So also sieht ein winterlicher Sonntagnachmittag in Palma aus: Da trifft sich eine Folkloregruppe in der Fußgängerzone, packt ihre Instrumente aus und spielt, was das Zeug hält. Es dauert nicht lange, da tanzen 30, 40 Paare zu den Klängen der Musik. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Alte.
Die Tanzschritte sehen kompliziert aus. Ich vermute mal, dass sie Kindern schon in der Schule beigebracht werden. Die meisten der Instrumente, mit der die Folkloreband auftritt, kennt man auch in unseren Breitengraden: Ukulele, Gitarre, Bass und Querflöte. Beeindruckend ist der Gesang, der dem Rhythmus der Instrumente oft um Millisekunden vorauszueilen scheint. Hören und sehen Sie selbst. Hier geht’s zum Video.
Die Menschen, die an diesem Sonntagnachmittag für dieses Spektakel in die Fußgängerzone gekommen sind, tanzen, lachen, klatschen und versprühen eine Lebensfreude, dass es einem vor Rührung die Tränen in die Augen treibt.
Die Band verteilt Kastagnetten – und schon bald wird aus dem Prachtboulevard Paseo del Born, mit all seinen Edel-Boutiquen, ein wunderschöner Ballsaal. Im Schatten des königlichen Palastes und der Kathedrale wirkt das spontane Spektakel geradezu majestätisch.
Und weil auch das Wetter mal einen schlechten Tag hat, ist es für mallorquinische Verhältnisse heute ausgesprochen kühl. Manche tanzen mit Mütze und Schal. In den Bergen hat es sogar geschneit. Aber als kälteerprobte Kanadier empfinden wir Temperaturen um die zehn Grad wie eine frische Brise an einem Frühlingsmorgen.







Der Horror-Winter-98 hat nicht nur das Bewusstsein vieler Kanadier verändert. Mit seiner brachialen Gewalt hat er auch die Landschaft verschandelt: Baumkuppen fehlten plötzlich, massenweise Äste krachten unter der Last des Eises zusammen. Als das Schlimmste vorüber war, sah es aus, als wäre ein überdimensionaler Rasenmäher über Wälder, Parkanlagen und Gärten hinweggefegt. Bis heute haben sich die Wälder nie mehr richtig von dieser Katastrophe erholt.
Lore war zu dieser Zeit allein in unserem Haus. Ich war gefangen in meinem Büro in der Montréaler Innenstadt. Cassian, damals elf, war bei mir. Ich hatte ihn von der Schule abgeholt und wollte am Abend nach Hause fahren. Der Eissturm machte unsere Wochenendpläne zunichte. Wegen der umgestürzten Elektromasten herrschte in Montréal der Ausnahmezustand. Das Militär riegelte die Stadt hermetisch ab. Es gab kein Entweichen. So verbrachten Cassian und ich fünf Tage in einem 45 Quadratmeter großen Büro. Lore kümmerte sich derweil um unser Haus auf dem Land. Ohne Strom. Ohne Heizung. Ohne Wasser. Einzige Wärmequelle war der offene Kamin. Tagelang bestand der Speiseplan aus Tee und Dosensuppen.
Schnee haben Sie also in Deutschland? Ach, wie schön. Fast noch schöner: Wir haben keinen. Oder besser: keinen mehr. Vor ein paar Wochen hatte es mal ausgesehen, als würden wir auch dieses Jahr weiße Weihnachten bekommen. Aber dann hat es sich Petrus doch noch anders überlegt. Dabei soll demnächst bei Montréal das erste Schneedorf Nordamerikas (Foto) entstehen.
