HELP! Beatlemania in Montréal

Ein bisschen wie damals: Beatles-Revival-Konzert im Theatre St. Denis

Ein bisschen wie damals: Beatles-Revival-Konzert im Theatre St. Denis

It’s been a hard days night in Montréal: Vier Jungs, nennen wir sie John, Paul, George und Ringo, brachten das Theatre St. Denis zum Beben. Eine Beatles-Revival-Band blieb den Fab Four nicht nur im Rhythmus treu, sondern auch im Aussehen. Linkshänder-Bass und Pilzkopf inklusive.

Es gibt viele Arten, sich einen netten Abend in Montréal zu machen. Noch lange nicht die schlechteste: Du gehst mit Freunden, von denen du weißt, dass sie, wie du, jeden Beatles-Song nachpfeifen können, in ein Revival-Konzert.

Und schwelgst in Erinnerungen, die dir keiner mehr nehmen kann.

Erinnerung Nummer eins: Irgendwann Mitte der 60er-Jahre machte am Wieland-Gymnasium das Gerücht die Runde: Die Beatles kommen! Leider nicht nach Biberach, sondern nach Mailand. Was liegt da näher, als von Biberach nach Mailand zu trampen und nach der Ankunft in Italien festzustellen, dass es a) keine Tickets mehr gibt und b) du dir sowieso keines leisten könntest.

Tramper waren zu jener Zeit eine gut vernetzte Truppe. Das Facebook der Autostopper war die Jugendherberge. In einer dieser Juhes, wenn ich mich richtig erinnere in Bozen, versicherte ein Typ glaubhaft, man brauche gar keine Karten für das Beatles-Konzert im San Siro-Stadion. Man müsse lediglich in der nahe gelegenen Jugendherberge nächtigen. Von der dortigen Terrasse aus habe man nicht nur einen fabelhaften Blick ins Stadion. Mehr noch: Der Sound in der Juhe sei um Längen besser als vor Ort.

Gesagt, getan. Für einen oberschwäbischen Pilzkopf war in Mailand tatsächlich noch ein Stockbett frei. Und tatsächlich konnte man von der Jugendherberge aus die Beatles mäßig gut sehen und sogar hören. Umsonst.

Erinnerung Nummer zwei: Viele Jahre später ist mir George Harisson über den Weg gelaufen. Es war bei einem Formel-Eins-Rennen in Montréal. Ich war als Reporter dort. Nach dem Qualifying am Samstag vor dem Renntag saß ich noch mit einem ARD-Kollegen im Ferrari-Bistro an den Boxen. Rennställe schmücken sich gerne mit großen Namen. Jack Nicholson ist mir einmal an der Rennstrecke begegnet und auch Ozzy Osbourne. Auch Tom Cruise und Michael Douglas ließen sich mal sehen. B-Prominenz im Vergleich zum großen George Harrison.

Der Beatle betrat das Bistrozelt eher unauffällig und ganz allein. Dass er das Renn-Wochenende in Montréal verbringen würde, hatte bereits die Runde gemacht. Würde er sich an unseren Tisch setzen? Und wenn ja: ”Wie spricht man denn einen Beatle an?”, fragte ich den Kollegen. “Sag ihm doch”, meinte der ARD-Reporter dann, “dass du auch Gitarre spielst”. Toll. So fängt man also eine Konversation mit einer Legende an? Ein richtiges Tischgespräch wurde nicht aus dieser Begegnung. Aber ein geschichtsträchtiger Moment war es trotzdem: Keine sechs Monate später war George Harrison tot.

Und jetzt also das Revival-Konzert im Theatre St. Denis. Herrlich, was so alles Platz hat in der Wundertüte, die sich Leben nennt.

>>>  Hier geht’s zum Youtube-Video der Beatles Revival-Band  <<<

Live aus dem Indian Summer

indianNoch steht er nicht in Flammen, der Wald an unserer Blockhütte. Nur vereinzelt glüht das Blutrot der Ahornbäume in der Sonne. Das Foto oben wurde vor zwei Tagen aufgenommen: Nebelschwaden über dem Lac Dufresne, mit leichter Blattfärbung am Horizont. Aber es wird: Zwischen dem Foto oben und dem Bild unten liegen nur drei Tage.

Den richtigen Zeitpunkt für den Farbenrausch zu erwischen, ist Glücksache. Die Biologen wissen’s genau. Ihre Erklärung: Mit Beginn der kühleren Jahreszeit wird die Zuckerproduktion in den Bäumen gedrosselt. Nach den ersten kalten Nächten zerfällt der grüne Farbstoff Chlorophyll. Danach dominieren knallbunte Farben.

Die Indianer haben ihre eigene Erklärung für dieses Naturschauspiel: “Wenn der himmlische Jäger den Großen Bären erlegt hat, bedeckt das Blut die Wälder.”

