ich glaube, man nennt das „Lustmacher“. „Bestechungsgeschenk“ würde auch passen. Jedenfalls sind wir nach viel Palma und ein wenig Köln wieder in Kanada. Es könnte schlimmer sein, als in einem Land zu leben, das bei vielen noch immer als Traumland gilt.

Der Lake of Two Mountains ist eisfrei – alles andere als normal für diese Jahreszeit. Das Grün im Gras in unserem Garten überwiegt. Das Herbstlaub dazwischen stört nur ein bisschen und wird spätestens vor dem nächsten Indian Summer entsorgt. Sogar ein paar Forsythien und Krokusse sind zur Begrüßung aus ihren Nestern geschlüpft. Nur das mit den Blättern an den Bäumen müssen wir noch üben: Braun, schwarz, knorrig. Von Knospen noch weit entfernt. Und keine Spur von Grün.

Ein bisschen Frühling im Garten.

Das Schöne an so einem Langzeiturlaub in der europäischen Diaspora ist, dass man die Natur auf hohem Niveau bescheißen kann, indem man gleich drei Frühlinge hintereinander erlebt. Den ersten Mitte Februar auf Mallorca. Den zweiten Ende März in Köln. Den dritten und vermutlich letzten Frühling dieses Jahres erleben wir nun hier im eigenen Garten, in der Nähe von Montreal. Danke, Welt!

Gleich nach meiner Ankunft musste ich zwei neue Erkenntnisse machen, die aus unterschiedlichen Gründen schmerzten: Erstens: Das mit dem Jetlag wird mit zunehmendem Alter immer unlustiger. Heißhunger auf Rührei mit Schinken um 01:30 Uhr morgens ist nervig, aber für einen Lebensmittelvertilger meiner Statur  nicht vermeidbar. Mein Appetitsensor ist nun mal noch immer auf Köln eingestellt. Dort servieren die Damen im „Königshof“ um diese Zeit gerade Frühstück.

Mallorquinischer Käse: Super und preiswert.

Die zweite Erkenntnis hat zum einen mit schwäbischer Sparsamkeit zu tun, hauptsächlich jedoch mit der Erkenntnis, dass Deutschland und Spanien vieles richtig machen, wo Kanada den Schuss noch nicht gehört hat. Es geht um Lebens- und Genussmittelpreise. Das Stück Käse, das ich in Palma für 2.50 Euro und in Köln für einen Euro mehr bekomme, kostet hier 9.50 Dollar. (Ich legte es ins Regal zurück. Die mentale Konditionierung für kanadische Wucherpreise dauert noch). Für  den Preis, den ich hier für eine Flasche Prosecco bezahle, kann ich in Köln-Ehrenfeld eine komplette Aldi-Niederlassung kaufen. Oder zumindest ein Regal davon.

Sonst noch was nach zwei Monaten Europa? Ach ja. Die Recycling-Tonne müsse jetzt immer mittwochs statt dienstags an den Straßenrand gestellt werden, erzählt mir die Nachbarin eben ganz aufgeregt.

Da sage noch einer, in Kanada passiere nie was.