Auf ein Naturphänomen ist um diese Jahreszeit jedoch immer Verlass: Die Migration der Kanadagänse. Der schrille Schrei aus dem Nordeni, das kanadischste aller kanadischen Geräusche, ist zu jeder Tages- und Nachtzeit zu hören. Wenn die Schwärme in Pfeilformation in Richtung Süden fliegen, ist der Winter nicht mehr weit.

Lac Dufresne am 21.09.2014  © Bopp

Lac Dufresne am 21.09.2014 © Bopp

iphone 6? Da lacht mein Motorola nur!

Hübsch sieht es aus, das iphone 6, das Apple vor knapp einer Stunde vorstellte. Natürlich werde ich mir das neueste Wunderwerk aus Cupertino kaufen – irgendwann, sicher nicht als door-crasher. Aber zu allererst gehören meine Gedanken an diesem Tag dem Motorola 3200. Es war das erste Handy meines Lebens – und das beste. Aus gegebenem Anlass ein Blogpost vom 17. Oktober 2011:

Mein erstes Handy hatte ich zwei Jahre vor dem Mauerfall. Es war ein Motorola 3200. Mausgrau und fast so lang wie mein Unterarm. Wegen seiner Form wurde es auch „Knochen-Handy“ genannt. Der Listenpreis lag damals bei 4000 Dollar. Es war das beste Handy, das ich je hatte.

Nein, es ist heute nicht alles besser als früher. Aber mein 87er-Handy: Wahnsinn! Die Garage, in der ich mir das Mobiltelefon für weniger als 1000 Dollar besorgte, lag mitten in einem trostlosen Montrealer Industriegebiet. Von welchem Lkw das Handy gefallen war, ehe es bei mir ein Zuhause fand, war mir egal. Ich musste ein Mobiltelefon haben. Wie James Bond, nur kleiner.

Sexy Stimme mit der neuen Liebe

Mein erster Anruf mit meiner neuen Liebe ging an meine alte Liebe. „Deine Stimme klingt sehr sexy“, sagte SIE. Spätestens jetzt hatte ich mich in mein Telefon verknallt. Die Treue zu IHR währte dann aber doch länger. Irgendwann kamen Smartphones auf den Markt. Die musste ich haben.

Den ersten Reportereinsatz mit meinem neuen Spielzeug hatte ich im Wald. Der SDR wollte ein Korrespondenten-Gespräch über den Indian Summer. Ich bestand darauf, für die Live-Schalte in den Wald zu gehen. Mit einer Hand hielt ich das Handy, mit der anderen rührte ich im Herbstlaub. Raschelnde Blätter – bessere O-Töne gibt es nicht für einen Beitrag über den Indianersommer. Das fand auch der Moderator. Von jetzt an schickten mich die Sender oft mit dem Mobiltelefon zu Live-Gesprächen.

Der „King of Gadgets“ war beeindruckt

Es passiert im Leben eines freischwebenden Journalisten im Ausland nicht oft, dass man seinen deutschen Kollegen in technischer Hinsicht voraus ist. Mit dem Handy hatte ich einen Volltreffer gelandet. Ich kannte Keinen, der zu dieser Zeit ein Handy hatte. Auch nicht mein Freund Frank, the King of Gadgets. Als er die Maschine zum ersten Mal in der Hand hielt, hätte er sie am liebsten mit nach Deutschland genommen. Denkste!

Gestern rief er hier an und ich musste an mein erstes Handy denken. Neben Frank saß fast seine komplette Familie. Gut sahen sie alle aus. Ich weiß das so genau, weil ich die Runde sehen konnte. Auf meinem Handy. Nicht über Skype. Sondern auf meinem iPhone über Facetime.

Empfang nur bei Wind Nordost und Sonnenschein

Bei meinem ersten Handy wäre das noch undenkbar gewesen. Dafür war die Tonqualität damals besser als heute mit dem iPhone. Und das Signal bärenstark. Sogar von unserer Blockhütte aus war Empfang möglich. Allerdings nur an einer ganz bestimmten Stelle, an regenfreien Sonnentagen bei Wind Nordost und wenig Blätterrauschen im Wald. So begeistert war ich damals von meiner Fundstelle, dass ich sie mit Bleistift markierte.

Neulich gab es nach Jahren der mobiltechnischen Enthaltsamkeit wieder eine Erfolgsmeldung aus der Hütte: Der Sohn hatte das Kreuzchen entdeckt und sein Handy genau an der der Stelle positioniert, an der schon der Knochen funktioniert hatte. Auch diesmal klappte die Verbindung. Allerdings nicht mit einem Motorola und auch nicht mit dem iPhone. Es war ein Blackberry.

Da sage noch einer, die Firma sei auf dem absteigenden Ast.

Der alte Mann und die Liebe

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Alte Menschen sind großartig. Vor allem, wenn sie das Alter klug gemacht hat und nicht bitter.

Neulich in einer Montrealer Bar, neben mir sitzt ein alter Mann. Er sei gerade 90 geworden, sagt er. Man stellt sich vor.

Do you love yourself, Herbert?“, fragt er mich.

Als meine Antwort nach gefühlten zwei Millisekunden immer  noch nicht kommt, hakt der alte Herr nach: „Do you REALLY love yourself, Herbert?

Ich glaube schon“, sage ich und ernte für diesen Wortschwamm prompt die verdiente rhetorische Tracht Prügel: „Glauben heißt nicht wissen“.

Diese These soll hier keineswegs infrage gestellt werden. Interessanter scheint mir, dass sich ein Neunzigjähriger überhaupt auf ein philosophisches Minenfeld wie das der Liebe, des Glaubens und der Weisheit begibt.

Und überhaupt: Gehört ein 90jähriger Mann abends nicht ins Bett statt an die Bar?

Hinter dem greisen Herrn sitzt, halb verdeckt von seinem weißen, weisen Kopf eine junge Frau mit Rehaugen und MacBook. Mein Gesprächspartner hat sie längst entdeckt. Wer in Paris geboren wird, in Tel Aviv, Wien, Rom und Budapest aufwächst und dann über New York nach Montreal kommt, hat das Vieraugenprinzip verstanden.

Ich muss mich für ein paar Minuten entschuldigen. Nach meiner Rückkehr strahlen mich die Augen des alten Mannes geradezu an. „Ich möchte dir Mireille vorstellen“, sagt er. „Sie kommt aus Grenoble. Ist sie nicht herrlich?“.

Aha. Mireille heißt sie also, die junge Frau mit den Rehaugen und dem MacBook.

Mireille lächelt, als sie mir vorgestellt wird. Mein neuer Freund lächelt immer noch. Und auch mir hat die Begegnung mit zwei so unterschiedlich schönen Menschen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Spät in der Nacht verabschiedet sich mein neuer Freund von Mireille und mir. Er müsse morgen früh raus. Die Uni gehe wieder los. „Die Uni?“ „Ja„, sagt der alte Mann, er sei seit 15 Jahren an der Universität eingeschrieben. Morgen treffe er sich mit einer Komilitonin zum Gedankenaustausch. Sie ist 23.

„Wie machst Du das?“, frage ich meinen neuen, alten Freund.

Es sei ganz einfach: „First you have to love yourself“, sagt der alte Schwerenöter, „then they will love you„.

Erst viel später, auf dem Heimweg, wird mir klar: Ich bin einem liebenswerten Menschenfänger begegnet. Einem, der das Alter als Luxus versteht und nicht als Last.

Ich möchte, bitteschön, auch neunzig werden. Und zwar genau so.

Plötzlich Rentner

rentnerDu wachst eines morgens auf, gehst ins Internet und checkst deinen Kontostand. Strom, Wasser und Kabelfernsehen wurden ordnungsgemäß abgebucht. Auch die vielen Restaurantbesuche haben nicht nur in Kilos und Pfund zu Buche geschlagen, sondern auch in Dollars und Cents. Und dann: Was ist das denn? Hat Donald Duck dir über Nacht etwa Kohle aufs Konto geschaufelt? Nein. Es ist die Rente. Die erste meines Lebens.

Genau genommen sind es sogar zwei Renten: eine aus Deutschland und eine aus Kanada. Viel ist es nicht, als Freiberufler ist es nie viel. Aber es ist ein Batzen, der jetzt dir gehört, ohne dafür auch nur einen Finger krumm machen zu müssen. Heute, morgen, übermorgen. Und hoffentlich auch noch in zehn, zwanzig Jahren. Denn, nicht wahr Herr Blüm, die Rente ist doch sicher?

Wobei: Ganz ohne einen Finger krumm zu machen, geht’s dann doch nicht. Kaum ist die erste Rentenzahlung da, flattert auch schon das Formular „Lebensbescheinigung“ ins Haus: „Sehr geehrter Herr, bitte teilen Sie uns mit, ob Sie noch leben. Widrigenfalls wir die Rentenzahlungen wieder einstellen müssen.“ Oder so ähnlich.

Das alles ist mir ziemlich fremd, das Rentnerfeeling geht mir völlig ab. Und ich denke nicht daran, dem deutschen Rentenamt den Gefallen zu tun, den Löffel abzugeben, der ja gerade erst durch monatliche Zahlungen ein kleines bisschen vergoldet wurde.

Die Kanadier sehen das übrigens lockerer: „Genießen Sie Ihren Ruhestand“ heißt es in der Broschüre von „Canada Pension“, die mit dem ersten Scheck im Postfach steckte. „Sie haben ihn sich verdient“.